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Der Salon ist eröffnet

Deutschlands Kultur- und Kreativschaffende werden sichtbarer: Mit dem Umzug in die Hauptstadt sitzt das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes jetzt direkt dort, wo über die Zukunft des Standorts entschieden wird. Die Bundesregierung finanziert das Projekt und hofft auf neue Impulse für Politik und Unternehmen.

Ein ehemaliges Wein-Kabarett also, einst Sitz des Salons Frou Frou, mit Unterhaltung und Tanz bis in die Morgenstunden. Was genau man in den 1920er Jahren meinte mit dem Claim, man sei das „intimste Lokal der Stadt“, wissen die neuen Mieter der Jägerstraße 65 auch nicht. Aber es muss das Publikum angezogen haben, und das sehen sie hier als gutes Omen – ebenso wie die Tatsache, dass in dieser Straße Berlins erste Abendzeitung gedruckt wurde, die Familie Mendelssohn ihre kulturpolitischen Salons abhielt und die Deutsche Bank ihre erste Filiale um die Ecke eröffnete.

Animierende Auftritte, Innovationen, kulturpolitischer Diskurs und die ewige Frage nach dem Geld: Das ist für den Anfang schon mal keine schlechte Beschreibung dessen, was das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft vorhat an seinem neuen Standort in Berlin-Mitte. „Die Kultur- und Kreativwirtschaft noch sichtbarer machen“, beschreibt Monika Grütters das Ziel – schon vor der offiziellen Eröffnung besuchte die Staatsministerin für Kultur und Medien das neue Kompetenzzentrum.

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Gast Nr. 1: Schon vor der offiziellen Eröffnung besucht Monika Grütters das neue Kompetenzzentrum. Ständiger Begleiter der Staatsministerin für Kultur und Medien: ein maßgefertigtes Klapp-Rednerpult aus der Pappmöbelmanufaktur Room in a Box (Kultur- und Kreativpiloten 2014)

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Neuer Ort, neues Team: die vergößerte Mannschaft des Kompetenzzentrums

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Impulsredner: Frank und Patrik Riklin (1. und 2. v.l.) stellen die Arbeit ihres Kunstunternehmens Atelier für Sonderaufgabe vor

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Ein Künstler bringt eine Stadt zum Radfahren: Norbert Krause (Kultur- und Keativpilot 2015) inszeniert mit seiner Agentur Krauses Stadtentwicklungsprojekte, die Menschen verbinden und in Bewegung bringen

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Und dann durchziehen: Monika Grütters lässt sich von Julian Adenauer (Kultur- und Kreativpilot 2014) die SMSlingshot erklären, mit der Kunstaktionen im öffentlichen Raum gestaltet werden

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Ein Tisch für Ideen: Das Künstlerduo Wimmelforschung zeigt Beispiele aus seiner Arbeit für die Robert Bosch Gmbh…

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…die sich einen Raum für kreatives Denken hat entwickeln lassen.

„Kreative sind Individualisten, wahrscheinlich erscheint ihnen die Idee einer gemeinsamen Plattform auf den ersten Blick nicht zielführend“, sagt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bei der Eröffnung. „Aber sie brauchen auch eine Plattform wie diese, um Gehör zu finden und ihrer Stimme gegenüber den „Großen“ mehr Gewicht zu geben.“ Die „Großen“, das sind Branchen wie die chemische oder die Autoindustrie mit ihren mächtigen Lobbystrukturen – wobei die Kreativwirtschaft mit ihren 1.057.000 Mitarbeitern und ihren 146 Mrd. Euro Jahresumsatz ein bedeutender Wirtschaftsfaktor ist, wie auch Gabriel hervorhebt.

Aber es ist eben eine extrem vielfältige Branche, zu der Computerspielhersteller genauso gehören wie Produktdesigner, Filmstudios, freischaffende Künstler, Konzertagenturen, Medien-Startups oder Modelabels. Und es ist eine extrem kleinteilige Branche, in der viele Akteure mehr als genug damit zu tun haben, ihre Existenz zu sichern. „98 Prozent sind Kleinstunternehmer“, sagt Christoph Backes, Leiter des u-instituts, das das Kompetenzzentrum im Auftrag der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung betreibt. „Und es ist das Verdienst dieser Initiative, die Kleinstunternehmen als Ausgangspunkt von Wertschöpfung in den Fokus genommen zu haben und bundesweit Strukturen für sie aufzubauen.“

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Innovation auf Rädern: Zur offiziellen Eröffnung stellt das Kompetenzzentrum das Fab Mobil vor, einen mobilen Makerspace…

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…in dem sich Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel erst einmal mit den Machern festredet über die Möglichkeiten von 3D-Druck und anderen Kreativtechniken.

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Im Anschluss an seine Ansprache war Sigmar Gabriel im Gespräch mit den Kreativunternehmern Max Beckmann (Endboss Projects), Christoph Brosius (Circumradius) und Mona Rübsamen, Geschäftsführerin von Flux.FM

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Sounding Board der Branche: Auf der Eröffnungsfeier benennt das Kompetenzentrum die ersten 50 Fellows – Kultur- und Kreativunternehmer und Experten aus dem In- und Ausland, die vor Ort als Ansprechpartner und Netzwerker agieren werden.

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Jägerstraße 65: Errichtet wurde das Gebäude in Berlin-Mitte einst als Kabarett.

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KKKW Eröffnung | Jägerstraße, Berlin Mitte – 07.06.2016

In diesem Jahr kann das Kompetenzzentrum bei seiner Arbeit auf neue Strukturen zurückgreifen, die getragen werden von erfahrenen Kreativunternehmerinnen und -unternehmen aus dem ganzen Bundesgebiet: 100 Fellows, gut vernetzte Akteure, die in ihren Regionen als Ansprechpartner und Fürsprecher wirken – und als Radar für neue Entwicklungen in der Branche, die für die Arbeit des Kompetenzzentrums wichtig sind. Außerdem wurde der Beirat, der das Zentrum berät und begleitet, dieses Jahr neu zusammengesetzt.

Im neuen Kompetenzzentrum laufen die Fäden zusammen, hier soll die Kultur- und Kreativwirtschaft sichtbar werden – auch um politischen Eindruck zu hinterlassen. „Was Sie gut können, ist Emotionen wecken“, sagt Gabriel – aus eigener Erfahrung, hat er doch vor der Eröffnung die Zeit vergessen unten auf der Straße im mobilen Makerspace, den das Kompetenzzentrum in einem umgebauten Doppeldeckerbus eingerichtet hat. Das rollende Ideenlabor ist für Gabriel ein perfekter Beleg dafür, wie Kreative die Gesamtwirtschaft mit Innovationen versorgen: „Locken Sie die Politiker aus Ihrem Alltag, holen Sie die Fraktionen her, laden Sie den Haushaltsausschuss ein, hier zu tagen, damit der sieht, dass die Gelder gut angelegt sind.“

„Sie versetzen uns in die Lage, die Perspektive zu wechseln“, sagt Monika Grütters. „Verschiedene Denkstrukturen zusammenzubringen, schafft Mehrwert.“ Zum Beispiel, wenn in anderen Branchen Entwicklungspartnerschaften mit Kreativunternehmern entstehen. Den Wert der kreativen Startups als „ausgelagerte F&E- oder Designabteilung“ hätten hierzulande viele immer noch nicht erkannt, sagt auch Gabriel. „Es ist fast schon ärgerlich, wenn Unternehmer wie Eric Schmidt in Berlin durch die Startup-Garage gehen und schauen, wen sie abfischen können. Hier sollten die DAX30-Konzerne und der deutsche Mittelstand herumspringen.“

Neue Perspektiven und überraschende Lösungen für wirtschaftliche, technische, gesellschaftliche Herausforderungen entwickeln: Diese Stärke der Kreativen will das Kompetenzzentrum in diesem Jahr auch mit seinen vier Schwerpunktthemen sichtbar machen: Unter den Schlagworten „gestalten“, „grenzenlos“, „gemeinsam“ und „zukünftig“ werden Aktionen und Veranstaltungen gebündelt.

Credits

Text: Georg Dahm, Fail Better Media GmbH

Fotos: William Veder

Anstehende Veranstaltungen

Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.

Credits

Text: Georg Dahm, Fail Better Media GmbH

Fotos: William Veder

Cross Innovation mit der Kultur- und Kreativwirtschaft

Die aktuellen Herausforderungen sind so komplex und vielfältig, dass sie nicht von einzelnen Branchen oder Disziplinen allein gelöst werden können. Indem über Branchengrenzen hinweg zusammengearbeitet wird, können neue Ideen entwickelt, Wissen effektiv geteilt und Lösungen geschaffen werden, die nachhaltiger, umfassender und wirkungsvoller sind.

Cross Innovation wird dieser Ansatz bezeichnet, bei dem Innovationen durch den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Branchen und Disziplinen vorangebracht wird. Dazu kommen Akteur*innen aus unterschiedlichen Bereichen, die auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben können, zusammen. Sie teilen Wissen, Methoden und Perspektiven miteinander und entwickeln daran anknüpfend neue Lösungen. Durch die Vielfalt an Denkweisen und Kompetenzen werden neue Ideen und innovative Ansätze geschaffen, die in einzelnen Branchen alleine oft nicht entstehen würden und den komplexen Herausforderungen gerechter werden. Zum Beispiel können Methoden aus dem Design oder dem Storytelling auf technische Fragestellungen angewendet werden, um unkonventionelle Lösungen zu entwickeln, oder es werden in kultur- und kreativwirtschaftlichen Kontexten neue Anwendungen für technologische Innovationen aus der Industrie gefunden. Insgesamt hilft Cross Innovation dabei, das Potenzial von Branchen, Unternehmen und Projekten voll auszuschöpfen, indem sie neue Kooperations- und Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet.

Im Magazin beschäftigen wir uns mit der Frage, was Cross Innovation für Vorteile bringt, wo Hindernisse bestehen und wie diese überwunden werden könnten. Für unsere Kurzreportage haben wir daher sowohl Akteur*innen der Branche als auch Michael Kellner, Ansprechpartner der Bundesregierung für die Kultur- und Kreativwirtschaft & Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz zu ihren Gedanken zu Cross Innovation befragt.