Manchmal braucht es einen Designer, um Fehler im Ausbildungssystem zu finden. Ausgerechnet in einem der Aushängeschilder der Exportnation Deutschland, der dualen Ausbildung von Handwerkern. In diesem Fall der Ausbildung von Metzgern, wie der Designer und Lebensmittel-Aktivist Hendrik Haase erlebt hat: Gerade hat seine gläserne Metzgerei „Kumpel & Keule“ die ersten beiden Gesellen zum Meister geschlagen – aber was sie über traditionelle Herstellung gelernt haben, kam nicht aus der Berufsschule, sondern aus dem eigenen Betrieb: „Die Ausbildung wird von der Lebensmittelindustrie unterwandert“, sagt Haase, der sich schon in seiner Masterarbeit mit der Rettung regionaler Spezialitäten beschäftigt hat. „Die lernen da nicht den Umgang mit frischen Gewürzen, sondern Fertigprodukten wie Frischzwiebelaroma.“
Frühstück unter Freunden
Und was dabei verloren geht, hat Haase seiner Gesprächspartnerin gleich auf den Tisch gestellt: handwerklich gemachte Traditionswürste wie die hessische Ahle Wurscht. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries ist zu Gast beim ersten Fellows-Frühstück, einem Treffen des Akteursnetzwerk, welches das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft ins Leben gerufen hat. Ob denn der deutsche Meister noch ein Beleg für Kompetenz sei, will sie von Haase wissen – „das ist eine Frage, die uns auf EU-Ebene sehr beschäftigt. Dort will man den Meisterbrief unterminieren und das wollen wir nicht.“
Erkenntnisse und Impulse für Politik und Wirtschaft aus einem ungewohnten Blickwinkel liefern: Das ist das Ziel des Netzwerks aus 100 Fellows, allesamt ausgewiesene Kreativunternehmer, die in ihren Branchensegmenten gut vernetzt sind und die aktuellen Debatten und Entwicklungen verfolgen.
Zum Beispiel die besorgniserregende Entwicklung, dass es in Deutschland keinen unabhängigen Design-Preis mehr gibt. „Es gibt nur noch Preise, bei denen man sich die Nominierung für viel Geld erkaufen muss“, sagt Alexandra Klatt, die das Festival State of Design gegründet hat. „Und das ist ein Riesenproblem für Designer, denen damit eine Plattform fehlt, auf der sie sich sichtbar machen können.“
Was die Kreativwirtschaft vermag, wenn sie den entsprechenden Rückenwind bekommt, demonstriert unter anderem Yasha Young. Sie baut mit ihrem Projekt Urban Nation in Berlin ein Museum für Gegenwartskunst auf, bei dem das Gebäude selber zum Kunstgegenstand wird: Die gesamte Außenwand wird mit einer patentierten Außenhaut aus Modulen bestückt, die eine immer wieder neu gestaltbare Leinwand bilden. Schon jetzt zieht das Projekt – gefördert von der Berliner Lotto-Stiftung – Schenkungen an wie das Archiv der Fotojournalistin Martha Cooper.
„Wir als Künstler können heute die Technologien mitgestalten, die in 20 Jahren unseren Alltag bestimmen werden.“ Dr. Renzo Vitale, Leiter im Forschungs- und Innovationszentrum bei BMW im Bereich „Noise, Vibration and Harshness (NVH)“
Wie der Transfer aus der Kunstwelt in die Industrie funktionieren kann, zeigte Renzo Vitale: Der studierte Komponist machte sich einen Namen mit seinen Musikperformances und beschäftigte sich als Akustikingenieur unter anderem mit der Klangwirkung von Konzertsälen und Kirchen. Heute ist er bei BMW verantwortlich für das Sounddesign von neuen Fahrzeugen wie dem Elektroauto i3. „Wir als Künstler können heute die Technologien mitgestalten, die in 20 Jahren unseren Alltag bestimmen werden“, sagt Vitale.
Was kann die Politik tun, um mit der Kreativbranche die Quelle solcher Inspirationen zu fördern? Ein ganz wichtiges Förderinstrument für Kreativunternehmer seien Angebote wie das Fellows-Netzwerk und die Kultur- und Kreativpiloten Deutschland, sagt Martin Horst, der in Schwerin die Designagentur 13 Grad und die Eismanufaktur Jackle & Heidi gegründet hat. „Wenn man aus Mecklenburg-Vorpommern kommt, ist es cool, eine solche Basis zu haben. Und es ist cool, dass es spezielle Programme für den ländlichen Raum gibt.“
Natürlich kommt das Gespräch auch aufs Geld, auf Existenzsicherung . „Wir haben in der letzten Legislaturperiode die Künstlersozialversicherung gerettet und stabilisiert“, sagt Zypries. „Außerdem sind Arbeit und Qualifizierung gerade Jahresthema in unserer Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft.“ Reicht das? Brauchen Kreativunternehmer besondere Programme? Und reichen die Förderinstrumente, um Kreativen den Sprung von der Selbstausbeutung zu einem gesunden Unternehmertum zu erleichtern? „Für dieses Mittelfeld zwischen kleinem Krauter und Konzern gibt es zu wenig Hilfe“, glaubt Daniel Plettenberg, Inhaber der Beratungsfirma Valor und des Startups AtelierPMP, das Parfüms wie das preisgekrönte „Anti Anti“ entwickelt.
Das Problem, so Brigitte Zypries, sei für viele Startups oft nicht die Anfangsfinanzierung, sondern das fehlende Kapital in der Wachstumsphase: „Deshalb haben wir gezielt Programme auch für die Wachstumsfinanzierung aufgelegt. (…)“
Das Problem, so Zypries, sei für viele Startups oft nicht die Anfangsfinanzierung, sondern das fehlende Kapital in der Wachstumsphase. „Deshalb haben wir gezielt Programme auch für die Wachstumsfinanzierung aufgelegt. Mit zwei neuen Fonds-Instrumenten, die zusammen ein Volumen von über 700 Mio. Euro haben, adressieren wir sowohl die Frühphase als auch die Wachstumsphase. Insgesamt stehen für die nächsten Jahre öffentliche Mittel in einer Größenordnung von 2 Mrd. € für die Weiterentwicklung und Aufstockung bestehender Programme bereit.“.
Zum Kümmern gehört für Zypries auch, dass sich Kreativunternehmer auf politischer Ebene einbringen, indem sie ihre Interessen und Bedürfnisse artikulieren – und mit ihren Anträgen Einfluss nehmen auf die Ausrichtung von staatlichen Förderprogrammen. Probieren, was geht und sagen, was klappt und was nicht: Das lässt sich machen. Fortsetzung folgt.
Credits
Text: Georg Dahm
Fotos: William Veder