
Die Evangelische Akademie Tutzing.
Auch das Kompetenzzentrum nahm als Kooperationspartner mit vier Vertreterinnern an der Tagung teil, die von der Evangelischen Akademie Tutzing, STADTKULTUR Netzwerk Bayerischer Städte e.V., der bayern design GmbH und der Kulturpolitischen Gesellschaft gemeinsam veranstaltet wurde. Weitere Partner waren der Bayerische und der Deutsche Städtetag.
Was kann die Kultur- und Kreativwirtschaft dazu beitragen, die demokratische Gesellschaft mitzugestalten? Und: Ist das überhaupt die Aufgabe dieser Branche? Mit diesen Fragen wurden wir konfrontiert: Die selbständige Psychologin und Aktivistin Susan Barth, die für ihr Projekt “Erinnerungsguerilla” als Kreativpilotin ausgezeichnet worden ist. Die beiden Fellows, die Journalistin und Formatentwicklerin Carolyn Braun von Chapter One, und Leonie Pichler, Gründerin des interdisziplinären Theaterensembles Bluespots Productions sowie Eva Kiltz, Transfermanagerin Kultur, Arbeit und Gesellschaft am Kompetenzzentrum. Die Veranstaltung, die Vorträge, aber vor allem der Austausch mit den anderen Tagungsteilnehmern trugen dazu bei, die Antworten auf diese Fragen zu schärfen.
In den drei Tagen wurde von vielen erfolgreichen Projekten und Situationen berichtet, in denen Design und Architektur, Theater, Film, Spiele und Erzähler Gesellschaft mitgestalten, auch wenn das für viele Teilnehmer nicht auf den ersten Blick ersichtlich war. Trotzdem wurde ein wichtiger Punkt klar, der auch im Zentrum der Arbeit des Kompetenzzentrums steht: Von der Kultur- und Kreativwirtschaft können entscheidende Innovationsimpulse ausgehen, die den Weg in die Wissensgesellschaft mitgestalten.
Kreativität so und so
Besonders inspirierend war vor diesem Hintergrund der Einblick in das Designverständnis des dänischen Staates der Architektin Mikala Holme Samsoe, die für die öffentliche Hand in Dänemark und Deutschland Projekte plant und durchführt: „In Dänemark geht es nicht darum, wie Architektur aussieht, sondern was sie bewirkt”, sagte sie. “Und das überlegen wir uns vorher.“ Außerdem der Vortrag des ‚Außenministers‘ des Zentrums für Politische Schönheit, Yasser Almaamoun, der bei den Teilnehmern eine rege Werte-Debatte auslöste, und last but not least der pointierte Vortrag des Designtheoretikers Friedrich von Borries, Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg, der mit Hilfe einfacher Beispiele verdeutlichte: „Design ist politisch, weil es ökonomische und gesellschaftliche Bedingungen verändern kann.“
“Ich war von den Berichten der Teilnehmer aus der Praxis fasziniert, die die Probleme geschildert haben, mit denen sich Politik und Verwaltung konfrontiert sehen, und von den Anforderungen, die Bürger heute an Verwaltung stellen”, sagt Carolyn Braun. Ein Fokus der Debatte kreiste um die vielen möglichen Missverständnisse zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern und um deren potenziell gefährliche Folgen – und gleichzeitig um authentische Narrative, die einen besseren Verständigungsprozess ermöglichen können.
Allerdings: Weil die Tagungsteilnehmer aus so unterschiedlichen Kontexten kamen, fühlte es sich manchmal an, “als wenn Hard- und Software-Entwickler darüber streiten, wer die größere Bedeutung hat“, sagt Susan Barth: “Dabei hat genau diese Frage aus meiner Sicht die geringste Bedeutung, denn keiner kann ohne den anderen. Am Ende des Tages ist die Frage relevant, ob die Bürger mit geringem Aufwand verstehen und anwenden können, was Verwaltung und Designer entwickelt haben, und dass sie das Gefühl haben, dass es tatsächlich um sie geht.”
Was wir mitnehmen
Wir konnten uns auf folgende Erkenntnisse einigen:
Auch wenn fast jeder Teilnehmer seinen eigenen Begriff von Design, Architektur oder Storytelling mitbrachte: Das Interesse an dem, was die verschiedenen Disziplinen der Kultur- und Kreativwirtschaft an Herangehensweisen und Fertigkeiten anzubieten haben, ist noch lange nicht befriedigt, und auch die Offenheit für niedrigschwellige Kooperationen ist groß.
Als zentrale Erkenntnisse der Tutzinger Tagung haben wir mitgenommen: Die Definition von „gutem Design“ ist ebenso wenig universell wie die Vorstellung davon, ob und wie Design und Demokratie zueinander in Beziehung stehen. Die Teilnehmer der Tagung jedenfalls stimmten in ihren Begrifflichkeiten und Vorstellungen keineswegs überein, sondern diskutierten ihre unterschiedlichen Auffassungen bis zur Abreise intensiv.
„In Gesprächen untereinander und mit vielen anderen Teilnehmern wurde mir immer mehr klar, dass Design auch Macht ist. Während die Politik die Inhalte definiert, etwa bei der Energiewende, definieren Designer und Architekten, wie Inhalte in der sichtbaren Welt umgesetzt werden. So bedingt sich beides”, sagt Leonie Pichler.
Das Ergebnis ist für mich klar: Es geht um Selbstermächtigung. Und so teilte ich es auch beim abschließenden Podium mit: “In Zeiten tiefgreifenden Wandels finden wir in der Kultur- und Kreativwirtschaft Protagonisten, die mit Ideen, Visionen und Utopien experimentieren und Lösungen anbieten. Eben diese Experimentierräume bieten die Möglichkeit, abstrakte Begriffe wie Freiheit, Kapitalismus oder Demokratie anfassbar und damit wieder zum Gegenstand von Gestaltung zu machen.
Sie bieten die Freiheit, Handlungsalternativen zu erproben – und zwar in den allermeisten Fällen durch Interaktion, durch gemeinsames Machen. So brechen sie die Trennung in Publikum und Produzent, Konsument und Kreativen, Anbieter und Nutzer, Unternehmen und Kunde, Sender und Empfänger, Politik und Gesellschaft auf. Es geht um eine neue Haltung: Gemeinsam gestalten statt nur beteiligen. Hier stellt sich die Frage, inwiefern die Akteure bestehender Strukturen bereit sind, ihre Institutionen zu öffnen und Gestaltungsmacht zu teilen.“
Wir probieren das aus: am 11. Mai in Berlin. Wir bringen zehn Kreative und zehn Vertreter aus Stiftungen, NGOs und Institutionen zusammen zum Thema „Zukunft der Gesellschaft. Auf die Plätze fertig los“.
Ziel der Veranstaltung ist, über Ideen und Modelle nachzudenken, die eine neue Form von Engagement und Miteinander über die eigenen sozialen Erfahrungsräume hinweg ermöglichen. Im Idealfall entstehen daraus reale Projekte.
Text: Eva Kiltz, Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes
Fotos: Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes