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Digitale Netzwerkformate: Was gegen die unangenehme Stille im digitalen Raum hilft

Lange Zoom-Workshops vor dem Computer nach Tagen im Home-Office vor dem Bildschirm – so sieht die Realität vieler Menschen seit Ausbruch der Corona-Pandemie aus. Doch wie muss eine Netzwerkveranstaltung im Digitalen sein, um dennoch Begeisterung auszulösen und auch zukünftig eine attraktive Alternative zu sein, wenn physische Treffen nicht möglich sind? Hier kommt die Anleitung für das Überraschungsmoment im Netz.

Immer mehr Menschen betreten den virtuellen Raum. Einige haben die Kamera ausgeschaltet, um sich dahinter zu verstecken. Auch man selbst kommt lieber ein paar Minuten zu spät, um die unangenehme Anfangsstille zu umgehen, bis jemand mit einem freundlichen „Könnt ihr mich hören?“ die Veranstaltung eröffnet. Häufig folgen eher zähe Stunden im virtuellen Raum, von denen man sich erhofft hatte, sie würden dieses Mal anders werden. Doch Netzwerken via Laptop-Kamera ist eine Herausforderung und kann nicht einfach so aus dem Analogen ins Digitale übertragen werden. Wie funktionieren Netzwerkveranstaltungen im Netz, wenn sich Menschen nicht mehr physisch treffen? Wenn nicht zusammen angestoßen oder ein Häppchen gegessen werden kann? Eines steht fest: Nach acht Stunden Arbeit vor dem Computer, Home-Schooling und endlosen Zoom-Telefonaten müssen digitale Veranstaltungen aus der Reihe tanzen – und überraschen.

Wie müsste ein digitales Treffen aussehen, zu dem wir selbst gerne gehen würden?

Das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes agiert als zentrale Anlaufstelle für den Austausch zu kreativem Unternehmertum und bringt regelmäßig Akteur*innen aus verschiedensten Branchen zusammen, um gemeinsam die Herangehensweise der Kultur- und Kreativwirtschaft kennenzulernen, miteinander zu diskutieren und voneinander zu profitieren. In vergangenen Sommern lud es aus diesem Grund zur „Gin & Genius“-Veranstaltung auf die Dachterrasse ein – Netzwerken mit Blick über die Dächer Berlins und einem kalten Getränk in der Hand. Ab sofort soll es im heimischen Wohnzimmer ab genauso spannend werden. Wie viele Unternehmen stand es also vor der Frage: Wie kann eine Netzwerkveranstaltung im Digitalen aussehen? Wie muss ein Format gestaltet sein, das für möglichst viele zugänglich ist? In einem Workshop mit Netzwerk-Expert*innen wurden Prototypen mit Handlungsempfehlungen für ein digitales Netzwerkformat entwickelt. Die Anforderungen: Es soll ein bleibendes Ereignis sein, das Vernetzung und Austausch ermöglicht und gleichzeitig Wissen und Erfahrungen zu spannenden Themen liefert.

Wenn Sie vor ähnlichen Herausforderungen stehen, werfen Sie doch mal einen Blick auf die Erkenntnisse.

 

How to: Digitales Netzwerken

 

1. Leitplanken frühzeitig definieren

In der Vorbereitungsphase sollten Erwartungen für das anstehende Event genau formuliert werden. Menschen zusammen zu bringen, ist die eine Sache. Doch was soll darüber hinaus passieren? Im Digitalen ist noch essenzieller, ein klares Ziel zu haben, um das Netzwerken zu strukturieren.

Darüber hinaus sollte definiert werden, welche Software und Tools für die Veranstaltung eingesetzt werden sollen. Auch der Tag, Rhythmus (bspw. wöchentlich, monatlich), Dauer und Uhrzeit sollten frühzeitig festgelegt werden. Empfohlen wird eine Abendveranstaltung, damit auch Eltern teilnehmen können, wenn ihre Kinder im Bett sind – ab 19 Uhr, für zwei bis drei Stunden.

2. Anfang & Ende bewusst gestalten

Im Gegensatz zu einer analogen Veranstaltung, bei der Menschen nach und nach eintrudeln und sich schnell untereinander mischen, ist es digital wichtig, alle Anwesenden zu begrüßen. Neben ein paar herzlichen Willkommensworten und einer Kurzvorstellung der Gastgeber*innen sollte die Begrüßung auch Hinweise zum Programmablauf und zum technischen Support bei eventuell auftretenden Problemen beinhalten.

Ebenso sollte die Veranstaltung nicht plötzlich vorbei sein – stattdessen sollte angekündigt werden, ob bzw. dass der Abend offen ausklingt. Spätestens 30 Minuten vor dem offiziellen Ende sollte darauf hingewiesen werden, damit die Teilnehmenden ausreichend Zeit haben, sich von anderen zu verabschieden, Kontakte auszutauschen oder sich noch zu unterhalten. Dabei kann bereits das Datum für das nächste Event angekündigt werden.

3. Analoge Elemente einbauen

Im digitalen Raum gibt es keine Bar, die die Runde mit leckeren Getränkekreationen versorgt. Wie wäre es, stattdessen einige Tage vor dem Event ein Cocktailrezept an alle Teilnehmer*innen zu verschicken, das an diesem Abend (ggf. angeleitet von professionellen Barmixer*innen) von allen ausprobiert werden kann? Auch andere (haptische) Dinge, die vorab versendet werden und an diesem Abend zum Einsatz kommen, können spannende Elemente sein, die das Digitale analoger erscheinen lassen.

4. Zielgerichtete Impulse geben

Nach der Begrüßung werden die Teilnehmenden inhaltlich abgeholt. Dazu eignet sich eine Keynote, ein Lightning Talk, eine Performance oder auch fachliche Informationen. Dieser Teil sollte nicht länger als 45 Minuten dauern und impulsgebend sein. Ein solches „Thema des Abends“ sollte sich wie ein roter Faden durch alle Veranstaltungen ziehen.

5. Freiräume und Abwechslung bieten

Nach einem langen Tag im Home-Office möchte niemand am Abend noch mehr strikten Abläufen folgen. Deshalb ist es nach einem zielgerichteten Impuls wichtig, den Teilnehmenden freien Lauf zu lassen, um sich virtuell auszutoben. Dies können Aufgaben und Diskussionen zu verschiedenen Themen in Kleingruppen (Breakout-Sessions) sein oder auch spielerisch aufgebaute Elemente. So könnten manche Räume z.B. nur mit virtueller Perücke, buntem Hintergrund oder Face-Filter betreten werden. Eine Mischung aus fachlichen Sessions und „Spaß“-Räumen ist wichtig, um den Teilnehmenden selbst zu überlassen, worauf sie Lust haben. Softwares wie Gather, Wonder, Airmeet oder Hopin ermöglichen es, virtuelle Räume zu bauen, in denen sich Menschen als Avatare frei bewegen und auf Entdeckungstour gehen können. Damit wird eine flexible Struktur des Events ermöglicht. Auch anderer visueller Input oder eine audiovisuelle Reise sind denkbar – Hang-Out-Rooms, in denen man sich einfach von etwas berieseln lassen kann.

6. Überraschungsmomente planen

Wenn die Teilnehmenden denken, das wäre es schon gewesen, folgt das Überraschungsmoment – eine Aktion, mit der niemand gerechnet hat. Dies kann eine Live-Schalte zu einer Lama-Farm, ein Cocktail-Mix-Kurs oder ein Ausflug zu einem Event im Ausland sein: Alles, womit man nicht rechnet, ist willkommen und sorgt für bleibende Erinnerungen bei den Gästen. Auch ein gemeinsamer virtueller Club-Besuch oder eine digitale Vernissage sind denkbar.

7. Interaktion antizipieren

Netzwerken bezieht sich nicht auf ein einzelnes Event, sondern bedeutet, längerfristig in Kontakt zu bleiben. Deshalb ist es wichtig, den Austausch unter den Teilnehmenden auch über die Veranstaltung hinaus zu antizipieren, z.B. in einer moderierten LinkedIn-Gruppe, in der sich nicht nur Infos zu den nächsten Veranstaltungen finden, sondern auch Mitschnitte, Fotos und Kontaktlisten, falls dies gewünscht wird.

8. Flexibel bleiben

Bedürfnisse, Anforderungen und Erwartungen ändern sich. Der erste Prototyp muss nicht das finale Veranstaltungsformat sein. Es lohnt sich, es agil zu gestalten und Feedback der Teilnehmer*innen in zukünftige Ausgaben einzubeziehen, um ein Netzwerkerlebnis zu bieten, an das sich alle gerne noch lange erinnern.

 


 

Zu den Kernaufgaben des Kompetenzzentrums Kultur – und Kreativwirtschaft gehört es, Netzwerke auf- und auszubauen, zu pflegen und Menschen aus unterschiedlichen Branchen zusammenzubringen. Mit der neuen Reihe „Netzdialog“ werden die Erkenntnisse des durchgeführten Workshops ab Sommer 2021 umgesetzt und ausprobiert.  

Credits

Text: Deana Mrkaja

Fotos: Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Anstehende Veranstaltungen

Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.

Credits

Text: Deana Mrkaja

Fotos: Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Wie trägt Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr Kreislaufwirtschaft bei?

Prinzipien aus der Natur abzuschauen hat schon viele Erfindungen hervorgebracht. Insbesondere Kreislaufsysteme der Natur sind Vorbilder für ein nachhaltigeres Leben. Die Umgestaltung unserer Wirtschaft zu einem kreislaufwirtschaftlichen System stellt jedoch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, die nur branchenübergreifend und ganzheitlich gelöst werden kann. Im Unterschied zum deutschen Begriff „Kreislaufwirtschaft“, der sich auf den Umgang mit Abfall fokussiert, ist der englische Begriff „Circular Economy“ (also „zirkuläres Wirtschaften“) bereits viel weiter gefasst und betrachtet das gesamte Produktsystem. Hier geht es um durchdachte Kreisläufe von Anfang an, die bereits beim Design von Produkten beginnt.

Innovative Ideen und praktische Ansätze für zirkuläres Wirtschaften finden sich schon seit Jahren in der Kultur- und Kreativwirtschaft, zum Beispiel in der Architektur, im Produkt- und Materialdesign, der Film- und Veranstaltungsindustrie sowie dem Modemarkt. Viele Beispiele werden Sie in diesem Magazinschwerpunkt kennenlernen können

In unserer Kurzreportage zur Kreislaufwirtschaft haben wir diesmal mit Architekt*innen Sandra Düsterhus (Point.Architektur) und Martin Haas (haascookzemmrich) über die Ansätze bei ihren Projekten in der Außen- und Innenarchitektur gesprochen und was der Fokus auf Kreislaufwirtschaft auch für die Gestaltung bedeutet.