Creative_Lab_Case

Wie man einen digitalen Innovationsort ins Leben ruft

Es ist März 2020. Masken sind Mangelware. Unternehmen bangen um ihre Existenz. Kunst und Kulturveranstaltungen fallen ersatzlos aus.  Schulunterricht „findet remote statt“. Gesundheitsämter und das RKI versuchen Infektionsketten aufzubrechen. Die COVID-19-Krise hat die Welt fest im Griff und zeigt, dass es keine Option sein kann, einfach zu dem Zustand vor der Pandemie zurückzukehren. Stattdessen werden neue Lösungen für eine veränderte Realität gebraucht. Doch wie können sich Wirtschaft und Gesellschaft auf die Zeit nach der Krise vorbereiten und welche Innovationen können bereits jetzt angestoßen werden? 

Das erste Creative Lab zum Thema COVID-19 des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes hat sich dieser Herausforderung gestellt und einen pandemiesicheren digitalen Innovationsort eröffnet. Im Verbund mit Partner*innen aus Industrie, Forschung und Kultur- und Kreativwirtschaft wurden von April bis Oktober 2020 die Möglichkeiten einer neuen Realität post-Corona antizipiert, durch die Förderung von sechs Innovationsvorhaben (Risky Projects) konkrete Lösungen für die Zukunft entwickelt und drei neue Unternehmungen gegründet.

Die Herausforderung: Aufbau eines Innovationorts zum Thema COVID-19, in dem ein Netzwerk aus heterogenen Institutionen Szenarien, Ansätze und Lösungen für die veränderte Realität nach der Corona-Krise formt und entwickelt.

1. Chancen statt Krise

Durch lineare Prozess und die Orientierung an einem vorab definierten Problem können Innovationspotenziale nicht voll ausgeschöpft werden. Doch was wäre, wenn…? Die Kultur- und Kreativwirtschaft bietet zahlreiche Methoden, um Utopien zu erschaffen und daraus Ansätze für eine wünschenswerte Zukunft zu extrahieren. Innerhalb des Creative Labs wurde gemeinsam mit dem Partner*innen-Netzwerk nicht nach Akutlösungen gesucht, sondern die Transformation durch und nach der Krise zu diskutiert. Mithilfe von Design Fiction und Future Prototyping wurde das Thema „Krise als Chance“ in den Fokus gerückt und es wurden neue iterative zur Entwicklung von Ideen erprobt.

2. Gründung eines branchenübergreifenden Netzwerks

Essenziell für die Ausgestaltung des Creative Labs war die Gründung eines starken Netzwerk. Wenn es um globale und ungewisse Herausforderungen geht, die alle Lebensbereiche treffen, ist es umso wichtiger, Perspektiven zu wechseln und sich Problemen trans- und interdisziplinär zu nähern.

Institutionen aus Forschung, Industrie und Kultur- und Kreativwirtschaft (u. a. Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, Robert Koch-Institut, IAV und Bayerischer Rundfunk) brachten ihre Perspektiven zur Corona-Pandemie in das Creative Lab ein. Die Ressource Netzwerk ermöglicht weitere positive Synergieeffekte: ein breites Portfolio an Kompetenzen, Reichweitensteigerung und Peer-Learning.

3. Multiple Andockstellen im Netzwerk schaffen

In den 8 Monaten des Creative Labs konnten sich die Partner*innen in unterschiedlichen Rollen einbringen: Beim Austausch in Netzwerkveranstaltungen und Szenario-Workshops, durch die Teilnahme als als Expert*innen beim Innovation Camp, durch kritische Bewertung der Ideen als Juror*innen oder die Begleitung der 6 besten Teams als Coaches. Die Partner*innen bekamen die Freiheit sich entlang der Wertschöpfungskette des Labs zu bewegen und je nach Expertise und Interesse Teil des Prozesses zu sein.

4. Das Ergebnis vom Ende her denken

Unternehmerische Experimente für die Zukunft post-Corona in Form von Risky Projects machten einen zentralen Teil des Creative Labs COVID-19 aus. Es konnte gelingen 3 Ideen schon im Rahmen des Labs von der Idee in die Unternehmensgründung zu führen. Doch die Skalierung von Ideen hin zu drei Unternehmens-Gründungen innerhalb des Labs, war nur möglich, da methodische Unterstützung und finanzielle Mittel für die Entwicklung und Umsetzung direkt mitgeplant, und dies den Teilnehmer*innen auch so kommuniziert wurde. Der Netzwerk-Aufbau, die Experimentier-Phase und die Inkubation der Risky Projects folgte im Creative Lab COVID-19 einem Phasenmodell.

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5. Ergebnisoffene Ergebnisorientierung

Was erst einmal paradox klingt, ist im Kontext von Innovationsentwicklung zentral. Dabei ist Ergebnisoffenheit nicht gleichzusetzen mit Ziellosigkeit. Nicht der zu entwickelnde Output wird festgelegt, sondern die Richtung. Durch die Definition einer klaren Vision und den dazugehörigen ersten Meilensteinen konnten die Teams der Risky Projects in die Prototypenentwicklung starten. Mit der Begleitung durch erfahrene Coaches wurden Sparringpartner*innen für die Projektteams geschaffen, die im Prozess halfen, Fehler und neue Erkenntnisse nicht als Scheitern zu empfinden, sondern die sich daraus ergebenden Chancen nutzbar zu machen. Das Team Tribes z.B. machte im Prozess einen Teamwechsel durch und veränderte das Produkt von der „digitalen Selbsthilfegruppe“ hin zur Community-Plattform für Menschen mit Lebensmittelintolleranz. Wir lernen hieraus, dass es wichtig ist, Veränderungen auch als Fördernde mitzugehen und positiv zu unterstützen, auch, wenn dies Flexibilität, Ressourcen und Offenheit erfordert. Im Ergebnis und den Erkenntnissen zahlt sich das aus.

6. Mut zu Experimenten in alle Richtungen

Wenn es das Ziel eines Creative Labs ist, Räume für ergebnisoffene Experimente zu gestalten, dann muss auch das Lab bereit sein, experimentell zu arbeiten. Die Nutzung von neuen Werkzeugen wie „Mozilla Hubs“ als 3D-Präsentationsfläche oder dem dynamischen Videokonferenztool „Wonder“ zeigten zwar anfängliche technische Anwendungshürden, boten aber gleichzeitig neue Möglichkeiten zur Vernetzung und für co-kreative Prozesse im digitalen Raum.

Fazit: Damit ein Creative Lab seinem Namen gerecht wird, sind experimentelle Strukturen und Ergebnisoffenheit wesentliche Schlüsselfaktoren zum Erfolg. Wer Innovationen ermöglichen will, muss Dinge anders machen und auch bereit sein, zu scheitern. Die Verknüpfung von diversen Akteur* innen wie beispielsweise der Medienbranche und der KI-Forschung, die Entwicklung von Post-COVID Utopien durch kreativwirtschaftliche Methoden wie Sci-Fi Prototying und Narration und die Initiierung ergebnisoffener Unterstützungsmodelle sind Bausteine für ein gelungenes Experimentierfeld. Das erste Creative Lab COVID-19 war als neues Format des Kompetenzzentrums eine Reise ins Ungewisse. Und auf solch einer Reise braucht es vor allem drei Dinge: Mut, Neugierde und die Bereitschaft, immer wieder neu zu lernen.


 

Innerhalb der kurzen, 10-wöchigen Experimentierphase konnten die Ideenprototypen eine nächste Stufe erreichen. 3 der 6 Risky Projects haben im Projektzeitraum eine UG gegründet. Dabei haben sich die unterschiedlichen Teams mit diversen gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen der Corona-Krise beschäftigt. Mehr zu den Projekten können sie hier in der Case Study lesen oder sich gleich direkt im virtuellen Raum die Ausstellung anschauen. Mehr Informationen zum Creative Lab finden Sie außerdem hier.

Credits

Text: Franziska Lindner

Fotos: Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes, Illustration: Max Bachmaier

Anstehende Veranstaltungen

Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.

Credits

Text: Franziska Lindner

Fotos: Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes, Illustration: Max Bachmaier

Wie trägt Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr Kreislaufwirtschaft bei?

Prinzipien aus der Natur abzuschauen hat schon viele Erfindungen hervorgebracht. Insbesondere Kreislaufsysteme der Natur sind Vorbilder für ein nachhaltigeres Leben. Die Umgestaltung unserer Wirtschaft zu einem kreislaufwirtschaftlichen System stellt jedoch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, die nur branchenübergreifend und ganzheitlich gelöst werden kann. Im Unterschied zum deutschen Begriff „Kreislaufwirtschaft“, der sich auf den Umgang mit Abfall fokussiert, ist der englische Begriff „Circular Economy“ (also „zirkuläres Wirtschaften“) bereits viel weiter gefasst und betrachtet das gesamte Produktsystem. Hier geht es um durchdachte Kreisläufe von Anfang an, die bereits beim Design von Produkten beginnt.

Innovative Ideen und praktische Ansätze für zirkuläres Wirtschaften finden sich schon seit Jahren in der Kultur- und Kreativwirtschaft, zum Beispiel in der Architektur, im Produkt- und Materialdesign, der Film- und Veranstaltungsindustrie sowie dem Modemarkt. Viele Beispiele werden Sie in diesem Magazinschwerpunkt kennenlernen können

In unserer Kurzreportage zur Kreislaufwirtschaft haben wir diesmal mit Architekt*innen Sandra Düsterhus (Point.Architektur) und Martin Haas (haascookzemmrich) über die Ansätze bei ihren Projekten in der Außen- und Innenarchitektur gesprochen und was der Fokus auf Kreislaufwirtschaft auch für die Gestaltung bedeutet.