Johannes Tomm

Innovation is a human business

Johannes Tomm ist Transfermanager beim Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes. Wir stellen ihn und seinen Themenschwerpunkt Innovation und Impuls vor.

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Mit Fellow Robert Mertens.

Die Kultur- und Kreativwirtschaft gilt als Innovationstreiber. Mit einer Innovatorenquote von 51 Prozent in den Jahren 2012 bis 2014 und Ausgaben in diesem Bereich von 4,6 Milliarden Euro liegt sie weit vor anderen Wirtschaftszweigen. Wie können diese Potenziale für Cross-Innovation genutzt werden? Mit welchen Branchen bieten sich Kooperationen an? Und wie können diese angestoßen werden? Damit beschäftigt sich Johannes Tomm in seiner Arbeit als Transfermanager für Innovation und Impuls.  Seit 2007 arbeitet er im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft. Er war Projektleiter und Berater für verschiedene Programme auf Landesebene wie den „Ideenlotsen Bremen“ und „Kreativmachern Mecklenburg-Vorpommern“. Ebenso gehört er seit der 2011 zum Beraterteam der Auszeichnung „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland“ und war bis 2012 Projektleiter beim Leadpartner des EU-Interreg Projektes der Euregio Maas Rhein “Creative Drive”. Mehr als 2000 Akteure hat er als Coach begleitet und unterstützt.

Johannes, du hast vor deinem Studium der Wirtschaftswissenschaft und Kulturwissenschaft eine Ausbildung im Industrie- und Designmodellbau gemacht. Was hat dich daran gereizt?

Ich wollte ein Handwerk erlernen. Ich wollte mit unterschiedlichen Materialien arbeiten. Ich wollte verschiedene Produktionsweisen und Verfahrenstechniken – Messtechnik, CNC-Fräse, 3D-Druck bis hin zur klassischen Drehbank – kennen lernen. Ich wollte einen Einblick in die Branchen von Design und Architektur erhalten. Ich wollte mich vor dem Studium erden und sortieren.

Klingt in der Ex-post-Betrachtung ziemlich zielgerichtet, was? Wahrscheinlich war es aber eher so, dass ich nach dem Abitur etwas mit Hand und Fuß machen wollte und nicht wusste, was ich studieren soll.

Baust du in deiner Freizeit noch Modelle?

Also ich war nicht der kleine Junge, der Flugzeug- oder Schiffsmodelle in seinem Zimmer zusammengesetzt hat – das war eher mein Bruder. Mir war das alles zu kleinteilig, zu fisselig – ich war eher der Typ, bei dem relativ schnell alle Finger durch den Sekundenkleber eine starke Verbindung eingegangen sind.

Aber zurück auf die Frage kommend: Modelle baue ich in meiner Freizeit nicht, eher „Prototypen“: schnell zusammengebaute Funktionsmöbel, die sich dann in der Praxis beweisen müssen. Halten sie länger als einen Monat der häuslichen Belastung stand, verlassen sie den Status des Prototypen – ich baue da also eher zeit- und materialsparend frei nach dem Motto meines ehemaligen Lehrmeisters: „Baue nur soweit wie das Auge des Kunden reicht.“ Und der Kunde bin in diesem Fall ich.

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Mit Fellow Robert Mertens.

Johannes Tomm

Beim Fellows-Forum in Goslar.

Was konntest du aus der Zeit als Modellbauer für deine jetzige Arbeit im Kompetenzzentrum mitnehmen?

Ich habe in den Jahren vor dem Kompetenzzentrum deutschlandweit gut 2000 Akteure der Branche auf ihrem unternehmerischen Weg begleiten und unterstützen dürfen. Da lernt man als Coach und Mensch sehr viel. Es sind die Erfahrungen als Auszubildender, Geselle, Angestellter, Student, Selbstständiger und Coach, die ich mitbringe.

Damit einher geht sicherlich auch eine Offenheit für Neues und Spaß daran, unterschiedlichste Techniken, Methoden und Themen miteinander zu kombinieren. Und eine gesunde Dankbarkeit meiner jetzigen Tätigkeit gegenüber – ich habe eben das Glück mit meiner Arbeit in der Kreativwirtschaft, dass ich fast jeden Tag auf inspirierende Menschen treffen darf.

Du beschäftigst dich seit 2007 in deiner Arbeit mit der Kultur- und Kreativwirtschaft. Wenn du auf die vergangenen zehn Jahre zurückblickst: Was hat die Branche erreicht?

Sie ist mehr und mehr zu einer eigenen Branche geworden und hat sich als solche in den Köpfen verschiedener Interessengruppen festgesetzt. Die Akteure der Branche sind selbstbewusster geworden. Was ich damit meine ist, sie agieren vermehrt an den Grenzen zu anderen Branchen und Bereichen. Damit schaffen sie Lösungen für wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen unserer Zeit – ob z.B. in Bereichen wie Gesundheit, Ernährung, Humanitäre Hilfe, politische Bildung, Stadtentwicklung oder im Themenfeld „neue Arbeit“. Sie sind Akteure, die gestalten wollen, und das geht weit über ihre originäre Tätigkeit hinaus.

In den letzten zehn Jahren haben sich eine Vielzahl von eigeninitiierten Netzwerken und Interessenvertretungen herausgebildet. Ebenso wurden viele Förderinstrumente auf kommunaler und Landes-Ebene geschaffen, fast jedes Bundesland und eine Vielzahl von Städten haben heute spezifische Unterstützungsmaßnahmen für die Branche. Vor zehn Jahren, als ich bei den „Ideenlotsen“ in Bremen angefangen habe, konnte man diese Maßnahmen in Deutschland noch an einer Hand abzählen. Da haben die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft, und auch die Initiative der Bundesregierung als Impulsgeber, schon einiges in den letzten Jahren erreicht.

Im Kompetenzzentrum bist du Transfermanager für den Bereich Innovation und Impuls. Welche Innovationen der letzten Jahre sind für dich am wichtigsten?

Ich erinnere mich noch, als mein Vater Anfang/Mitte der 80er Jahre einmal ankündigte, dass er am kommenden Tag einen Computer mit nach Hause bringt. Ich war damals als Sechsjähriger voll davon überzeugt, dass mein Vater nun am nächsten Tag mit einem Roboter – so wie ich ihn aus „Captain Future“ kannte – nach Hause kommt. Wie groß meine Enttäuschung war, als der dann mit dieser komischen Schreibmaschine namens C64 ankam, brauche ich hier wohl nicht zu beschreiben…. Die Freude an „Load“$“,8,1“ „List“ & „Run“ hatte ich dann aber auch.

Johannes Tomm

Beim Fellows-Forum in Goslar.

Johannes Tomm

Wenn ich mir jetzt die Kultur- und Kreativwirtschaft ansehe, hat sich im Rahmen der Digitalisierung natürlich einiges getan, vor allem, was neue Geschäftsmodelle, Produktions- und Vertriebsmöglichkeiten angeht. Für mich von Interesse sind aber gerade die nichttechnischen Innovationen, soziale oder kulturelle Innovationen, die zwar technische Elemente umfassen können, die Technik hierbei aber eher „Mittel zum Zweck“ ist. Denn im Kern sind es gerade die analogen Fähigkeiten und Kompetenzen der Akteure, die auch weiterhin die Kreativität und den Erfolg ausmachen werden.

Welche Impulse gibt das Kompetenzzentrum in diesem Jahr?

Wir bespielen eine Reihe von Themen an Schnittstellen zu anderen Branchen und Bereichen: stellen Fragen, geben Antworten und machen das Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft in unterschiedlichen Kontexten sichtbar. Wir reden dabei über neue Arbeit und kreativen Nachwuchs, diskutieren die Schnittstelle zur Ernährungswirtschaft oder die Rolle der Kreativwirtschaft im ländlichen Raum….

Es geht uns eigentlich immer darum, Trends und Themen frühzeitig aufzugreifen und diese gemeinsam mit den Akteuren und Multiplikatoren auf die Relevanz für die Branche in Deutschland hin zu diskutieren. Die Ergebnisse geben wir dann über Veranstaltungsformate und Publikationen als Impuls in die Branche zurück.

Momentan wird viel über nichttechnische Innovationen gesprochen, die in der Kultur- und Kreativwirtschaft schon lange Thema sind. Was sind die Besonderheiten dieses Innovationsbegriffs?

Ganz kurz gesagt: „Innovation is a human business“ – vermehrt den Menschen in den Fokus der Betrachtung stellen und nicht so sehr auf die Patentierbarkeit und technische Neuerung einer Invention schauen.

Der Innovationsbegriff in der Kultur- und Kreativwirtschaft ist geprägt durch das Kombinieren neuer Technologien mit nichttechnischen Anwendungen, wie auch durch disziplinübergreifende Prozesse und Organisationen – offen, kollaborativ und global. Zudem arbeiten die Akteure stark werteorientiert. Hier greifen dann eher Begriffe wie Co-Creation, Open Source oder Open Innovation. Das zeigt, dass der Innovationsbegriff, beschränkt auf technische Ideen und betriebswirtschaftliche Kennziffern, in der Kreativwirtschaft so nicht zwangsläufig greift. Innovation hört da noch lange nicht auf: Es gibt kreative und soziale Innovation, Ideen, die großen Einfluss auf die Gesellschaft und Wertesysteme haben. Diese Ideen können unglaublich viel bewegen und stammen zu einem großen Teil aus der Kultur- und Kreativwirtschaft.

Johannes Tomm

Johannes Tomm

Vorbereitung für den Ernährungs-Workshop.

Um „Innovation in und mit der Kultur- und Kreativwirtschaft“ geht es auch am 29. März im Forum des Kompetenzzentrums in Darmstadt. Welche neuen Perspektiven eröffnen die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft anderen Branchen?

Zunächst geht es ja nicht darum, anderen Branchen die Augen zu öffnen. Das muss ein beidseitiger Prozess sein, in dem es darum geht, die Stärken der eigenen Branche in Bezug auf Innovationspotenziale heraus zu arbeiten und den Mehrwert für andere Branchen zu betonen. Es geht um gegenseitige Inspiration, Sensibilisierung sowie ein von- und miteinander Lernen. Innovationen entstehen eben oft dann, wenn man Ideen aus verschiedenen Branchen miteinander kombiniert.

Mit der Veranstaltung in Darmstadt wollen wir den Innovationsbegriff umkreisen und diskutieren. Wir stellen eine 2016 erschienene Studie zur nichttechnischen Innovation des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie den realen Beispielen dreier Unternehmer aus der Kultur- und Kreativwirtschaft gegenüber. Paula Schwarz, Gründerin von startupboat, David Brühl vom Node-Festival und Johannes Comeau Milke von Journey2creation geben Impulse aus der Praxis zu sozialen und kulturellen Innovationen und wie diese Wirtschaft und Gesellschaft gestalten. Dadurch lässt sich die Theorie einer Studie hautnah erleben und auf Basis unternehmerischer Tätigkeit diskutieren.

Welche Innovation würde dir persönlich das Leben erleichtern? Oder über welche Neuerung würdest du dich besonders freuen?

Für mich ganz persönlich wünsche ich mir eine Stadt, die ein komplettes Autofahrverbot im Innenstadtbereich durchsetzt und im Gegenzug für diesen Bereich die Nahverkehrsnutzung kostenlos anbietet. Das wäre eine Neuerung, die mir besonders viel Freude bereiten würde. Zum einen, weil es extrem mutig wäre, zum anderen weil es ein einmaliges Spielfeld für Innovationen im urbanen Raum hergeben würde. Noch toller wäre es natürlich, wenn diese Stadt Berlin heißt.

Johannes Tomm

Vorbereitung für den Ernährungs-Workshop.

Das Transferteam

Die Transfermanager unterstützen die Unternehmer der Kultur- und Kreativwirtschaft durch spezifische Maßnahmen, Vernetzungsangebote und neue Impulse: Sie machen ihre Potenziale sichtbarer und sensibilisieren neue Partner für innovative Lösungen und Kooperationen mit der Branche. Über ganz Deutschland verteilt bieten die Transfermanager in diesem Jahr spannende Foren, Workshops und Kooperationsveranstaltungen an, bei denen sie ihre Expertise einbringen.

 

Veranstaltungen „Innovation und Impuls“
(eine Auswahl)

29.03. Darmstadt
Neue Perspektiven: Innovation in und mit der Kultur- und Kreativwirtschaft

01.04. Berlin
Töpfern 2.0 – Handwerk trifft Kreativwirtschaft

03.05. Saarbrücken
Neue Lösungen mit der Kultur- und Kreativwirtschaft:  öffentliche Betriebe als Vorreiter?!

04.05. Berlin
Workshop „Zukunft der Ernährung- neue Kooperationen für eine neue Esskultur“

21.06. Berlin
KfW-Fachkonferenz
Kreativwirtschaft 4.0? Perspektiven, Herausforderungen, Förderung
in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum

Weitere Informationen:
https://kreativ-bund.de/veranstaltungen

Kontakt:
tomm@kreativ-bund.de
T 030 – 2088891-18

Credits

Text: Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Fotos: William Veder, Shantan Kumarasamy

Anstehende Veranstaltungen

Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.

Credits

Text: Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Fotos: William Veder, Shantan Kumarasamy

Wie trägt Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr Kreislaufwirtschaft bei?

Prinzipien aus der Natur abzuschauen hat schon viele Erfindungen hervorgebracht. Insbesondere Kreislaufsysteme der Natur sind Vorbilder für ein nachhaltigeres Leben. Die Umgestaltung unserer Wirtschaft zu einem kreislaufwirtschaftlichen System stellt jedoch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, die nur branchenübergreifend und ganzheitlich gelöst werden kann. Im Unterschied zum deutschen Begriff „Kreislaufwirtschaft“, der sich auf den Umgang mit Abfall fokussiert, ist der englische Begriff „Circular Economy“ (also „zirkuläres Wirtschaften“) bereits viel weiter gefasst und betrachtet das gesamte Produktsystem. Hier geht es um durchdachte Kreisläufe von Anfang an, die bereits beim Design von Produkten beginnt.

Innovative Ideen und praktische Ansätze für zirkuläres Wirtschaften finden sich schon seit Jahren in der Kultur- und Kreativwirtschaft, zum Beispiel in der Architektur, im Produkt- und Materialdesign, der Film- und Veranstaltungsindustrie sowie dem Modemarkt. Viele Beispiele werden Sie in diesem Magazinschwerpunkt kennenlernen können

In unserer Kurzreportage zur Kreislaufwirtschaft haben wir diesmal mit Architekt*innen Sandra Düsterhus (Point.Architektur) und Martin Haas (haascookzemmrich) über die Ansätze bei ihren Projekten in der Außen- und Innenarchitektur gesprochen und was der Fokus auf Kreislaufwirtschaft auch für die Gestaltung bedeutet.