Wo Zukunft entsteht: Kreative Lösungen für die Wirtschaft

Zwischen Achterbahn und Schiffspropeller treffen bei den Innovation Labs des KreativBund unterschiedliche Welten aufeinander: In „Karls Erlebnis-Dorf“ geht es um die Zukunft der regionalen Erdbeere, während die Mecklenburger Metallguss GmbH den Markteintritt eines Industrieroboters vorbereitet. Wenn Unternehmen und Kreativschaffende gemeinsam nach Lösungen suchen, schafft das Raum für frische Ideen und echte Innovation – und aus wirtschaftlichen Herausforderungen werden marktreife Prototypen.

Schon von Weitem sind Rufe und freudiges Jauchzen zu hören. Der grüne Arm des Flugkarussels „Majas wilde Schwestern“ dreht sich nach oben, die kleinen bienenförmigen Kabinen heben mit ihren Fahrgästen vom Boden ab. Ein paar Meter weiter werfen die Kinder in den Waggons der „Erdbeer-Raupenbahn“ die Hände in die Luft, als die kleine rote Achterbahn nach unten saust und weiter ins Innere der riesigen Erdbeere rattert.

Innovation Lab meets Erdbeere

In „Karls Erlebnis-Dorf“ in Rövershagen bei Rostock dreht sich alles rund um genau diese kleine Sommerfrucht: die Erdbeere. Auch das Team um Martin Horst, Leiter der Abteilung Cross Innovation beim KreativBund, ist heute hier, um sich in seinem Innovation Lab der Zukunft der deutschen Erdbeere zu widmen. Es ist der zweite Workshop bei Karls. Zwei Wochen zuvor hat bereits das Kick-Off stattgefunden, bei dem der Kern des Projektes herausgearbeitet wurde: Aufgrund steigender Betriebskosten und gesetzlicher Anpassungen wie der Mindestlohn sind bei Karls die Kosten für den Erdbeeranbau in den vergangenen Jahren stark gestiegen, sodass dieser zunehmend unrentabel wird. Karls verfolgt das Ziel, durch Produktinnovation und Markenerlebnis neue Erlösmodelle zu erschließen – und so die Grundlage für den regionalen Anbau langfristig zu sichern. Karls Erwartungen an die Innovationspartnerinnen und -partner vom KreativBund: neue Ideen und überraschende Lösungen, damit die Erdbeere rentabel bleibt.  

Kreative Ansätze für wirtschaftliche Lösungen

„In unserem Projekt-Kick-Off hören wir zunächst einmal zu und versuchen die konkrete Herausforderung zu verstehen, vor der das Unternehmen steht. Dann erarbeiten wir einen ersten Lösungsansatz“, erklärt Martin Horst. Anschließend werden gezielt Akteurinnen und Akteure aus der Kreativ- und Kulturwirtschaft identifiziert, die gemeinsam mit dem Unternehmen an einer marktreifen Lösung arbeiten. Das Potential, Wirtschaftsbetriebe mit Kreativschaffenden an einen Tisch zu bringen, liegt für Martin Horst vor allem im Perspektivwechsel: „Die Herangehensweisen an Lösungen sind immer vorgeprägt. Ein landwirtschaftliches Unternehmen schaut in aller Regel aus landwirtschaftlicher Perspektive auf eine Situation – mit all den Problemen und Hürden, die sich aus jahrelanger Praxis ergeben. Der Vorteil in der Zusammenarbeit mit Fachleuten aus der Kreativ- und Kulturwirtschaft besteht darin, dass all diese Hürden erst einmal nicht gesehen werden – fast wie bei einem Kind, das keine Grenzen kennt.“ Diese Grenzenlosigkeit, die es ermöglicht, frei zu denken und neue Ansätze zu finden, die anders und gleichzeitig wirtschaftlich sind – das ist laut Martin Horst das Potential der Innovation Labs.

Ein veredeltes Erdbeerprodukt

Während von draußen noch immer Achterbahngeräusche und Kinderlachen zu hören sind, wartet das Team um Martin Horst im Verkaufsraum auf den Termin mit der Unternehmensführung von Karls. Es duftet nach süßer Erdbeermarmelade und frisch gebackenem Brot, überall stehen Körbe voller Erdbeeren. Schon länger schwirrte bei Karls diese Idee durch den Raum: Es bräuchte ein Produkt, das durch die Veredelung der Erdbeere höhere Margen erzielt. An einem solchen Punkt setzt das Innovation Lab des KreativBunds an. In einem mehrmonatigen Prozess werden mithilfe interdisziplinärer Teams reale Unternehmensherausforderungen bearbeitet und Schritt für Schritt gemeinsam Lösungen entwickelt. Im Fall von Karls wurde beim Kick-Off bereits ein mögliches neues Produkt identifiziert: der Strawberry Shortcake. Ein fluffiger Biskuitboden ohne Rand, frische Schlagsahne und Erdbeeren – fertig. Die Herausforderung besteht darin, in der Weiterentwicklung dieser Idee die beiden Kernbereiche des Unternehmens – die Erdbeere als Produkt und das Erlebnis als Markenkern – miteinander zu verbinden. Das Kreativteam von Martin Horst, zusammengestellt aus den Bereichen Architektur, Design, Werbung und Kunst, wird Karls in den nächsten Monaten bei Inszenierung und Verkauf des Strawberry Shortcakes unterstützen.

Die Erdbeer-Raupenbahn / Copyright: Karls Erlebnisdorf

Copyright: Karls Erlebnisdorf

Kreativität trifft Industrie

Einige Wochen später, knapp 100 Kilometer südlich, in Waren an der Müritz. Das Innovation Lab bei der Mecklenburger Metallguss GmbH (MMG) spielt sich in imposanter Kulisse ab. In der Produktionshalle liegt ein silberglänzender Schiffspropeller von gigantischen Dimensionen, Anlagen dröhnen, die Luft ist schwer von Maschinenöl. Das Kreativteam von Martin Horst steht vor einem fünf Meter hohen knallroten Industrieroboter, der sich mit atemberaubender Präzision bewegt. Auf seiner Vorderseite prangt das MMG-Logo in goldenen Lettern. Der Roboter wurde von MMG auf Basis eines Fraunhofer Patents für den Eigenbedarf in der Propellerfertigung entwickelt, um schwere Bauteile zu heben und zu fräsen sowie bald auch zu schleifen. Die Herausforderung: Das Unternehmen möchte die Technologie auf weitere Branchen übertragen und eine geeignete Marktpositionierung für den Roboter finden. Noch ist allerdings unklar, wie potentielle Anwendungen und neue Kunden außerhalb der Schifffahrt identifiziert und erreicht werden können. Zudem markiert der Roboter einen Transformationsschritt von MMG – vom Metallguss-Spezialisten hin zu einem Technologieanbieter mit breitem Industriefokus – der kommunikativ begleitet werden soll.

Kreative Übersetzungsleistung

Ein paar Minuten später herrscht im Konferenzraum nebenan vorsichtige Neugier zwischen den Ingenieuren von MMG und dem Kreativteam aus den Bereichen Gamification, Software-Entwicklung und Designwirtschaft. Man spürt, wie unterschiedlich die Ausgangspunkte sind: hier die tief in Material, Präzision und physikalischen Gesetzen verankerte Ingenieurswelt, dort der ausgesprochen spielerische Zugang der Kreativen. „An genau einem solchen Punkt“, sagt Martin Horst, „passiert die Magie von Cross Innovation, so wie wir sie beim KreativBund verstehen. Ein Unternehmen wie MMG hat eine fantastische technische Lösung auf den Markt gebracht – und jetzt braucht es eine kreative Übersetzungsleistung mit wirtschaftlichem Ansatz.“ Denn, so der Marketingexperte: Der Markterfolg des Roboters hänge eben nicht allein von seiner technischen Leistungsfähigkeit ab, sondern genauso davon, wie die Technologie kommuniziert und in neue Nutzungskontexte übersetzt würde. Wie gelingt es also, die Funktionsweise und die Qualität des Roboters so anschaulich zu machen, dass man Neugier auch in ganz anderen Branchen weckt?

Copyright: MMG

Copyright: MMG

Vom Prototyp zur Umsetzung

Knapp drei Monate später steht Martin Horst gemeinsam mit Karls und MMG auf der Bühne, um beim Innovation Camp im November 2025 des KreativBund die Ergebnisse ihrer Innovationslabore zu präsentieren. Ebenso auf der Bühne: der Strawberry Shortcake inklusive Modell des Verkaufsstandes sowie eine handliche 3D-Version des knallroten Roboters. Martin Horst gibt einen Überblick über die beiden Innovationsprozesse: Bei Karls stand neben der Entwicklung des Strawberry Shortcake als Produkt vor allem die Gestaltung des gesamten Verkaufserlebnisses im Zentrum – einschließlich Markenauftritt, räumlicher Inszenierung und Gestaltung des Verkaufsstandes. Nun wird ein Pop-up-Stand am Berliner Hauptbahnhof umgesetzt, der als Pilotprojekt für die Markteinführung dient und perspektivisch auf weitere Standorte übertragbar ist.

Gemeinsam mit MMG wurde ein interaktives Exponat des Roboters entwickelt, das seine Anwendung und Funktionsweisen spielerisch für verschiedene Settings erlebbar macht und gleichzeitig als Instrument zur Marktforschung dient – indem es auf Industrieveranstaltungen und bei Kundenterminen eingesetzt wird, um Interesse zu wecken, Rückmeldungen zu sammeln und so gezielt neue Marktsegmente zu erschließen.

Nun steht für beide Innovationsprojekte der nächste Schritt an: der Protoyp geht in die konkrete Umsetzung.

Innovation braucht Mut

Für Martin Horst hat sich bei den beiden Innovation Labs gezeigt, wieviel sich durch die Zusammenarbeit eines interdisziplinären Teams erreichen lässt: „Es ist ein bisschen so, wie wenn ich mit Knieproblemen zum Arzt gehe. Die Sportmedizinerin würde mir vielleicht eine Spritze ins Knie geben. Der Ostheopath würde mich erst einmal von oben bis unten anschauen und fragen: Kommen deine Schmerzen vielleicht ganz woanders her? Oft stellt sich das vermeintliche Vertriebsproblem dann beispielsweise als Kommunikationsproblem heraus.“ Der Effekt ist laut Martin Horst nachhaltig und langfristig. „Meine Erfahrung ist, dass es sich am Ende immer lohnt, kreative Impulse schon in frühen Prozessstadien mitzudenken. Die Unternehmen bekommen in kürzerer Zeit ein besseres Ergebnis mit echtem wirtschaftlichen Impact.“ Allerdings braucht es dafür eben auch Mut vonseiten der Unternehmen – sich einzulassen auf einen Prozess, bei dem der Ausgang erst einmal offen ist.

Die kommenden zwei Jahre werden in puncto Cross Innovation wieder spannend für den KreativBund: Beim Innovation Camp stehen bereits die nächsten Unternehmen in den Startlöchern für weitere Innovationsprozesse. Darunter Liebherr, die BMW Group und Ottobock. Mal sehen, was als nächstes passiert.

 

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