Den Trends auf der Spur
Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine der dynamischsten Branchen überhaupt. Was heute noch als Nische gilt, kann morgen schon den Mainstream definieren. Doch wie behält man in dieser Flut an Informationen den Überblick? Wir haben mit Olaf Arndt, Leitung des Bereichs „Trends & Analyse“ des KreativBund darüber gesprochen, wie man das Rauschen vom Signal trennt und warum Technologie allein nicht reicht: ein Werkstattbericht.
5 minFakten16. Dezember 2025
Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist so vielfältig, dass der Titel des Bereichs nach einer sehr großen Aufgabe klingt. Sie sollen für eine ganze Branche vorhersagen, wohin die Reise geht. Wie beginnt ein typischer Arbeitstag im „Maschinenraum“ der Trendforschung?
OLAF ARNDT: Der beginnt tatsächlich oft mit einem Blick auf Dashboards, die ständig gefüllt werden. Früher war Trendforschung viel Bauchgefühl und das händische Wälzen von Fachmagazinen. Das ist heute immer noch wichtig, reicht aber bei der Geschwindigkeit der digitalen Transformation nicht mehr aus. Wir haben unseren Prozess daher radikal modernisiert. Wir müssen wissen, was in den Teilmärkten gärt, bevor es im Alltag überrascht. Dafür setzen wir auf eine Kombination aus technologischer Breite und analytischer Tiefe.
Lassen Sie uns technisch werden. Sie nutzen spezielle Tools zur Identifikation. Wie funktioniert das genau?
ARNDT: Die Basis unseres Trendradars ist ein umfassendes Webcrawling: Millionen von Webbeiträgen, Blogs, wissenschaftlichen Publikationen und Konferenzbeiträgen werden automatisiert gescannt und auf ihre Qualität geprüft. Wir werfen das Netz also sehr weit aus. Daraus erkennt die KI dann erste Trend-Cluster – aber noch viel zu viele, um daraus schon echte Signale für die KKW erkennen zu können. Die Menge an Daten wäre für ein menschliches Team kaum zu bewältigen.
Die eigentliche Magie passiert dann im zweiten Schritt. Die KI hilft uns, die Trend-Cluster zu bewerten: Das Modell erkennt Muster, Häufigkeiten und semantische Zusammenhänge. Es flaggt Themen, die plötzlich an Traktion gewinnen, und filtert das irrelevante Rauschen heraus.
Die KI sagt Ihnen also, was der nächste große Trend ist?
ARNDT: Nein, das wäre zu einfach. Die KI liefert uns Indizien und Hypothesen. Die Einordnung – also die Frage „Ist das nur ein Hype oder ein struktureller Wandel?“ – das machen wir Menschen. Wir nutzen die Technologie als Seismografen, aber die Interpretation der Daten liegt bei unseren Expertinnen und Experten.
Wenn die Analyse abgeschlossen ist, was passiert dann mit den Ergebnissen? In welcher Form erreichen diese Erkenntnisse die Unternehmen?
ARNDT: Wir haben zwei Hauptformate entwickelt, um unterschiedliche Bedürfnisse zu bedienen. Zum einen gibt es den „Trend des Monats“. Das ist unser Schnellboot. Wenn wir sehen, dass ein Thema kurzfristig hochkocht oder ein spezifisches Phänomen viral geht, greifen wir das hier auf. Das ist kurz, prägnant und dient der schnellen Orientierung. Besonders spannend für langfristige Entwicklungen der Branche ist unser zweites Format: die Themendossiers.
Für die inhaltliche Ausgestaltung stimmen wir uns eng mit den anderen Arbeitsbereichen des KreativBunds ab: Welche Themen treibt das Unternehmens_forum um, wo liegen Herausforderungen im Bereich Cross Innovation aber auch die Inputs der regionalen Fördereinrichtungen geben uns wichtige Hinweise für die Themenauswahl.
Olaf Arndt bei unserer Veranstaltung "Future Thinking: Quantensprünge" im Juni 2025 (Copyright: Alena Schmick)
Können Sie den Unterschied erläutern? Was macht ein Themendossier aus?
ARNDT: Wenn der „Trend des Monats“ die Nachricht ist, dann ist das Themendossier das Lehrbuch dazu. Hier gehen wir in die Tiefe. Wir nehmen ein identifiziertes Cluster – sagen wir zum Beispiel „Künstliche Intelligenz und andere Technologien in der Kultur- und Kreativwirtschaft“, „Nachhaltigkeit in der Kultur- und Kreativwirtschaft“ oder „Mode Made in Germany“ – und arbeiten es systematisch auf.
Ein solches Dossier bleibt nicht bei der bloßen Beschreibung des Phänomens stehen. Wir fragen: Was bedeutet das konkret für ein kleines Designbüro oder einen großen Spieleentwickler? Wir arbeiten darin Best Practices heraus, interviewen Akteure, die diese Trends bereits leben, und sammeln deren Erfahrungen.
Es geht also weg von der Theorie hin zur Praxis?
ARNDT: Exakt. Der Mehrwert liegt in der Anwendbarkeit. Unsere Dossiers enthalten konkrete Empfehlungen, Handlungsanleitungen und Tipps. Kreativschaffende sollen nach der Lektüre nicht nur wissen, dass es einen Trend gibt, sondern sie sollen wissen, wie sie ihn für ihre Geschäftsmodelle nutzen können. Wir liefern Checklisten, Dos and Don’ts und strategische Einordnungen.
Warum legen Sie so viel Wert auf diese Dossiers? Reicht es in unserer schnelllebigen Zeit nicht, einfach nur zu wissen, was gerade „in“ ist?
ARNDT: Eben nicht. Und das ist mir ein wichtiges Anliegen. Ein kurzfristiger Hype kann für ein Unternehmen interessant sein, aber er trägt selten zur Resilienz bei. Die Themendossiers hingegen haben einen wichtigen und deutlich größeren Effekt für die Unternehmen der Branche.
Wir sehen oft, dass Unternehmen vor lauter „Buzzwords“ verunsichert sind. Unsere Dossiers geben Sicherheit und Orientierung. Sie ermöglichen es Akteuren, fundierte Investitionsentscheidungen zu treffen oder ihre Prozesse nachhaltig umzustellen. Wenn wir durch ein Dossier erreichen, dass Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern oder neue Märkte erschließen, dann leisten wir einen Beitrag zur Branchenentwicklung insgesamt. Das ist der eigentliche Hebel unserer Arbeit. Wir liefern nicht nur News, wir liefern Werkzeuge für die Zukunftssicherung.
Ein Blick in die Zukunft: Wohin entwickelt sich der Bereich „Trends & Analyse“?
ARNDT: Wir werden die Symbiose aus Mensch und Maschine weiter verfeinern. Die-Modelle werden trainiert, um noch spezifischer auf die Nischen der Kreativwirtschaft eingehen zu können. Aber am Ende bleibt unser Ziel konstant: Wir wollen den Unternehmen den Rücken freihalten, indem wir den Horizont scannen, damit sie sich auf das konzentrieren können, was sie am besten können – kreativ sein und wirtschaften.
Vielen Dank für das Gespräch.