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Das Kreative krisensicher machen

Konzerte finden wieder statt, kulturelle Einrichtungen öffnen ihre Pforten und das Leben kehrt vom Digitalen zurück ins Analoge. Die Pandemie ist Teil unseres Alltags geworden, gleichzeitig normalisiert sich das Leben – zumindest oberflächlich betrachtet. Denn die kulturellen, sozialen und ökomischen Folgen der Pandemie wirken sich weiterhin stark auf die Kultur- und Kreativwirtschaft aus und zeigen strukturelle Defizite auf. Jedoch ist dies nicht allein negativ zu bewerten, denn gleichzeitig bieten diese Erkenntnisse die Chance für ein Umdenken.

Um den Fokus auf Lösungen zu legen, organisierte das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes im April und Mai 2022 sogenannte Learning Circles. In diesen wurde gemeinsam mit Akteur*innen der Branche systematisch erarbeitet, was sich zukünftig verändern muss, um den Bereich nachhaltig krisenfest zu machen. Dabei wurden vier Schwerpunktthemen definiert:

  • Gründungs- und Innovationsgeschehen
  • Fachkräftegewinnung
  • soziale Absicherung
  • Angebot- und Nachfrageverhalten

Wie hat sich das unternehmerische Handeln während der Pandemie verändert? Wie gut sind Unternehmen auf zukünftige Krisen vorbereitet?

Im ersten Learning Circle wurden mit Hilfe einer Social-Mapping-Technologie Zusammenhänge zwischen den Akteur*innen gefunden und erste Erkenntnisse gewonnen. Wo wurden ähnliche Entscheidungen während der Krise getroffen? Welche Befürchtungen für die Zukunft teilen sie? Beim zweiten Learning Circle wurde schnell klar, dass sich die Pandemie in einer neuen Phase befindet – einer Zeit, in der die Krise als Chance für Veränderungen verstanden wird, und erstmals nach zwei Jahren Lehren für die Zukunft gezogen werden. Der Fokus lag dabei auf dem eigenen Handeln, politischen Veränderungen und unternehmerischem Umdenken. Einige Erkenntnisse und Lösungsvorschläge der Akteur*innen aus den Learning Circles werden im Folgenden vorgestellt.

 

Neue Förderlogiken werden gebraucht

Laut aktuellem Gründungsmonitor der KfW sind Existenzgründungen 2021 wieder auf ein Vor-Corona-Niveau gestiegen. Doch in welchem Bereich gegründet wird, hängt stark von der Teilbranche ab – und davon, ob aus der Not eine Tugend gemacht wird und Gründen die bessere Alternative ist, als ohne Job dazustehen. Auch eine qualitative Bewertung der Gründungen bleibt aus.

Kritik äußerten die Akteur*innen in diesem Zuge insbesondere an der Förderlogik. Vieles, was bereits im Vorfeld nicht optimal war, sei durch Corona verstärkt worden. Beispielsweise hängen viele Förderungen immer noch stark vom Standort ab, obwohl wir in einer Zeit des Remote-Arbeitens leben. Zudem hätten bereits etablierte Unternehmen bei der Vergabe von Geldern einen Vorteil, da sie über mehr Erfahrung mit den Verfahren und mehr Kapazitäten für die Bearbeitung der aufwändigen Anträge verfügten. Eine Lösung könnten Round Tables sein, wo Förderer*innen und Unternehmer*innen zusammengebracht werden. Zudem sprachen sich die Expert*innen im Learning Circle dafür aus, dass Personen, die für die Bewilligung von Anträgen zuständig sind, aus der Praxis stammen und einen zukunftsfähigen Blick haben sollten. Als positives Beispiel nannten sie das Innovationsprogramm für Geschäftsmodelle und Pionierlösungen (IGP), bei dem die Idee im Fokus steht und nicht der Teilmarkt, in dem sie verortet wird.

 

Die Zukunft liegt in den Softskills

Wenn es um den Bereich des Fachkräftemangels geht, gibt es viele Fragen und bisher wenige Antworten. Das Problem ist massiv. Dabei treten gerade für die Kultur- und Kreativwirtschaft unterschiedliche Probleme auf. Fachkräfte werden in diesen Branchen häufig weniger gut bezahlt als in anderen Bereichen, was zu Abwanderungen führt. Und auch innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft gibt es Unterschiede in den Teilbereichen: Gerade die Games Branche ist für viele Kreativ- und Kulturschaffenden lukrativ. Digital Natives sind gefragt und wandern daher oftmals dorthin, wo sie finanziell besser aufgestellt sind. Es gäbe jedoch Möglichkeiten, Fachkräfte zu halten. Beispielsweise gaben die Akteur*innen an, dass es helfen könnte, wenn die Kultur- und Kreativwirtschaft und das Jobcenter im engeren Austausch wären. So könnten konkrete Bedarfe besser geklärt und entsprechende Fachkräfte vermittelt werden. Häufig würde dies daran scheitern, dass es an klarer Kommunikation fehlt.

Darüber hinaus wurde angeregt, mehr Geld in die Ausbildung junger Menschen zu stecken. Denn viele Fachkräfte, die die Kultur- und Kreativwirtschaft braucht, seien auf dem Markt nicht verfügbar. Dies würde zwar viel Zeit in Anspruch nehmen, aber langfristig zu besseren Ergebnissen führen. Heutzutage seien die Ansprüche an den Nachwuchs andere. So liegt der Fokus auf den sogenannten Softskills. Flexibilität, Eigeninitiative und Anpassungsfähigkeit sind die Fähigkeiten, die in der aktuellen Arbeitswelt vonnöten sind. Dabei dürfen jedoch bereits etablierte Mitarbeiter*innen nicht außer Acht gelassen werden. Auch sie müssen im Bereich der Softskills geschult und weitergebildet werden, um zukunftsfähig zu bleiben. Auf der Agenda der Arbeitnehmer*innen ist lebenslanges Lernen somit aktueller denn je. Neben der Investition in die Ausbildung und Weiterbildung von Mitarbeitenden, betonen die Akteur*innen auch die Wichtigkeit von mentaler Gesundheit. Auch dieses Thema müsse Teil solcher Initiativen werden, um die eigene Belegschaft für die Zukunft zu wappnen. Wie jedoch gerade kleinere Unternehmen all diese Maßnahmen und Forderungen finanzieren sollen, bleibt eine Herausforderung.

 

Soziale Absicherung auf echte Bedürfnisse anpassen

Damit Beschäftige der Kultur- und Kreativwirtschaft zukünftig finanziell besser aufgestellt sind, um sich selbst sozial absichern zu können, brachten die Teilnehmer*innen die Idee branchenspezifischer Mindesthonorare oder Tarifverträge auf den Tisch. Dies würde sowohl Gehaltsdiskriminierung eindämmen als auch Einsteiger*innen helfen, den Wert der eigenen Arbeit besser einschätzen zu lernen. Solche Modelle werden bereits in der EU diskutiert, zum Beispiel in Form von Mindestgebühren, wie es sie bereits bei zugangsberechtigten Berufen gibt. Des Weiteren müssten Pendants zum Kurzarbeiter*innengeld für Freiberufler*innen gefunden werden. Soziale Absicherung sollte somit auch auf die Bedürfnisse von Selbstständigen angepasst werden. Dabei könnte ein unmittelbarer Austausch zwischen Ämtern, Behörden und den entsprechenden Personenkreisen helfen. Als weiterer Punkt wurden die Vergabeverfahren für öffentliche Gelder genannt, die intransparent empfunden wurden. Eine einheitliche, klare und transparente Regelung könnte Abhilfe schaffen.

 

Die Unsicherheit der Pandemie bleibt bestehen

Obwohl alles wieder geöffnet hat, strömen die Menschen nicht in denselben Massen wie vor der Pandemie an Theater- und Museumskassen, ebenso wenig in Konzerthallen und zu anderen Veranstaltungen. Ein vermuteter Grund liegt in den allgemein gestiegenen Preisen infolge der Inflation. Als Anreiz, dem entgegenzusteuern, wurden staatlich gesponsorte Kulturgutscheine vorgeschlagen, die gerade ein jüngeres Publikum animieren könnten, wieder am kulturellen Leben teilzunehmen. Darüber hinaus haben viele Kulturbetriebe ihre Online-Präsenz in den vergangenen Monaten ausgebaut. Nun seien sich viele Unternehmer*innen unsicher, welches Modell sich langfristig durchsetzen wird und auf welches Pferd gesetzt werden soll. Ein Risiko, das vorerst bestehen bleibt.

Die Pandemie hat verstärkt, was bereits vorher im Argen lag. Sie hat aber auch viele Transformationsprozesse beschleunigt und dazu geführt, Veränderungen voranzutreiben. Dieses Momentum bietet daher die Chance, weiter in Richtung Zukunft zu gehen. Gezielte Maßnahmen, die auf die Bedürfnisse der größtenteils solo agierenden Unternehmer*innen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft ausgerichtet sind, können die Branche krisensicher und zukunftsfähig machen.


 

Mehr Learnings aus der Pandemie sind Thema beim gleichnamigen Kongress am 22.06.2022 in Berlin.

Anstehende Veranstaltungen

Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.

Credits

Text: Deana Mrkaja

Fotos: Pexels

Wie trägt Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr Kreislaufwirtschaft bei?

Prinzipien aus der Natur abzuschauen hat schon viele Erfindungen hervorgebracht. Insbesondere Kreislaufsysteme der Natur sind Vorbilder für ein nachhaltigeres Leben. Die Umgestaltung unserer Wirtschaft zu einem kreislaufwirtschaftlichen System stellt jedoch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, die nur branchenübergreifend und ganzheitlich gelöst werden kann. Im Unterschied zum deutschen Begriff „Kreislaufwirtschaft“, der sich auf den Umgang mit Abfall fokussiert, ist der englische Begriff „Circular Economy“ (also „zirkuläres Wirtschaften“) bereits viel weiter gefasst und betrachtet das gesamte Produktsystem. Hier geht es um durchdachte Kreisläufe von Anfang an, die bereits beim Design von Produkten beginnt.

Innovative Ideen und praktische Ansätze für zirkuläres Wirtschaften finden sich schon seit Jahren in der Kultur- und Kreativwirtschaft, zum Beispiel in der Architektur, im Produkt- und Materialdesign, der Film- und Veranstaltungsindustrie sowie dem Modemarkt. Viele Beispiele werden Sie in diesem Magazinschwerpunkt kennenlernen können

In unserer Kurzreportage zur Kreislaufwirtschaft haben wir diesmal mit Architekt*innen Sandra Düsterhus (Point.Architektur) und Martin Haas (haascookzemmrich) über die Ansätze bei ihren Projekten in der Außen- und Innenarchitektur gesprochen und was der Fokus auf Kreislaufwirtschaft auch für die Gestaltung bedeutet.