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Neue Wege in der Bildung

Kollaboration, agile Prozesse und innovative Technik bestimmen die Zukunft der Arbeitswelt. Was heißt das für Arbeitsmodelle und das Bildungssystem? Beim Innovationcamp: ARBEITSSPEICHER diskutierten Menschen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, Bildung und Wissenschaft mit Unternehmern und jungen Leuten in Ausbildungsphasen darüber, wie das Lernen der Zukunft gestaltet werden kann.

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111 Schüler, Auszubildende, Kreativschaffende, Unternehmer, Lehrer, Studenten, Berufstätige und Professoren haben sich in den Räumen der alten Silberbesteckmanufaktur in Bremen zusammengefunden, um sich zwei Tage lang mit dem Thema Arbeit und Bildung der Zukunft zu beschäftigen. Darüber hinaus wissen sie wenig darüber, wer oder was sie erwartet. Diese Unsicherheit ist in den ersten Stunden spürbar und elementarer Teil des Konzepts. Denn nur wer Raum für Fragen lässt, kann neue Antworten finden.

In jeder Ecke der liebevoll hergerichteten Räumlichkeiten finden sich Ausstellungsstücke von Unternehmen, die sich aus der Kreativwirtschaft heraus mit neuen Formen von Arbeit, Qualifizierung und Bildung beschäftigen. Selbst Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries kommt noch ins Staunen, als ihr die Möglichkeiten des virtuellen Schweißens bewusst werden. Denn hier verbinden sich Ingenieurswissen und handwerkliche Fähigkeiten mit Digitalisierung und Augmented Reality zu einer einzigartigen Lernumgebung. Ebenfalls beeindruckt zeigen sich die Teilnehmer von der interaktiven Installation Sisyfox, die Technologie und einen Spielmechanismus zu einem Trainingsgerät für die Physiotherapie vereint, das Spaß macht – was wiederum die Genesung der Patienten beschleunigt.

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Nach einem Impuls zur Begrifflichkeit und Besonderheit Neuer Arbeit von Marion King, Gründerin von Les enfants terribles, und sechs Blitzinputs von Kultur- und Kreativschaffenden zu ihrem Unternehmen und ihrer Arbeitsweise, verteilen sich die Teilnehmer auf drei Input-Workshops. In ihnen werden Techniken und konkrete Fragestellungen zum Thema Neue Arbeit vorgestellt und bearbeitet. Da ist einmal Julius Plüschke vom Kollektiv The Constitute, in dessen brandneuen mobilen Fablab – einem umgebauten, ehemaligen Nightliner – entworfen, gefräst und 3Dgedruckt werden kann. Da ist Christian Schoon, der Techniken zur Strategieentwicklung für die Arbeitsorganisation vorstellt und da ist Dr. Fabiola Gerpott, die gemeinsam mit den Teilnehmern nach Möglichkeiten sucht, das Betriebsklima in Industrieunternehmen zu verbessern.

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Am späteren Nachmittag stecken dann alle so weit im Thema, dass es keinem mehr schwerfällt, eigene Themen für den folgenden gemeinsamen Arbeitstag zu formulieren. Als sehr intuitives digitales Hilfsmittel bei der Themenfindung und Priorisierung erweist sich dabei das Tool next-moderator von nextpractice. In zufällig zusammengestellten Dreierteams finden sich Schüler und Firmenchef, Kreativunternehmerin und Hochschulprofessor, Journalist und Student zusammen und geben die Themen, die sie interessieren, in eine Maske ein. Gleichzeitig haben sie Gelegenheit, in Echtzeit zu verfolgen, was die anderen Gruppen vorschlagen. Über das Verteilen von Minus- oder Pluspunkten für die vorgeschlagenen Themen entsteht quasi beiläufig ein Ranking der Themen.

Im Raum herrscht konzentrierte Aufmerksamkeit, jeder möchte sein Thema repräsentiert und besprochen wissen. Mit Spannung verfolgen die Teilnehmer, wie die anderen Teams im Raum auf ihre Themen reagieren, wo und mit welchen Argumenten nach oben oder unten gevotet wird. Die Ergebnisse werden erst am kommenden Tag vorgestellt, denn nun verwandelt sich die Silbermanufaktur in ein Kino, eine Bar, eine Galerie, für jeden ist etwas Passendes dabei, immer sind die zentralen Themen Bildung, Lernen, Arbeit, Qualifizierung. Und das Konzept geht voll auf. Die letzten Gäste verlassen das Gelände erst, als der nächste Tag schon angebrochen ist. Obwohl zeitgleich in Bremen die Clubnacht läuft, bleiben auch viele der jüngeren Teilnehmer noch lang in der Manufaktur.

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Am zweiten Tag startet das Programm dennoch pünktlich. In kleinen Interessenteams von ein bis sechs Personen arbeiten die Teilnehmer bis in den Nachmittag hinein zu Unterthemen der drei gewählten Hauptthemen „Zukunft der Schule“, „Zukunft des Unternehmens“ und „Zukunft der Gesellschaft“ zusammen. Das Ziel ist, konkrete Prototypen zu entwickeln, die neue Ideen für den benannten Themenbereich liefern oder im Themenbereich skizzierte Herausforderungen lösen.

Das klappt in den meisten Fällen hervorragend. Workshopleiterin Saskia Behrens des Bremer Coworking und Maker Spaces Kalle Co-Werkstatt, Matthias Leitner vom Journalistenkollektiv Affe im Kopf und Raoul Pilcicki statten die Teams mit Materialien, Impulsen und Techniken zur Ideenfindung und Entwicklung aus der Kultur- und Kreativwirtschaft aus und geben den Teams damit Orientierung für die Zusammenarbeit.

„Gestern dachte ich noch, dass meine Zukunft etwas Festes, Vorgefertigtes ist. Jetzt habe ich das Gefühl, selber gestalten zu können.“

- Schülerin, die ihre ersten Eindrücke nach dem Camp zusammenfasst

Für viele Teilnehmer ist es das erste Mal, dass sie in einer offenen Arbeitsatmosphäre ihre Annahmen, Ideen und Erfahrungen mit Menschen austauschen, die genau wie sie Experten im Thema sind, aber eine völlig andere Perspektive darauf haben. Da erfindet der Lehrling gemeinsam mit der Schülerin einen sinnvollen Einsatz des SmartBoards. Da werden Klassenverbände aufgelöst und Studiengänge neu erfunden. Da wird das Praktikum völlig neu gedacht und nebenher die Herausforderung des lebenslangen Lernens bei Vollzeitbeschäftigung gelöst. Da werden neue Formate geschaffen, die die Sphären von Unternehmen, Hochschule und Ausbildung miteinander verweben. Da werden Kompromisse zwischen Präsenzunterricht und Forschungspraktikum verhandelt. Das heisst dann: Azubi-Generale, Insgesamtschule, Unternehmensrat, Angry-Bird-Prinzip, …. und wird über schnell gestaltete Websites, Apps, Filme oder Prototypenmodelle präsentiert.

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Neben den konkreten Ideen ist das wichtigste Ergebnis des Tages, dass jeder Teilnehmer neue Impulse und Ideen, neue Perspektiven und Herangehensweisen mit nach Hause genommen hat. Möglich gemacht haben das die Teilnehmer selber. Die meisten haben sich das anfangs nicht zugetraut. Ermutigt, inspiriert und geleitet wurden sie von den Unternehmern der Kultur- und Kreativwirtschaft, die Einblicke in ihre Projekte und ihre Gedankenwelt gegeben haben. Die die Workshopgruppen angeleitet, angestiftet und angetrieben haben. Die die Technologie entwickelt und eingesetzt haben, um alle abzuholen und zum gemeinsamen Arbeiten zu zusammenzubringen. Die das Umfeld hergestellt haben, in dem alle Teilnehmer sich auf Thema und Gruppe einlassen konnten. Kurzum, die den Teilnehmern ins Gedächtnis gerufen haben, dass sie die Zukunft der Bildung und Arbeit gemeinsam gestalten können, wenn sie den Gestaltungsauftrag annehmen.

Chapeau an unsere Kooperationspartner Bremen NEXT, Hochschule Bremennextpractice und den Klub Dialog! Und ein ganz besonders herzlicher Gruß und Dank an das Team rund um vomhoerensehen, die volle Kraft gegeben haben, um diese zwei rundum gelungenen Tage hinzulegen!

 

Die gesamte Dokumentation des Innovationcamp: ARBEITSSPEICHER können Sie hier downloaden. Gerne senden wir Ihnen bei Interesse auch ein Printexemplar der Dokumentation zu, schreiben Sie uns einfach: kontakt@kreativ-bund.de

Credits

Text: Eva Kiltz, Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Fotos: Marlena Waldthausen, vomhoerensehen

Anstehende Veranstaltungen

Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.

Credits

Text: Eva Kiltz, Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Fotos: Marlena Waldthausen, vomhoerensehen

Wie trägt Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr Kreislaufwirtschaft bei?

Prinzipien aus der Natur abzuschauen hat schon viele Erfindungen hervorgebracht. Insbesondere Kreislaufsysteme der Natur sind Vorbilder für ein nachhaltigeres Leben. Die Umgestaltung unserer Wirtschaft zu einem kreislaufwirtschaftlichen System stellt jedoch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, die nur branchenübergreifend und ganzheitlich gelöst werden kann. Im Unterschied zum deutschen Begriff „Kreislaufwirtschaft“, der sich auf den Umgang mit Abfall fokussiert, ist der englische Begriff „Circular Economy“ (also „zirkuläres Wirtschaften“) bereits viel weiter gefasst und betrachtet das gesamte Produktsystem. Hier geht es um durchdachte Kreisläufe von Anfang an, die bereits beim Design von Produkten beginnt.

Innovative Ideen und praktische Ansätze für zirkuläres Wirtschaften finden sich schon seit Jahren in der Kultur- und Kreativwirtschaft, zum Beispiel in der Architektur, im Produkt- und Materialdesign, der Film- und Veranstaltungsindustrie sowie dem Modemarkt. Viele Beispiele werden Sie in diesem Magazinschwerpunkt kennenlernen können

In unserer Kurzreportage zur Kreislaufwirtschaft haben wir diesmal mit Architekt*innen Sandra Düsterhus (Point.Architektur) und Martin Haas (haascookzemmrich) über die Ansätze bei ihren Projekten in der Außen- und Innenarchitektur gesprochen und was der Fokus auf Kreislaufwirtschaft auch für die Gestaltung bedeutet.