Klimakommunikation mit der Kultur- und Kreativwirtschaft neu denken April – Oktober 2022
Die Klimakrise ist wissenschaftlich erforscht, medial besprochen und ihr Platz auf der politischen Agenda wird zunehmend bedeutender. Doch die Transformation hin zur klimaneutralen Gesellschaft und Wirtschaft verläuft nur langsam. Ein Grund dafür: Die Klimakrise hat ein Vermittlungs- und Kommunikationsproblem. Doch wie können Menschen zum Handeln bewegt werden? Wie gelingt ein Mindset-Wandel vor allem auf der systemischen Ebene? Und welche Sprache braucht es, um mehr Menschen mitzunehmen? Genau an dieser Stelle setzte das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes mit dem Projekt Creative Lab #4 Zukunft Klima an. Von Juli – Oktober 2022 wurden innerhalb des Creative Labs in vier Innovationsprojekten (Risky Projects) neue Ansätze, Prototypen und Handlungsempfehlungen für die Klimakommunikation entwickelt.
Zur Dokumentation: Alles über den Projektablauf, die Ergebnisse und wie Impact mit der Kultur- und Kreativwirtschaft entsteht, können Sie HIER nachlesen.
Mission: Innovation
Die Mission ist das Ziel
Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden. Diese Mission hat sich die Bundesregierung gesetzt. Sie übersetzt so das staatenübergreifende Pariser Klimaabkommen und den europäischen Green Deal in einen lokalen Handlungsplan. „Der Aufbruch in eine klimaneutrale und digitalisierte Gesellschaft bedeutet die größte Transformation seit mindestens 100 Jahren“, schreibt die Bundesregierung über den Umbau zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft. Eine Jahrhundertaufgabe, die Durchhaltevermögen, Mut und progressive Ansätze in der Innovationspolitik erfordert. Das Creative Lab #4 Zukunft Klima schloss sich der Mission der Klimaneutralität bis 2045 an. Das Projekt wollte zum Handeln bewegen und gemeinsam mit der Kultur- und Kreativwirtschaft Prototypen entwickeln, die die Art und Weise, wie über die Klimakrise kommuniziert wird, verändern. Gleichzeitig wurden innerhalb des Creative Labs #4 neue Wege zur Innovationsentwicklung erprobt – Co-Creation, branchen- und bereichsübergreifende Zusammenarbeit, Ergebnisoffenheit, regelmäßige Feedbackschleifen und der direkte Austausch mit staatlichen Strukturen waren Eckpfeiler des Projektaufbaus.
Risky Projects
Von der Idee in die Praxis
Herzstück des Creative Labs #4 sind die Risky Projects. Der Begriff Risky Project steht wörtlich für riskantes Projekt und beschreibt die Innovationsprojekte innerhalb des Creative Labs. Riskant deshalb, weil der Innovationsprozess ergebnisoffen gestaltet ist. Das Creative Lab bietet den Rahmen und die Struktur, Ideen voranzutreiben, zu experimentieren und über Branchengrenzen hinaus über das Thema Klimakrise in den Austausch zu kommen. Methoden und Mentor*innen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft begleiten während des Prozesses beim Navigieren.
Im Creative Lab #4 konzentrierten sich die Risky Projects auf vier Bereiche (Medien, Wissenschaft, Zivilgesellschaft & Governance). Die Bereiche und deren Fragestellungen sind in Zusammenarbeit mit dem Creative Lab Gremiumund renommierten Expert*innen der Klimaforschung, des Klimajournalismus und Vertreter*innen von zivilgesellschaftlichen Bewegungen im Kontext der Klimakrise entstanden.
Wer sind die Risky Projects und woran arbeiten sie?
Sprich mit Mutter Erde
Eine KI, die Naturentfremdung entgegenwirkt
Viele Menschen haben sich in ihrem Denken und Handeln von der Natur entfremdet. Die Klimakrise ist eine Folge dieser Entfremdung. Mit einem unkonventionellen Ansatz möchte die Installation Sprich mit Mutter Erde dazu beitragen, die Beziehung zwischen Mensch und Natur wieder herzustellen: Innerhalb eines dunklen hölzernen Kastens, ähnlich einer Telefonzelle, soll es Passant*innen und Besucher*innen möglich sein, ins direkte Gespräch mit unserem Planeten zu gehen, um so Natur als etwas Persönliches und Interaktives wahrzunehmen. Hinter der Stimme aus der Dunkelheit steckt die hochleistungsfähige KI „GPT-3“. Trainiert über Deep Learning und ausgestattet mit freizugänglichem Wissen zum Thema Klimakrise, geht die KI mittels Sprachsynthese auf die Fragen ihrer Gesprächspartner*innen ein. Das Projekt soll eindrücklich zeigen, wie modernste Techniken großer Digitalanbieter*innen im Kontext der Klimakrise eingesetzt werden können.
Perspektiven aus dem globalen Süden eine Plattform bieten
Wie lässt sich Klimagerechtigkeit kommunikativ umsetzen? Das Risky Projekt Changing the Narrative sieht einen Teil der Lösung darin, das Bewusstsein für Krisen zu erhöhen, die außerhalb Europas längst Realität sind oder in der Vergangenheit gewütet haben. In der Vergangenheit gab es zahlreiche Personen, die sich lange vor der Fridays for Future Bewegungen für Klimaschutz eingesetzt haben. Doch die koloniale Vergangenheit trägt weiter dazu bei, dass diese Geschichten ungehört bleiben. Durch eine öffentliche Pop-up-Ausstellung möchte das sechsköpfige Projektteam internationalen Stimmen im Kampf gegen die Klimakrise eine Plattform bieten. So soll deutlich gemacht werden, dass Klimakrisen immer intersektional und global betrachtet werden müssen. Um zu einen breiten gesellschaftlichen Diskurs beizutragen, wird die Ausstellung möglichst barrierearm und mehrsprachig umgesetzt. Eine multimediale Dokumentation zielt darauf ab, Impulse zu klimagerechter Sprache weiterzugeben.
Wie können Informationen Menschen zum Handeln bewegen?
Was hat die Klimakrise mit dem eigenen Alltag zu tun? Wo liegen konkrete strukturelle Hebel in Interessens- und Tätigkeitsfeldern, die dabei helfen können, eine weitreichendere Notlage abzuwenden? Und wer hilft interessierten Individuen dabei, diese in Bewegung zu setzen? All diese Fragen soll zukünftig ClimateConnections beantworten. Ein Online-Tool, das das bestehende Online-Klimainformationsangebote erweitert. Durch individualisierten Content möchte die Anwendung die Informationsflut zur Klimakrise reduzieren, von der sich handlungswillige Menschen oft erschlagen fühlen. Gut recherchierte, verständliche Klimainformationen und UX-Design leiten die Nutzer*innen zu Handlungstipps. Die Zielgruppe reicht von interessierten Privatpersonen bis hin zu Multiplikator*innen wie Journalist*innen, Influencer*innen, Medienmacher*innen und Entscheidungsträger*innen.
Team: Alessa Fetzer, Julia Diehl, Sara Schurmann Foto Credits: Rebecca Rütten
Heat Resilient Cities Conference
Mit immersiven Zukunftsreisen die Überhitzung unserer Städte abwenden
Zunehmende Hitzewellen lassen unsere Städte schwitzen. Um insbesondere Entscheidungsträger*innen für das Thema zu sensibilisieren, findet voraussichtlich im Oktober die Heat Resilient Cities Conference statt – ein Workshopformat, das den Umgang mit Krisen und Extremwetterereignissen trainiert. Dort werden sich die Teilnehmer*innen in interaktiven Zukunftsszenarien wiederfinden, die ihnen aufzeigen, welche Auswirkungen ihr (Nicht-)Handeln auf unser urbanes Zusammenleben haben kann. Unter Einsatz von Experience Design sollen durch das bereits erfolgreich erprobte Format konkrete Gegenmaßnahmen angestoßen und die Fehlerquote bei zukünftigen Entscheidungen zur Abkühlung städtischer Räume minimiert werden.
Team: Francesca Desmarais, Julius Falk, Janna Jung-Irrgang, Juli Sikorska Foto Credits: Rebecca Rütten
Welche Ergebnisse sind entstanden?
Am Abend des 27.10.2022 fand das Finale des Creative Labs Zukunft Klima in einer außergewöhnlichen Location statt. Als Ort für die Vorstellung der Ergebnisse wurde die STARTBAHN Genezarethkirche am Herrfurthplatz in Berlin-Neukölln gewählt. Was bisher hinter den Kulissen des Creative Labs passiert ist, wurde der Öffentlichkeit erstmalig beim Finale präsentiert.
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#Nische vs. #Mainstream: Klimanarrative rekonstruieren
Wie kann Medienrezeption neu gelernt werden?
Wo und von wem werden Informationen über die Klimakrise bereitgestellt?
Wissenschaft
#DataTelling: Wie wird über Daten gesprochen?
#KnowledgeToActionGap: Wie können neue Verhaltensweisen erlernt und ein ritueller sowie kultureller Wandel in der Gesellschaft angestoßen werden?
Welche psychologischen und emotionalen Prozesse löst die Klimakrise aus?
Zivilgesellschaft
#Generationenvertrag: Wie können wir in Zukunft leben?
Wie kann Klimakommunikation so gestaltet werden, dass sie Intersektionalität1 und strukturelle Unterschiede mitdenkt?
Wie können Perspektiven aus dem globalen Süden besser einfließen?
Governance
Wie kommuniziert der Staat der Zukunft?
#Dialog: Wie können Governance-Strukturen fürsorgliche Handlungsangebote schaffen?
Wie können kommunikative Brücken zwischen Governance und der Zivilgesellschaft in Zeiten der Krise gebaut werden?
Projektplan
Das Creative Lab #4 im zeitlichen Verlauf (alle Angaben vorbehaltlich pandemiebedingter Anpassungen)
Creative Lab Gremium und Mitwirkende
Ein Netzwerk für missionsorientierte Innovation
Das Creative Lab Gremium setzte sich aus Vertreter*innen von verschiedenen Institutionen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Governance zusammen. Außerdem umfasste es Branchenvertreter*innen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, die das Thema der Klimakommunikation in ihren Feldern neu denken und vorantreiben. Als beobachtende Instanz begleitete das Creative Lab Gremium den Projektverlauf. Die Personen dahinter konnten ihre Expertise im Netzwerk teilen und inhaltliche Impulse an die Risky Projects weitergeben.
Klimakommunikation muss alle Menschen barrierefrei erreichen und Handlungsmöglichkeiten gegen die Klimakrise aufzeigen. Die Klimakrise ist bereits heute Realität und wir können und müssen alle etwas dagegen unternehmen.
Gute Klimakommunikation muss es in Zukunft allen Menschen ermöglichen, am sozial-ökologischen Wandel teilzuhaben. Dafür müssen Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit konsequent zusammen gedacht und vermittelt werden.
Gute Kommunikation muss in Zukunft elementarer Bestandteil jeglicher Konzeption, Organisation und Durchführung aller Projekte, Formate, Events jeglicher Genres sein.
Gute Klimakommunikation muss die zukünftigen Konsequenzen unseres derzeitigen Handelns in den Mittelpunkt aller Entscheidungen rücken.
Wenzel Mehnert Zukunftsforscher beim Austrian Institute of Technology & TU Berlin Mentoring Risky Projects
Gute Klimakommunikation muss in Zukunft die Klimakatastrophe nicht als moralisches sondern als politisches Dilemma begreifen. Seit den ersten Klimaschutzkonferenzen in den 90ern haben wir beständig mehr CO2 emittiert. Das liegt also nicht an Unwissenheit, sondern am politischen Unwillen der Entscheidungsträger*innen. Hierfür braucht es ein Umdenken und einen offenen Raum, um die Folgen der Klimakatastrophe durchzuspielen, sowie Möglichkeiten und Chancen zu begreifen und auszuprobieren. Kreative Kommunikation kann dabei unterstützen und Visionen sichtbar machen.
Gute Klimakommunikation muss in Zukunft nicht nur linear informieren, sondern durch interaktive Formate sowohl Herz als auch Verstand zum Handeln anregen und dessen Folgen emotional spürbar machen.
Rashid Owoyele Transdisziplinäres Design und gesellschaftliche Innovation Mentoring Risky Projects
Gute Klimakommunikation muss in Zukunft pluralistisch sein.
That means that one must not assert their worldview, yet invite concurrence of multiple worldviews and grow beyond universalist solution-setting. No one solution, nor one world-system, will resolve our wicked problems.
Gute Klimakommunikation sollte “blasenspezifisch”, auf unterschiedliche Gruppen zugeschnitten sein, um auf individuelle Bedürfnisse, Ängste und Missverständnisse reagieren zu können.
Gute Klimakommunikation muss in Zukunft verständlich und lösungsorientiert Globales wie Regionales verbinden und erklären – und zeigen, dass wir immer noch ziemlich viel richtig machen können.
Gute Klimakommunikation muss in Zukunft darauf ausgerichtet sein, dass in ihrer Mitte das klimatische Subjekt steht – souverän sprechend zur Lage, informiert denkend über globale und lokale Lösungen, selbstbewusst handelnd im Sinne einer klimagerechten Zukunft.
1Intersektionalität ist ein Begriff, der das Zusammenwirken mehrerer Diskriminierungsformen (Rassismus, Klassismus, Sexsimus…) beschreibt, wie diese zusammenspielen, wie schwer eine Person von dieser/diesen betroffen ist/sind und um welche es sich handelt. Der Begriff wird sowohl in der wissenschaftlichen Forschung als auch in pädagogischen, bildungspolitischen und aktivistischen Zusammenhängen benutzt
Über das Creative Lab
Das Creative Lab Zukunft Klima ist eines von vier Creative Labs, mit denen das Kompetenzzentrum seit 2020 Impulse für ergebnisoffene Innovationen setzt. Die Creative Labs werden temporär für einen Zeitraum als (digitaler) Innovationsort von ca. sechs Monaten eingerichtet und widmen sich aktuellen wirtschaftspolitischen Themen wie der Corona-Pandemie (2020: Creative Lab #1), dem Strukturwandel (2021: Creative Lab #2), Teilhabe und Rassismus (2022: Creative Lab #3) oder dem digitalen Wandel (2022: Creative Lab #5). Innerhalb der Creative Labs werden mit Methoden der Kultur- und Kreativwirtschaft und unter Beteiligung der Branche in kurzen Innovationsprojekten neue Ansätze, Services und Prototypen entwickelt. Das Creative Lab Zukunft Klima integriert missionsorientiertes Innovieren in sein Projektdesign und hat eine Laufzeit von April bis November 2022.
Das Creative Lab ist Teil unseres Angebots Entwicklung & Innovation. Wir arbeiten selbst mit Methoden aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, um Neues voranzutreiben. Regelmäßig bringen wir Akteur*innen aus verschiedenen Branchen zusammen, um diese Ansätze zu nutzen und innerhalb kurzer Zeit innovative Lösungen zu konkreten Herausforderungen zu generieren.