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Das Spiel geht weiter

Wir erleben gerade die erste Entscheidergeneration, die mit Computerspielen aufgewachsen ist. Games sind zum Massenphänomen geworden, zum Leitmedium - und sie prägen eine neue Sicht auf Wirtschaft, Arbeitsleben und Kultur? Mit der Reihe „Generation Game“ hat das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft einen überfälligen Dialog darüber angestoßen.

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Was Christoph Brosius vor Kurzem in einem Leipziger Seminarraum voller Game-Design-Studenten erlebte, würde andere Menschen zu Kulturpessimisten machen: „Ich habe noch nie eine Klasse erlebt, die mich drei Tage lang so dermaßen nicht angesehen hat“, sagt der IT-Unternehmer, der viel an Hochschulen unterrichtet. „Am Ende habe ich sie gefragt, ob ich sie sehr gestört habe bei dem, was sie eigentlich tun wollen. Und die Antwort war: ‚Nö, ging, manchmal fiel ein interessantes Wort, dann haben wir kurz hingehört, bis uns die Erklärung zu lang wurde.'“ In diesem Augenblick, sagt Brosius, habe er am eigenen Leib gespürt, was er immer postuliert: dass da eine Generation heranwächst, die von Computerspielen geprägt ist und „eine ganz andere Erwartungshaltung an die Welt hat.“

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Bei uns in der Kultur- und Kreativwirtschaft wird Gaming immer noch ein bisschen als Schmuddelthema gesehen. So nach dem Motto: Wenn man es im Zeichentrickfilm nicht schafft, geht man halt ins Game-Design.

Andreas Hedrich
Initiative Creative Gaming

Die „Generation Game“ kommt. Besser gesagt: Sie ist schon da. „Wir haben eine ganze Generation von 30- bis 40-jährigen Entscheidungsträgern, die mit Spielen aufgewachsen sind“, sagt der Kulturwissenschaftler und Kreativunternehmer Lutz Woellert, der mit dem Kompetenzzentrum die Veranstaltungsreihe „Generation Game“ in Hannover, Karlsruhe und Berlin organisiert hat.

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Mission Statement: Lutz Woellert erklärt die Grundgedanken hinter "Generation Game"

Jeder zweite Erwachsene spielt regelmäßig, die Hälfte davon sind Frauen – so weit zum Klischee vom Junge-Männer-Hobby: „Das ist kein Randphänomen mehr, und wir müssen uns damit auseinandersetzen, mit diesem Denken, dieser Wahrnehmung. Das betrifft die Politik genauso wie die Kultur und die Wirtschaft.“

Das Ziel der „Generation Game“-Konferenzen, sagt Woellert: Silos aufbrechen und aufzeigen, welchen enormen Beitrag die Games-Branche für die Gesellschaft leisten kann – und was jetzt geschehen muss, um diese wichtige Innovationsquelle zu pflegen. „Ich sage Game-Designern immer: ‚Ihr seid Weltversteher, wie sie gerade gebraucht werden‘. Und wenn ich Unternehmen oder Stadtplaner berate, sage ich denen: ‚Öffnet euch diesen Leuten, denn die können euch Sachen erklären, von denen ihr nicht wusstet, dass die vielleicht die Lösung dafür haben.‘“

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Mission Statement: Lutz Woellert erklärt die Grundgedanken hinter "Generation Game"

Spieleentwickler gehen mit einer besonders nutzerzentrierten Sichtweise an das Design von Produkten und Prozesssen heran

Es geht eben nicht darum, unsere Welt an eine Generation von Aufmerksamkeitsgestörten anzupassen – sondern um eine neue Sichtweise auf das Design von Produkten, Prozessen oder Dienstleistungen, um eine neue Problemlösungskompetenz. „Game Thinking“ nennen Brosius und Woellert diesen Ansatz, bei dem Game Designer ihre Kompetenzen auf andere Lebensbereiche anwenden und zum Bespiel Bürgerbeteiligungsprozesse so gestalten, dass mehr Motivation und Transparenz entsteht.

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Ort der Hochkultur: In Hannover fand "Generation Game" in der Schalterhalle im Anzeiger-Hochhaus statt

Mit Vorurteilen brechen, Akteure zusammenbringen, Möglichkeiten aufzeigen: Mit „Generation Game“ hat das Kompetenzzentrum einen breiten Dialog über Spiele angestoßen – ganz bewusst an Orten der Hochkultur wie dem Haus der Berliner Festspiele oder der Schalterhalle im Anzeiger-Hochhaus in Hannover. Denn auch der kulturelle Wert der Erzählform Computerspiel wird unterschätzt, weil ihr Bild durch negative Aspekte wie die Gewaltdebatte um Ego-Shooter geprägt ist. „Dabei gibt es ganz tolle Verbindungen von Games mit Performance, Theater oder Musik“, sagt der Hamburger Medienpädagoge Andreas Hedrich. „Aber bei uns in der Kultur- und Kreativwirtschaft wird Gaming immer noch ein bisschen als Schmuddelthema gesehen. So nach dem Motto: Wenn man es im Zeichentrickfilm nicht schafft, geht man halt ins Game-Design.“

Dabei macht die Games-Branche schon jetzt mehr Umsatz als Musik- und Filmbranche zusammen, sagt Woellert: „Computerspiele stehen jetzt an der Stelle, an der Hollywood bei der Erfindung des Farbfilms stand. Und sie werden unsere Wahrnehmung so prägen wie das Fernsehen in den letzten Jahrzehnten.“

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Ort der Hochkultur: In Hannover fand "Generation Game" in der Schalterhalle im Anzeiger-Hochhaus statt

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Ein gut designtes Spiel ist ein perfekter Feedbackmechanismus. Dadurch bleibe ich im Flow und bin nie über- oder unterfordert. Und ich weiß immer was das Spielziel ist. Im Vergleich dazu ist der überwiegende Teil unserer Umwelt ein echt schlecht designtes Game mit schlechtem Feedback auf jeder Ebene. Frag doch mal die Leute, ob sie wissen, wofür ihr Job überhaupt da ist.

Christoph Brosius
Die Hobrechts

Um die Möglichkeiten von Game Thinking erfahrbar zu machen, brach das Kompetenzzentrum für „Generation Game“ mit den üblichen Regeln von Fachkonferenzen. Kein linearer Ablauf von Panels und Podiumsdiskussionen, stattdessen spielerische Formate, die zur aktiven Auseinandersetzung anregen.

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Wie lassen sich Game-Strukturen auf die Theaterbühne bringen? Philip Steimel vom Medientheaterkollektiv machina eX

So wanderten die Teilnehmer in Gruppen zehn Themeninseln ab, an denen sie in jeweils zehn Minuten einen anderen Akteur kennen lernten. Die Theatergruppe machina eX, die Computerspiel-Mechanismen auf die Bühne bringt. Hedrichs Initiative Creative Gaming, die auslotet, wie Computerspiele im Unterricht eingesetzt werden können. Oder Christoph Brosius, der mit seiner Agentur Die Hobrechts das Potenzial von Game Thinking aufzeigt.

Zum Beispiel im Arbeitsleben: „Ein gut designtes Spiel ist ein perfekter Feedbackmechanismus. Ich bekomme Rückmeldung vom System, daraus kann ich lernen und mein Verhalten anpassen. Dadurch bleibe ich im Flow und bin nie über- oder unterfordert. Und ich weiß immer, was das Spielziel ist.“ Im Vergleich dazu, sagt Brosius, „ist der überwiegende Teil unserer Umwelt ein echt schlecht designtes Game mit schlechtem Feedback auf jeder Ebene. Frag doch mal die Leute, ob sie wissen, wofür ihr Job überhaupt da ist.“

Neue Kooperationen sind entstanden

Dass Unternehmen umdenken und sich auf das neue Mindset einstellen müssen, wenn sie auch künftig noch für Fachkräfte attraktiv sein wollen, das ist den Teilnehmern auf den „Generation Game“-Rundgängen schnell klar geworden und hat für Anschlussdiskussionen gesorgt.

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Wie lassen sich Game-Strukturen auf die Theaterbühne bringen? Philip Steimel vom Medientheaterkollektiv machina eX

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Vortrag nach Publikumswunsch: Auch das Programm wurde nach Game Thinking-Prinzipien gestaltet

Neue Partnerschaften sind aus den Begegnungen entstanden; so entwickelt Woellerts Beratungsunternehmen Identitätsstiftung zusammen mit einem Mittelständler jetzt neue Konzepte dafür, wie Mitarbeiter motiviert werden können, Ideen in den Innovationsprozess einzubringen: „Als Ersatz für dieses verstaubte betriebliche Vorschlagswesen.“

Menschen spielen freiwillig, weil sie Spaß daran haben: Wie man eine solche intrinsische Motivation erzeugt, kann man aus der Beschäftigung mit Spielen lernen. Egal ob es um Verkauf geht, Produktdesign, Arbeitsprozesse – oder die Frage, wie man junge Leute ins Theater bekommt. Auch im Kulturbereich hat die Veranstaltungsreihe Anstöße gegeben, sagt Woellert, etwa im Haus der Berliner Festspiele.

2015 hat das Kompetenzzentrum die Debatte in einem neu eingerichteten Round Table in Berlin vertieft – ein wichtiger Schritt, um die vielfältigen Akteure weiter zu vernetzen. Dass die drei Foren des Jahres 2015 nur der Anfang gewesen sein können, darin sind sich auch Woellert, Brosius und Hedrich einig. „Die Rolle des Kompetenzzentrums sollte sein, die verschiedenen Aspekte und Wünsche zusammenzuführen, die an das Medium Computerspiel herangetragen werden“, sagt Hedrich. „Und weiter aufzuzeigen, wo die Verbindungslinien sind zwischen Wirtschaft, Kultur und Kreativität.“

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Vortrag nach Publikumswunsch: Auch das Programm wurde nach Game Thinking-Prinzipien gestaltet

Credits

Text: Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Fotos: Fabian Brennecke. Video: Identitätsstiftung

Anstehende Veranstaltungen

Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.

Credits

Text: Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Fotos: Fabian Brennecke. Video: Identitätsstiftung

Wie trägt Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr Kreislaufwirtschaft bei?

Prinzipien aus der Natur abzuschauen hat schon viele Erfindungen hervorgebracht. Insbesondere Kreislaufsysteme der Natur sind Vorbilder für ein nachhaltigeres Leben. Die Umgestaltung unserer Wirtschaft zu einem kreislaufwirtschaftlichen System stellt jedoch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, die nur branchenübergreifend und ganzheitlich gelöst werden kann. Im Unterschied zum deutschen Begriff „Kreislaufwirtschaft“, der sich auf den Umgang mit Abfall fokussiert, ist der englische Begriff „Circular Economy“ (also „zirkuläres Wirtschaften“) bereits viel weiter gefasst und betrachtet das gesamte Produktsystem. Hier geht es um durchdachte Kreisläufe von Anfang an, die bereits beim Design von Produkten beginnt.

Innovative Ideen und praktische Ansätze für zirkuläres Wirtschaften finden sich schon seit Jahren in der Kultur- und Kreativwirtschaft, zum Beispiel in der Architektur, im Produkt- und Materialdesign, der Film- und Veranstaltungsindustrie sowie dem Modemarkt. Viele Beispiele werden Sie in diesem Magazinschwerpunkt kennenlernen können

In unserer Kurzreportage zur Kreislaufwirtschaft haben wir diesmal mit Architekt*innen Sandra Düsterhus (Point.Architektur) und Martin Haas (haascookzemmrich) über die Ansätze bei ihren Projekten in der Außen- und Innenarchitektur gesprochen und was der Fokus auf Kreislaufwirtschaft auch für die Gestaltung bedeutet.