Creative Impact – Buzzword oder Schlüssel für Wandel?
Wie stark kreative Arbeit unsere Gesellschaft prägt, zeigt Großbritannien. Während Deutschland nach einheitlichen Messrahmen und belastbaren Daten sucht, ist die Wirkung kreativer Arbeit im Vereinigten Königreich bereits systematisch verankert und auf langfristige Entwicklung und Wachstum ausgerichtet. Ein Blick dorthin zeigt, wohin sich auch Deutschland bewegen könnte – und wie der KreativBund den Bereich Creative Impact umsetzen möchte.
5 min. LesezeitFeature16. Dezember 2025
Wie groß ist die Wirkung kreativer Arbeit in unserer Gesellschaft? Wer nach Antworten sucht, muss nur über den Ärmelkanal blicken: Im Vereinten Königreich wird der Impact der Kultur- und Kreativwirtschaft (KKW) längst als Zukunftsthema verstanden. „Das, was in Deutschland als Creative Impact diskutiert wird – also ein gesellschaftlicher Mehrwert, der durch den Einsatz kreativer Methoden und Ansätze entsteht sowie dessen Bewertung –, hat in Großbritannien einen deutlich höheren Stellenwert und eine stärkere institutionelle Verankerung als in Deutschland“, erläutert Stanislav Matiychyn, verantwortlich für den Bereich Creative Impact beim KreativBund. Die Teamkollegin Caroline Rehner ergänzt: „Wir wissen aus Gesprächen mit unseren britischen Kolleginnen und Kollegen, dass dort umfangreiche methodische, wissenschaftliche und ökonomische Ressourcen eingesetzt werden, um die Wirkung der KKW abzubilden und dass Impact-Bewertung relevant für nationale Finanzentscheidungen, Forschungsprogramme und sektorübergreifende Budgets ist.“
Britische Vorreiterrolle in der Impact-Bewertung
In Großbritannien stützt sich die Kreativwirtschaft auf staatliche Bewertungskriterien, unter anderem mithilfe des „Green Books“, ein verbindliches Standardwerk, das festlegt, wie wirtschaftliche und gesellschaftliche Effekte zu messen sind – auch für die KKW. Große Forschungsprojekte werden regelmäßig mit Universitäten, Beratungsfirmen und Ministerien realisiert, um etwa kulturellen Wert, gesellschaftlichen Nutzen und ökonomische Wirkung zu erfassen und für nationale Budget- und Förderentscheidungen nutzbar zu machen. Die britische Regierung kündigte im Frühjahr 2025 ein Förderpaket von 380 Millionen Pfund zum Aufschwung der Kreativwirtschaft an – darunter auch Investitionen in Forschung, Innovation und Analyse für die Kreativwirtschaft. Der britische Wirtschafts- und Handelsminister Jonathan Reynolds hebt hervor, dass die Kreativindustrien des Landes einen großen kulturellen Einfluss haben und nennt sie einen „zentralen Wachstumssektor“ in der Modern Industrial Strategy, dem 10-Jahres-Wirtschaftsplan für Großbritannien.
Zwischen Chancen und Skepsis
In Deutschland hingegen wird das Thema Creative Impact noch immer kontrovers diskutiert. Während einige es als Innovationsmotor sehen, um Deutschland im internationalen Vergleich wieder nach vorne zu bringen, wird es von anderen als Modewort abgetan. Matiychyn sieht darin vor allem ein Symptom dafür, dass es bisher, anders als in Großbritannien, an einem einheitlichen Messrahmen für die Wirkung kreativer Praktiken fehlt. „Dass die Kultur- und Kreativwirtschaft klare wirtschaftliche und gesellschaftliche Wirkung erzielt, dass sie in der Lage ist, Wirtschaft voranzutreiben und gesellschaftliches Miteinander grundlegend zu verändern - das zeigen zahllose Beispiele von Unternehmerinnen und Unternehmern und Kreativschaffenden“, betont Matiychyn. Gleichzeitig gebe es massive Datenlücken. Während wirtschaftliche Daten durchaus verfügbar seien, würden Daten zu gesellschaftlichen Entwicklungen z.B. in Bezug auf strukturelle Veränderungen, Vertrauen, Engagement oder Verhaltensänderungen (zum Beispiel in Bezug auf Nachhaltigkeit) nicht ausreichend oder einheitlich erfasst. Zudem fehlten Daten mit bundesweitem Bezug. Dadurch bleibe das Thema Creative Impact abstrakt und politisch schwer greifbar. Das führe zu Verunsicherungen sowohl bei Unternehmen, die in Creative Impact investieren könnten, als auch in der Politik, Unternehmen aus diesem Feld sichtbarer zu machen und mit entsprechenden Maßnahmen zu unterstützen. Die stärksten Argumente für Creative Impact – etwa Innovationsimpulse, Bildungs- oder Gesundheitsbenefits und soziokulturelle Wirkungen – seien am schwersten zu quantifizieren.
Wirkung braucht Evidenz – und neue Methoden
An diesem Punkt setzt das Creative Impact-Team des KreativBundes um Matiychyn und Rehner an. Die Analysen, an denen sie mit internationalen Partnerinnen und Partnern aus Wissenschaft, Forschung und Praxis arbeiten, belegen deutlich, dass lineare betriebswirtschaftliche Wirkungslogiken beim Thema Creative Impact zu kurz greifen. Es braucht eine mehrdimensionale, kontextabhängige Sichtweise – und vor allem: neue Evidenzräume.
Zudem entsteht Creative Impact oft jenseits institutioneller Zuständigkeiten. Viele Unternehmen und Projekte bewegen sich an den Rändern klassischer Kategorien, experimentieren mit hybriden Geschäftsmodellen und suchen nach Finanzierung abseits eingetretener Pfade. Perspektivisch könnte es gewinnbringend sein, für diese Unternehmen eigene oder neue Finanzierungsarchitekturen zu entwickeln, die Unternehmerisches, Gemeinwohl und Forschung verbinden. Denn: Solche Strukturen machen die Wirkung von Kreativität überhaupt erst skalierbar.
Neue Maßstäbe für kreative Wirkung
Mit einer Neuausrichtung, die den Unternehmensfokus betont, werden beim KreativBund in einem bundesweiten praxisnahen Prozess erstmals Maßnahmen entwickelt, um Wirkung der Kultur- und Kreativwirtschaft sichtbar zu machen, darunter ein Tool, das die Wirkung der KKW bundesweit anschaulich machen soll. Gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Unternehmen und weiteren Stakeholdern entsteht so eine neue Ebene der Kooperation, die die systematische Erfassung, empirische Forschung und klare Standards von Creative Impact zum Ziel hat. „Dieser Prozess, unterstützt durch Erskine Analysis, einem international anerkannten Think Tank mit Fokus auf die KKW, wird auch im nächsten Jahr fortgesetzt und hilft uns, gemeinsam Maßnahmen zu identifizieren, die Wirkung des kreativen Unternehmertums zu veranschaulichen“, sagt Rehner. „Das nutzt den Unternehmen innerhalb und außerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft, die dadurch neue Chancen für Innovation und Wachstum erkennen können.“ Der KKW könnte dabei eine Schlüsselfunktion zukommen, denn sie wirkt sektorenübergreifend und trägt mit ihrem Potenzial maßgeblich dazu bei, soziale Beziehungen und Strukturen in Wirtschaft und Gesellschaft zu stärken.
Wirkung messen und systematisch verankern
Um die Wirkung von kreativem unternehmerischem Handeln sichtbar und nachvollziehbar zu machen, braucht es neue Indikatorenrahmen, die die vielschichtigen Effekte von Kreativität erfassen. „Die Sichtbarmachung und Messung der kultur- und kreativwirtschaftlichen Wirkung ist anspruchsvoll, aber für die Etablierung des Themas unerlässlich“, sagt Matiychyn. Deutschland kann von Großbritannien lernen, wie Impact-Bewertung durch datenbasierte Erhebungen besser integriert werden kann – institutionell verankert, strategisch relevant und professionell finanziert. Dadurch wirken Investitionen nicht ad-hoc, sondern strukturell und kontinuierlich. Matiychyn und Rehner sind überzeugt: Creative Impact kann zu einem wirksamen Instrument für wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt werden – und so Innovation, wirtschaftliche Resilienz und langfristige Wettbewerbsfähigkeit fördern.