Mehr Wachstum in der Kultur- und Kreativwirtschaft
Startups der Kreativ- und Kulturbranche schaffen einzigartige Produkte und Dienstleistungen. Doch beim Thema Skalierung hakt es manchmal. Vier Dinge, die Gründerinnen und Gründer beachten sollten. Ein Gastbeitrag von Martin Kaelble, Journalist und Medienunternehmer informed.
5 minInsider16. Dezember 2025
Do things that don’t scale”: So lautet ein berühmter Satz in der Startup-Szene. Paul Graham, Vordenker und Mitgründer des legendären Startup-Accelerators Y Combinator im Silicon Valley, widmete sich einst den vielen Missverständnissen, die es rund um das Thema Skalierung gibt. “Eine gute Metapher sind die Kurbeln, die Automotoren hatten, bevor es elektrische Anlasser gab. Wenn der Motor einmal ansprang, lief er auch weiter, aber es gab einen separaten und mühsamen Prozess, um ihn in Gang zu bringen.”, so Graham.
Grahams Gedanke ist besonders spannend für Startups aus dem Kultur- und Kreativbereich. Hier sind Unternehmerinnen und Unternehmer oftmals besonders gut in dieser mühevollen, kleinteiligen Anfangsarbeit. Hier entstehen Produkte aus Leidenschaft und Überzeugung, mit viel Liebe und Hingabe. Doch manche dieser Leidenschafts-Unternehmer*innen tun sich dann etwas schwerer, rechtzeitig auf die Wachstumsbahn abzubiegen (ich komme später nochmal darauf zurück, was „rechtzeitig“ in diesem Kontext bedeutet). Auch bei manchen Investorinnen und Investoren herrscht der Glaube vor, dass solche Produkte schwerer skalierbar sind. Diese Produkte und Dienstleistungen können komplex sein, es geht nicht selten um Qualität, um Authentizität, um Kulturgüter.
Doch all das muss so nicht sein. Auch für Kreativ- und Kultur-Startups gibt es gerade heutzutage viele Wege, um auf den Wachstumspfad zu springen. Und folgt man Grahams Gedanken, so dürften diese Unternehmen sogar einen Startvorteil haben. Vielmehr lässt sich ein Rezept erkennen, das für viele Startups heutzutage gut funktioniert, ganz gleich aus welchem Bereich sie kommen.
Wenn wir uns umschauen, so sehen wir ein typisches Muster, das ganz den Gedanken von Paul Graham folgt. Zunächst startet man sehr manuell, mit viel Liebe und Präzision wird das Produkt gebaut. Oftmals in einer kleinen Nische, in der man seine Nutzerinnen und Nutzer und Kundinnen und Kunden sehr genau kennt. Dieses Muster ist gerade im Kultur- und Kreativbereich oft zu beobachten – ist aber mittlerweile auch ein verbreiteter Ansatz für Startups aus ganz anderen Bereichen.
Wir sollten uns bewusst machen: Es war noch nie so leicht, Produkte skalierbar zu machen. Denn wir leben in einer Zeit, in der so viele Tools standardisiert allen zur Verfügung stehen: von Payment-Lösungen, Shopify, Distributions-Plattformen bis hin zu Social Media. Es ist heutzutage eher die Frage des Mindsets der Gründerinnen und Gründer, ob all diese Hilfsmittel genutzt werden, um zu wachsen. Es war nie einfacher.
Martin Kaelble
Beispiele dafür sehen wir im Content-Bereich, im Kulturbereich oder in Gastro-Unternehmungen gleichermaßen – seien es neue Festivals, innovative Games, Kaffeebecher aus nachhaltigen Materialien oder vegane Donutläden, die irgendwann zur Marke werden und mit Investorengeld stark expandieren. Oder “Craft”-Produkte, die bei Online-Plattformen wie Etsy, auf dem Flohmarkt oder Instagram starteten und plötzlich groß werden. Sie alle starten am Anfang immer mit dieser besonderen Hingabe zum Produkt, oft mit einer Überzeugung in einer Nische. Diese generiert automatisch Fans. Und sobald diese eine kritische Masse erreicht hat, ist es dann möglich, das erfolgreiche Produkt zu replizieren und zum Wachsen zu bringen. Manchmal kommt das Wachstum auch überraschend oder gar ungewollt. Manch ein Leidenschafts-Tüftler ist quasi aus Versehen “Kapitalistin/Kapitalist” geworden.
Vier Dinge sollten gerade Kreativ- und Kulturunternehmerinnen und -unternehmer beim Thema Wachstum besonders beachten:
Erstens: Gründer sollten verstehen, dass es – ganz nach Paul Graham – vollkommen ok ist, sich erst einmal voll aufs Produkt zu konzentrieren und Dinge zu tun, die nicht skalieren.
Zweitens: …aber rechtzeitig darüber nachzudenken, wie die nächsten Schritte hin zu Wachstum irgendwann einmal aussehen. Hier kommen Dinge ins Spiel wie Outsourcing einzelner Arbeitsschritte, Automatisierung, Nutzung von Software-Lösungen, wo es Sinn macht. In Zukunft zunehmend sicher auch der Einbezug von AI und ChatGPT, die in rasantem Tempo für alle nutzbar werden – als standardisierte Lösungen ohne diese selber entwickeln zu müssen. Wir sollten uns bewusst machen: Es war noch nie so leicht, Produkte skalierbar zu machen. Denn wir leben in einer Zeit, in der so viele Tools standardisiert allen zur Verfügung stehen, von Payment-Lösungen, Shopify, Distributions-Plattformen bis hin zu Social Media. Es ist heutzutage eher die Frage des Mindsets der Gründer*innen, ob sie all diese Hilfsmittel nutzen wollen, um zu wachsen. Es war nie einfacher.
Drittens sollte man möglichst früh danach Ausschau halten, wo ganz organische, sogenannte “Growth Loops” im eigenen Produkt liegen. Also Dinge, die vielleicht für eine virale Eigendynamik sorgen, durch die sich das Produkt ganz von selbst verbreitet, ohne dass die Gründer oder das Team die ganze Zeit anschieben muss. Nicht jedes Produkt bietet das.
Viertens ist es schließlich sehr wichtig, den Schlüsselmoment für Skalierung zu erkennen und zu ergreifen. Den Moment, wo das Abbiegen auf den Wachstumspfad möglich ist. Oft gepaart mit der Entscheidung, ob man Investorinnen und Investoren reinholen will oder nicht. Vorausgesetzt natürlich, man will überhaupt den Weg des schnellen Wachstums einschlagen. Im Kultur- und Kreativbereich gibt es schließlich genug Unternehmungen, die glücklich sind ohne Investorinnen und Investoren, ohne absolute Wachstumsmaxime. Wenn man es aber will, sollte man diesen wichtigen Moment nicht verschlafen.
Dahinter steckt die Frage, wann und wie lange es die Zeit ist, Dinge zu tun, die nicht skalierbar sind. Und wann eben die Phase beginnt, aus dieser manuellen Anfangszeit hinauszuwachsen. Das ist bei jedem Startup anders. Ganz frei nach Paul Graham: “Es mag einige wenige geben, die von selbst wachsen, aber in der Regel braucht es einen Anstoß, um sie in Gang zu bringen.” Und dieser Anstoß kann nur von den Gründern selbst kommen.