Unicef-Aufmacher

Alles ist erlaubt

Als Kreativ-Unternehmer einfach mal eine etablierte Hilfsorganisation neu denken dürfen? Klingt doch nach einem Plan. Umgesetzt haben ihn das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes und UNICEF Deutschland im ersten Innovation Camp des Kinderhilfswerks. Herausgekommen ist ein Bündel neuer Ideen, die jetzt verwirklicht werden sollen.

Gut, die Projekt-Idee „Killerdrohnen für den Weltfrieden“ war dann doch vielleicht ein bisschen reingesteigert. Und irgendwie wusste bei der Präsentation dann auch keiner mehr von uns, wie genau wir mit den Flugobjekten mehr Aufmerksamkeit für UNICEF erzeugen wollten. Irgendwas mit Formationsflug über dem Kanzleramt? Ach egal, wir haben noch genug andere Ideen, die wir pitchen können.

UNICEF Innovation Camp, erste Konzeptrunde. Ein Rudel Kreativunternehmer wird zusammengewürfelt mit UNICEF-Mitarbeitern. Mission: Neue Ideen entwickeln, wie die Hilfsorganisation neue Unterstützer und Paten werben kann – gerne auch jüngere Menschen, bei denen die klassische Kommunikation mit den vertrauten Bildern von notleidenden Kindern an ihre Grenzen stößt.

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Warum sind wir hier? UNICEF Deutschland-Geschäftsführer Christian Schneider und Moderator Lutz Woellert erklären den Rahmen des Innovation Camp

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Daniel Kerber erklärt, wie sein Startup More Than Shelters die Architektur von Flüchtlingsunterkünfte neu denkt.

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Denkanstoß: Die Erinnerungsguerilla bringt auf Klebezetteln alltagsphilosophische Fragen auf die Straße.

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Mannschaftsaufstellung: Kreativunternehmer und UNICEF-Mitarbeiter werden in Projektgruppen gemischt.

Was sich an diesen zwei Tagen immer wieder heraus stellt: Ein bisschen Tabubruch im geschützten Raum kann die Kreativität extrem voranbringen, wenn man am Ende wieder die Balance findet zwischen „alles ist erlaubt“ und den Werten und Strukturen einer seriösen Hilfsorganisation mit Millionen-Etat, deren Geschäftsführer zur Einstimmung von seiner Malawi-Reise berichtet: Lebenserwartung 37 Jahre, Aids-Epidemie, katastrophale Versorgungslage und ein verwüstetes Land, in dem UNICEF versucht, nicht nur Nothilfe zu leisten, sondern dabei auch noch dauerhafte Wirtschaftsstrukturen aufzubauen.

Direkt im Anschluss stimmt uns Jacob Chromy auf den Tag ein mit einem Parforceritt durch die Provokations-Artikel seines Online-Shops Antipreneur.de: Fluchtsaftgetränke („Ob barfuß durch nordmexikanischen Wüstensand oder mit dem Motorboot übers Mittelmeer: Mit den fruchtigen Durstlöschern steckst Du voller Energie. Da wird jeder Weg zum Ziel!“), Pharmaschinken („das ist Fleisch und Antibiotika in einem. Medizin aufs Brot, hergestellt vom freundlichen Großindustriellen aus deiner Region“) oder das Kartenspiel Kriege („Gefallen finden an Gefallenen“).

Gefolgt vom Künstler Daniel Kerber, der mit seinem Unternehmen more than shelters menschengemäße Flüchtlingsunterkünfte gestaltet. Lutz Woellert, dessen Beratungsfirma Identitätsstiftung Prinzipien des Game Designs auf andere Lebensbereich überträgt. Und der Psychologin Susan Barth, die mit ihrem Kunstprojekt Erinnerungsguerilla Sinnfragen wie „Wann fängt dein Leben an?“ ins Straßenbild bringt.

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Die Gruppenarbeit beginnt.

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Wir reden ja so gerne davon, welchen wichtigen Beitrag die Kultur- und Kreativwirtschaft für unser Gemeinwesen leistet, 146 Mrd. Euro Umsatz und all das. Aber ich brauche keine Zahlen, wenn ich mir ansehe, was allein an diesem Wochenende zusammenkommt an Köpfen und Ideen, Medienmacher, Theaterleute, Kraftwerksdesigner und Skateparkbauer, und alles mischt sich mit den UNICEF-Mitarbeitern aus Bereichen wie Philantropie, PR oder dem Grußkartengeschäft – und heraus kommt ein summender Bienenstock, der in zwei Tagen nach einer harten Vorrunde acht präsentationsreife Konzepte auf die Bühne bringt.

Also wirklich: Bühne. Es muss an der morgendlichen Keynote von Bluespots Productions-Macherin Leonie Pichler liegen, dass wir mehr Aktionstheater als Powerpoint sehen, und wer braucht eigentlich Powerpoint, wenn man seine Slides auch auf Papierbahnen malen und an einem hochgestellten Biertisch entfalten kann? Auch die Jury wird mehrfach in Mitleidenschaft gezogen, Kreppband muss entfernt und Mobiliar wieder zurechtgerückt werden, bevor man sich zur Beratung zurückzieht.

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Erstmal vorsortieren: Moderator Lutz Woellert und Kompetenzzentrums-Mitarbeiterin Julia Köhn clustern die Ergebnisse der ersten Ideenrunde

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Der große Moment: Präsentation vor der Jury

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Warum Powerpoint, wenn man einen Site-Entwurf auch auf Papierbahnen malen kann?

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Abstimmung für den Publikumspreis

Atempause, leichte Absacktendenzen, das Dauerfeuer der letzten zwei Tage macht sich bemerkbar. Wieviel Liter Mate kann ein Körper eigentlich pro Stunde verstoffwechseln?

Einlauf der Jury. Wir alle waren nur aus Spaß am Gestalten dabei, und weil es halt immer ein Fest ist, mit den anderen Irren aus dem Kreativ-Netzwerk zu arbeiten, aber unseren Adrenalindrüsen hat das keiner gesagt. Darum an dieser Stelle nochmal herzlichen Dank für den Verzicht auf Top-Model-Mätzchen, zackzack werden die Projekte genannt, die UNICEF besonders vielversprechend findet und weiter entwickeln will.

Unser Team ist dabei!

Erster Gedanke: Party!

Zweiter Gedanke: Hey, das ist nicht nur irgendein Kreativprojekt, das könnte wirklich etwas bewirken. Fühlt sich gut an. Könnte ich mich dran gewöhnen.

Credits

Text: Georg Dahm (Fail Better Media GmbH)

Fotos: Hartmut Schneider (UNICEF Deutschland)

Anstehende Veranstaltungen

Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.

Credits

Text: Georg Dahm (Fail Better Media GmbH)

Fotos: Hartmut Schneider (UNICEF Deutschland)

Wie trägt Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr Kreislaufwirtschaft bei?

Prinzipien aus der Natur abzuschauen hat schon viele Erfindungen hervorgebracht. Insbesondere Kreislaufsysteme der Natur sind Vorbilder für ein nachhaltigeres Leben. Die Umgestaltung unserer Wirtschaft zu einem kreislaufwirtschaftlichen System stellt jedoch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, die nur branchenübergreifend und ganzheitlich gelöst werden kann. Im Unterschied zum deutschen Begriff „Kreislaufwirtschaft“, der sich auf den Umgang mit Abfall fokussiert, ist der englische Begriff „Circular Economy“ (also „zirkuläres Wirtschaften“) bereits viel weiter gefasst und betrachtet das gesamte Produktsystem. Hier geht es um durchdachte Kreisläufe von Anfang an, die bereits beim Design von Produkten beginnt.

Innovative Ideen und praktische Ansätze für zirkuläres Wirtschaften finden sich schon seit Jahren in der Kultur- und Kreativwirtschaft, zum Beispiel in der Architektur, im Produkt- und Materialdesign, der Film- und Veranstaltungsindustrie sowie dem Modemarkt. Viele Beispiele werden Sie in diesem Magazinschwerpunkt kennenlernen können

In unserer Kurzreportage zur Kreislaufwirtschaft haben wir diesmal mit Architekt*innen Sandra Düsterhus (Point.Architektur) und Martin Haas (haascookzemmrich) über die Ansätze bei ihren Projekten in der Außen- und Innenarchitektur gesprochen und was der Fokus auf Kreislaufwirtschaft auch für die Gestaltung bedeutet.