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Keine Angst vor dem Experiment

Man kann eine Produktidee jahrelang überdenken - oder man probiert sie einfach mal aus. Dank Fertigungstechniken wie dem 3D-Druck können Prototypen schnell entwickelt und am Markt getestet werden. Was können klassische Unternehmen hier von der Kreativwirtschaft lernen? Das Kompetenzzentrum hat einen Dialog darüber angestoßen.

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Komplexe Strukturen aus dem 3D-Drucker: Arbeitsproben des Fab-Labs Darmstadt

„Anderswo muss man erst eine ganze Ausbildung machen“, sagt Phill Handy „Bei mir darf jeder, der eine Idee hat, nach drei Stunden Schulung loslegen. Am 3D-Drucker, dem Sandstrahlgebläse, der Bandsäge aber auch am Schweißautomaten oder der Metalldrehbank.“ Mehr als 80 Maschinen hat der Unternehmer in Garching auf einer Fläche von rund 1500 Quadratmetern aufgebaut. „Fablab“ oder „Makerspace“ nennt man diese Art von Spielwiesen, die in den letzten Jahren zu einem weltweiten Phänomen geworden sind. Designerschmuck, neue Smartwatches, Elektroauto-Bauteile: Alles am Computer entworfen und schnell als Prototyp realisiert. In den neuen Kreativwerkstätten entstehen Hobbyprojekte ebenso wie marktreife Produkte, die ihre Erfinder dann über Crowdfunding-Plattformen wie Kickstarter oder Startnext auf den Markt bringen.

Fordert die Maker-Bewegung mit ihrer Kreativität und ihrem rasanten Entwicklungstempo die Industrie heraus? Kann sie Triebkraft und Impulsgeber sein beim Wandel zur viel zitierten „Industrie 4.0“, die mit „intelligenten“ Fabriken auf neue Kundenwünsche, Produktideen und Konkurrenten reagiert? Könnte die Kreativwirtschaft mithilfe der neuen Produktionstechniken die Innovationskraft entfalten, die so mancher Kritiker nur noch im Silicon Valley, aber nicht mehr in Deutschland vermutet?

Viele Akteure haben da noch ihre Zweifel, wie Phill Handy auf den Podien der Veranstaltungsreihe „Industrie 4.0. als Chance für das kreative Unternehmertum“ feststellen musste, bei der in Kiel und Darmstadt Vertreter aus Kreativwirtschaft, Forschung und klassischem Unternehmertum diskutierten.

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Komplexe Strukturen aus dem 3D-Drucker: Arbeitsproben des Fab-Labs Darmstadt

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Leider trauen sich viele Kreative immer noch nicht richtig an die Technik ran. Daher ist es ja gerade so wichtig, darüber zu informieren.

Julian Adenauer
retune

Es ist nicht nur die formelle Ausbildung, die die Etablierten bei den Makern vermissen – obwohl hier viele hoch qualifizierte Fachleute aktiv sind. Zweifel wurden auch laut daran, wie sehr sich Entwicklungsprozesse beschleunigen lassen – schließlich brauchten durchdachte Innovationen immer eine gewisse Zeit. „Ich konnte den Vertretern aus Industrie und Forschung auf dem Podium klarmachen, dass die Kreativen nicht der deutschen Industrie und ihren weltbekannten und guten Standards Konkurrenz machen wollen“, sagt Handy. Ein Maker allein werde niemals ein ganzes Auto bauen. Aber er könne vielleicht den Scheibenwischer neu denken und bauen, bevor ein Automobilbauer auf die Idee kommt. „Das verstehen viele Vertreter der Industrie leider immer noch falsch – aber die Zahl nimmt ab. Vor allem auch durch solche Veranstaltungen wie die des Kompetenzzentrums.

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Wohin geht die Reise? Podiumsdiskussion bei der Darmstädter Ausgabe von "Industrie 4.0 als Chance für kreatives Unternehmertum"

Die Maker-Szene zeige wunderbar, welchen Wandel der Produktentwicklungsprozess durchlaufen habe und welch große Chancen das Thema Industrie 4.0 für Kreativunternehmer biete, sagt Handy. Digitaltechnik, das Internet und neue Geräte wie 3D-Drucker und Lasercutter erlauben es nahezu jedem zum Produzenten zu werden. Die Maker-Szene kehrt damit die bisherigen Prozesse komplett um: Bestimmte gestern noch die Industrie, welche Produkte auf den Markt kommen, ist es heute der Markt selbst, der sagt, was er will. Daraufhin baut der Maker am 3D-Drucker schnell die ersten Prototypen. Dann erst kommt die Industrie und kauft dem Maker das Patent zur Idee ab oder stellt ihn ein. So kommen Geschwindigkeit und neue Ideen in die Produktentwicklung.

Einfach mal an die Grenzen gehen

„Die Kreativszene ist unheimlich wichtig – nur sie kann die verkrusteten Strukturen von großen Unternehmen wirklich durchdringen“, sagt Julian Adenauer. „Nur leider trauen sich viele Kreative immer noch nicht richtig ran. Daher ist es ja gerade so wichtig, darüber zu informieren.“ Der studierte Ingenieur und Kreativunternehmer verbindet in seinen Arbeiten Kunst und State-of-the-Art-Technik, er hat unter anderem den Technikkünstler-Kongress retune ins Leben gerufen, bei dem das Kompetenzzentrum 2016 erstmals als Partner auftritt. Als Moderator des Kieler Industrie 4.0.-Podiums registrierte er bei den anwesenden Kreativen durchaus Berührungsängste mit der Technik. Was dort auch dem Industriedesigner Volker Breust auffiel: „Es ist sehr wichtig, dass wir bei solchen Veranstaltungen darüber sprechen und informieren. Noch wichtiger aber ist das Selbermachen. Dazu müssen wir die Kreativszene aufrufen.“

Einfach mal ausprobieren und schauen, wo man an Grenzen stößt. Nach diesem Motto arbeitet Breust. Bei seinem Designer-Milchaufschäumer „Schaumette“ etwa musste Breust auf klassische Fertigungstechniken setzen – am 3D-Drucker hätte er die nötige Oberflächenqualität nicht hinbekommen. Anders sieht es zum Beispiel bei einer neuartigen Aufhängung für Fahrradtaschen aus, an der er gerade arbeitet. „Was als Produkt funktioniert und was nicht, muss man selbst herausfinden“, sagt Breust, der aktuell das Kieler Fablab nutzt. Aus solchen Brutstätten, deren Anzahl deutschlandweit wächst, könnte der kommende Mittelstand erwachsen.

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Wohin geht die Reise? Podiumsdiskussion bei der Darmstädter Ausgabe von "Industrie 4.0 als Chance für kreatives Unternehmertum"

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Ich konnte den Vertretern aus Industrie und Forschung auf dem Podium klarmachen, dass die Kreativen nicht der deutschen Industrie und ihren weltbekannten und guten Standards Konkurrenz machen wollen

Phill Handy
UnternehmerTUM MakerSpace

Adenauer warnte auf dem Podium allerdings davor, beim Experimentieren schon zu sehr an mögliche Geschäftsmodelle zu denken: „Gerade die Unbefangenheit, dieser unverstellte Blick auf etwas, was vielleicht nicht unbedingt im nächsten Quartal einen Riesenumsatz bringt, aber dafür vielleicht in zwei, drei Jahren sehr relevant sein kann, bringt neue frische Ideen hervor“, sagt er. Experimentieren – ja, unbedingt. Aber immer in dem Bewusstsein: „Innovation geht nicht ohne Scheitern.“

Wer das verinnerliche sei schon einmal weiter als die meisten, sagt Adenauer. Phill Handy kennt sie auch, „diese deutsche Angst zu scheitern“. Die Mentalität des amerikanischen „Just do it“ komme aber langsam auch nach Deutschland, sagt er. „Einfach machen und wenn man scheitert, dann schnell scheitern. Und danach schnell weitermachen – mit einer verbesserten Idee.“ Ein Denken, das man heute schon früh kultivieren solle, sagt Handy. Als gutes Beispiel nennt er die Wissenswerkstatt Passau, wo acht- bis zehnjährige Schülerinnen und Schüler ans Selbermachen herangeführt werden. „Weg vom iPhone, hin zum Sägen, Bohren und 3D-Drucken. Damit Berührungsängste gar nicht erst entstehen.“ Das sei wie mit einer Fremdsprache: „Mit 20 lernt man die auch nicht mehr ganz so einfach.“

Die Veranstaltungen des Kompetenzzentrums in Darmstadt und Kiel waren ein wichtiger Impuls, sagt Handy – Fortsetzung erwünscht: „Wenn es dieses Mal 100 Leute waren, sind es das nächste Mal 200. Die Szene wächst. Und Werbung für die Chancen der Kreativunternehmer kann es gar nicht genug geben.“

Credits

Text: Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Fotos: Frank Walter, Julian Adenauer, UnternehmerTUM MakerSpace

Anstehende Veranstaltungen

  1. Sommerpavillon der Kultur- und Kreativwirtschaft

    21. Juni - 4. Oktober

Credits

Text: Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Fotos: Frank Walter, Julian Adenauer, UnternehmerTUM MakerSpace

Künstliche Intelligenz als Werkzeug von Kreativen

Die fortschreitende Digitalisierung verändert tiefgreifend, wie wir leben, arbeiten und auch politisch partizipieren. Eine der großen Herausforderungen unserer Zeit ist, sowohl die politische Teilhabe zu stärken als auch die Demokratie vor digitalen Bedrohungen zu schützen.

Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird beispielsweise kreative Teilhabe für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich, indem komplexe Werkzeuge und Techniken auch ohne tiefe Fachkenntnisse genutzt werden können. KI ermöglicht es Menschen aus verschiedenen Hintergründen, ihre kreativen Ideen zu verwirklichen und neue Formen der künstlerischen Zusammenarbeit zu erkunden. Das fördert die Vielfalt und Innovation in der kreativen Landschaft. Gleichzeitig stellt diese Entwicklung die traditionellen Vorstellungen von Urheberschaft und Originalität infrage, da KI-gestützte Kreativität zunehmend die Grenze zwischen menschlicher und maschineller Schöpfung verwischt.

Auch die Fragen, was Kreativität bedeutet und wo die Kernkompetenzen der Kreativschaffenden liegen, werden an Wichtigkeit gewinnen und ihre Antworten sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich bringen. KI ist auf dem heutigen Stand eher nicht „kreativ“ – aber sie verändert kreative Prozesse. Sie kann Kreativschaffende in ihrer Kreativleistung unterstützen, sie erweitern und als Inspirationsquelle dienen.

In unserer Kurzreportage sprechen wir mit den Künstlern Julian van Dieken und Roman Lipski über das Potenzial von KI als künstlerische Muse und Werkzeug, das neue Zugänge und Innovationsprozesse ermöglicht.