Fellows-Forum 2017

Gemeinsam zeigen, was geht

Pack 70 Kreative in einen Raum, komm zwei Tage später wieder und schau, was sie ausgebrütet haben: Das erste Fellows-Forum zeigt, was für ein einzigartiger Thinktank diese Truppe von Köpfen aus komplett verschiedenen Bereichen darstellt – und was alles drinsteckt in dieser „Kultur- und Kreativwirtschaft“.

So, dann beantworten wir mal schnell die großen Fragen der Gegenwart, 90 Minuten sollten reichen, wir sind doch Kreative.

Äääh, was?

Nein, wir haben nicht in 90 Minuten herausgefunden, wie wir unsere in radikale Krakeelgruppen zerfallende Gesellschaft wieder vereinen. Aber immerhin haben wir schon mal eine Demokratie-Aktion entworfen, bei der wir die Menschen auf den Marktplätzen nicht belehren, sondern ihnen zuhören wollen.

Apropos zuhören: Wir haben auch keine Konzepte dafür entwickelt, wie Kreative auf dem Land Wachstumsimpulse setzen können. Weil genug von uns da groß geworden sind und oft genug erlebt haben, wie teure Experten von außerhalb mehr schaden als nutzen. Weswegen wir demnächst gemeinsam über die Dörfer ziehen wollen, um an Tischen und Tresen voneinander zu lernen, was funktioniert.

Fellows-Forum 2017
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Fellows-Forum 2017
Fellows-Forum 2017

Und wenn es darum geht, ein Smart Home zu gestalten, bei dem nicht ein Konzerninteresse oder das technisch Machbare im Mittelpunkt steht, sondern der Mensch, haben wir jetzt auch noch keinen Masterplan – gründen aber gerade ein Konsortium, das sich genau dieser Aufgabe stellen wird.

Durchdenken, anstoßen, loslegen. Das erste Fellows-Forum hat vor allem eines produziert: Neugierde darauf, was diese völlig unterschiedlichen Typen zusammen anstellen werden. Gib uns vier Räume, zwei Tage Zeit und abends eine Bar – den Rest machen wir. Elf spontan organisierte Barcamp-Sessions zwischen großen Entwürfen und konkreten Problemlösungen. Es diskutieren Professor und Galerie-Größe, Journalist und Wurstaktivist, Spieleentwickler und 3D-Druck-Experte, Architekt und Musikunternehmerin, Programmierer und Stadtentwickler.

Beim Fellows-Forum hatten wir die Kraft und die Ressourcen, um eine eigenständige Agenda zu setzen. Ich finde es wunderbar, dass unser Netzwerk auf einer positiven Basis und im Miteinander so gut funktioniert.

Fellow Gerald Dissen, Room in a Box

Viele hier sind sich noch nie begegnet, auch weil das Fellows-Netzwerk jetzt erst vollständig ist. 2016 war es mit 50 Fellows an den Start gegangen, in diesem Jahr sind weitere 50 nachnominiert worden. Schon die Vorstellungsrunde ist ein Parforceritt durch die Disziplinen und zeigt, was hier an Expertise versammelt ist – ein Eindruck, der sich abends bei einer improvisierten Kurzvortrags-Runde nochmal verstärkt. Das also ist diese „Kultur- und Kreativwirtschaft“, unter der viele sich so wenig vorstellen können!

„Bis zur letzten Minute war ich mir nicht sicher, was passieren würde mit all diesen unterschiedlichen und grandiosen Menschen auf engem Raum“, sagt Mit-Organisator Johannes Tomm am zweiten Tag. „Inzwischen weiß ich: Besser geht’s nicht.“ Tomm ist einer von vier Transfermanagern des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes, die die Debatten begleiten und dabei helfen werden, die angedachten Aktionen umzusetzen.

Fellows-Forum 2017Goslar Hotel Hessenkopf
Fellows-Forum 2017
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Fellows-Forum 2017
Fellows-Forum 2017

So viele Perspektiven in einem Raum. Der altgediente Politik-Profi bekommt einen Reality-Check vom Jungunternehmerinnen-Flügel. „Gibt’s schon längst“, ruft die Nerd-Fraktion, als eine Galeristin sich eine Digitalisierungslösung für ihren Fundus erträumt. Und der feingliedrig seine Gedanken knetende Modeschöpfer bringt mit überraschenden Zwischenfragen eine dahinschlingernde Strukturdebatte wieder auf Kurs.

„Das ist mir alles noch zu unkonkret“, mahnt Transfermanagerin Eva Kiltz mit erhobenem Edding, wenn wir allzu sehr ins Mögliche abschweifen. Muss ja in der Abschlussrunde alles einigermaßen zusammenhängend präsentiert werden. Und zwar nicht nur als Diskussionsprotokoll, das dann zusammen mit den Erinnerungen an zwei spannende Tage abgeheftet wird, sondern als erster Schritt zu konkreten Maßnahmen.

Für uns ist es extrem hilfreich, so viele auslandserfahrene Kreativunternehmer in einem Raum zu versammeln.

Julia Köhn, Transfermanagerin Internationales und Export

Zum Beispiel, um Kultur- und Kreativunternehmer besser bei ihrem Auslandsgeschäft zu unterstützen. „Für uns ist es extrem hilfreich, so viele auslandserfahrene Kreativunternehmer in einem Raum zu versammeln“, sagt Julia Köhn, Transfermanagerin für den Bereich Internationales, dem sich eine eigene Barcamp-Runde gewidmet hat. Das Ergebnis: eine Sammlung von Best-Practice-Beispielen und Ideen für Netzwerk-Aktionen, die bald in einer Expertenrunde vertieft und konkretisiert werden sollen.

In einer anderen Session haben Fellows die Grundlagen für ein Ranking von Musikstädten erarbeitet. „Es gibt zwar den Creative Cities Index, der allgemein das kreative Potenzial bewertet“, sagt Katja Hermes, deren Start-up Sound Diplomacy Städte bei der Entwicklung ihrer Musikszenen berät. „Aber wir haben kein Tool, das sich auf die Faktoren konzentriert, die für diese Branche wichtig sind.“

Ebenfalls in Arbeit: eine Deutschland-Tour für Popup-Stores, ein Ausbildungs-Manifest für den kreativen Nachwuchs. Ein Escape Game, das die Leistungen der Kreativwirtschaft erfahrbar machen soll. Lauter Ideen für den Zukunftsmarkt sprachgesteuertes Internet, der gerade verteilt wird. In einer Barcamp-Runde soll auch ein Geheimbund gegründet worden sein, da wüsste man jetzt mehr, aber meistens geht es bei diesen Dingen ja um Weltherrschaft und so.

Vielleicht erfahren wir das ja beim nächsten Fellows-Forum. Aber bis dahin haben wir auch so noch genug zu tun.

Credits

Text: Georg Dahm, Fail Better Media GmbH

Fotos: William Veder

Anstehende Veranstaltungen

Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.

Credits

Text: Georg Dahm, Fail Better Media GmbH

Fotos: William Veder

Wie trägt Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr Kreislaufwirtschaft bei?

Prinzipien aus der Natur abzuschauen hat schon viele Erfindungen hervorgebracht. Insbesondere Kreislaufsysteme der Natur sind Vorbilder für ein nachhaltigeres Leben. Die Umgestaltung unserer Wirtschaft zu einem kreislaufwirtschaftlichen System stellt jedoch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, die nur branchenübergreifend und ganzheitlich gelöst werden kann. Im Unterschied zum deutschen Begriff „Kreislaufwirtschaft“, der sich auf den Umgang mit Abfall fokussiert, ist der englische Begriff „Circular Economy“ (also „zirkuläres Wirtschaften“) bereits viel weiter gefasst und betrachtet das gesamte Produktsystem. Hier geht es um durchdachte Kreisläufe von Anfang an, die bereits beim Design von Produkten beginnt.

Innovative Ideen und praktische Ansätze für zirkuläres Wirtschaften finden sich schon seit Jahren in der Kultur- und Kreativwirtschaft, zum Beispiel in der Architektur, im Produkt- und Materialdesign, der Film- und Veranstaltungsindustrie sowie dem Modemarkt. Viele Beispiele werden Sie in diesem Magazinschwerpunkt kennenlernen können

In unserer Kurzreportage zur Kreislaufwirtschaft haben wir diesmal mit Architekt*innen Sandra Düsterhus (Point.Architektur) und Martin Haas (haascookzemmrich) über die Ansätze bei ihren Projekten in der Außen- und Innenarchitektur gesprochen und was der Fokus auf Kreislaufwirtschaft auch für die Gestaltung bedeutet.