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Wie funktioniert Kooperation im digitalen Raum?

Innovation Camps gehören zu den Formaten, die das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes bereits seit 2017 durchführt. Mehrmals jährlich kommen Akteur*innen verschiedener Bereiche und Branchen bei der interdisziplinären Veranstaltung zusammen, um kultur- und kreativwirtschaftliche Methoden anzuwenden und innerhalb von nur 2–3 Tagen konkrete Lösungen zu einem gesellschaftlich und wirtschaftlich relevanten Thema zu finden. Zur Kontaktreduzierung wurde das Format neu gedacht. Sechs Learnings aus dem Innovation Camp Sprungkraft.

Noch bis Anfang 2020 basierte das Format Innovation Camp auf folgenden Eckpfeilern:

+ ein außergewöhnlicher Ort
+ rund 120 Teilnehmer*innen aus diversen Branchen
+ 2,5 Tage Zeit

Das waren die Voraussetzungen, um in kleinen Teams an kreativen Lösungen für konkrete Fragestellungen zu Themen wie Strukturwandel in ländlichen Räumen, Creative Bureaucracy oder neuen Anwendungsformen für künstliche Intelligenz zu arbeiten.

Mit Geltungsbeginn der Corona-Schutzmaßnahmen wurde das Format neu gedacht. Zwar standen Innovationsentwicklung, der Einsatz kultur- und kreativwirtschaftlicher Methoden, Rapid Prototyping und Interdisziplinarität weiterhin im Mittelpunkt des Veranstaltungskonzepts, allerdings wurde das Innovation Camp komplett digital transformiert: Digitale und analoge Inhalte wurden miteinander verschränkt; statt einem analogen Raum wurde eine dynamische Videokonferenzplattform zum Treffpunkt; ein Design Sprint ersetzte das Design Thinking; und es wurde ein digitales Prototyping Studio für die Teilnehmer*innen eingerichtet.

Wie gelingen kreative Kooperationsprozesse im digitalen Raum? Hier sind die Learnings aus 3 Tagen Innovation Camp Sprungkraft mit über 300 Teilnehmer*innen:

 

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Die SPRUNGKRAFT-Toolbox

1. Verbindlich & persönlich werden: das Event nach Hause schicken

Fehlender persönlicher Kontakt und vermeintliche Anonymität bei einer Anmeldung im Netz können eine Veranstaltung „unecht“ wirken lassen und wenig Verbindlichkeit sowie eine hohe No-Show-Rate nach sich ziehen. Um bei digitalen Veranstaltungen mehr Bindung zu erreichen, kann die Veranstaltung auf anderem Wege in das analoge Leben der Teilnehmer*innen eintreten.

Lösung:

Eine vorab an die Teilnehmer*innen verschickte Toolbox mit wichtigen Werkzeugen für einen gelungen Design Sprint fungiert als analoge Erinnerungsstütze und erzeugt gleichzeitig ein Gefühl von „Echtheit“. Im Falle des Innovation Camps bestand die Box aus einem Festival-Batch mit QR-Code zum Navigieren in den digitalen Räumen, einem Canvas für Ideenskizzen, Nervennahrung und nützlichen Hintergrundinformationen zur Veranstaltung. Auf diese Weise wurden mehrere Sinne (Haptik, Geschmack) angesprochen. Zusätzlicher Nebeneffekt: Die Box wurde auf Social Media von einigen Teilnehmer*innen „unboxed“ und hat auf diese Weise Reichweite generiert.

 

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Die SPRUNGKRAFT-Toolbox

2. Warmlaufen für digitale Tools: vorab Tutorials anbieten

Der Einsatz interaktiver Tools verleiht einer digitalen Veranstaltung Dynamik. Es ist aber auch ein Experiment, das gute Vorbereitung und permanenten technischen Support erfordert. Egal welche digitalen Plattformen und Werkzeuge genutzt werden, es wird immer Personen geben, die mit dem gewählten Tool noch wenig vertraut sind. Es sollte daher ausreichend Zeit eingeplant werden, um den Teilnehmer*innen bereits vor dem Start des Events die Tools näher zu bringen.

Lösung:

Tools (in diesem Fall: Wonder und Mural) sollten überlegt ausgewählt werden und nicht zu häufig wechseln. Außerdem muss ein Einführungsprogramm angeboten werden, z. B. in Form von Kurzanleitungen, Video-Tutorials oder kurzen Treffen vorab im virtuellen Raum.

 

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vom persönlichen Lieblingsplatz aus in den Ideationsprozess einsteigen

3. Flexibel bleiben: Prozesse so gestalten, dass sie sich in die aktuelle Situation von Home Office und Ablenkung einfügen

Anders als bei analogen Konferenzen können sich Teilnehmer*innen digital nur für bestimmte Programmpunkte zuschalten oder fallen durch die besondere Situation im Home Office (z. B. Homeschooling) für bestimmte Zeitslots ganz aus. Der Ideationsprozess sollte an diese Aufmerksamkeitsdynamik angepasst sein.

Lösung:

Einzelaufgaben während des Design Sprints formulieren, die die Teilnehmenden individuell und zu ihrer Wunschzeit bearbeiten können Außerdem sollte ein Ideenteam 7–8 Personen umfassen, sodass die Gruppe auch bei 1 oder 2 fehlenden Personen arbeitsfähig bleibt. Sollte sich ein Team dennoch auflösen, kann neu gemischt und verteilt werden.

 

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vom persönlichen Lieblingsplatz aus in den Ideationsprozess einsteigen

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Im Studio des Innovation Camps

4. Aufmerksamkeit halten I: „TV-Effekt“ statt Videokonferenz-Ästhetik

Die Zeit im Home-Office hat uns gelehrt, dass mehrstündige Videokonferenzen anstrengend und eintönig werden können. Eine dynamische, professionelle Videoproduktion trägt dazu bei, dass Zuschauer*innen aufmerksam bleiben und Inhalte gut aufnehmen können.

Lösung:

Es lohnt sich, eine Bühne im entsprechenden Design der Veranstaltung (z. B. Hintergründe) einzurichten, auf der das Programm stattfindet. Auch eine Weitwinkel-Kamera und adäquate Beleuchtung machen bereits einen großen Unterschied. Optimal wird das Programm direkt in einem Studio in Kooperation mit einem TV-Sender oder einer Fernsehproduktionsfirma (in diesem Fall Alex Berlin) unter TV-Bedingungen bzgl. Kamera, Schnitt, Einblendungen und Live-Moderation produziert. Die Beantwortung von Fragen, die von der Community während des Livestreams gestellt werden, erhöht die Bindung und den „Live“-Effekt.

 

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Im Studio des Innovation Camps

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Zusammen achtsam in den Tag starten: Bevor es digital losging, konnten sich alle Teilnehmer*innen bei einem Live-Audio-Walk über Telegram an der frischen Luft einstimmen

5. Gemeinschaftserlebnisse schaffen: Interaktion & Networking designen

Interaktion & Networking funktioniert digital anders als bei analogen Veranstaltungen. Gleichzeitig braucht es Schnittstellen, um Zuschauer*innen Teil des Ganzen werden zu lassen. Da physische Präsenz im digitalen Raum fehlt und zusätzlich Unsicherheiten im Umgang mit den verwendeten Tools bestehen können, ist es sinnvoll, an dieser Stelle stärker zu kuratieren.

Lösung:

Über interaktive Kennenlernspiele oder Telegram-Live-Walks kann Interaktion aktiv ins Programm eingewoben werden. Kleine Spiele oder Fragestellungen (beim Innovationcamp z. B.: „Was ist deiner Meinung nach die wichtigste Erfindung der Menschheit?“), die den Teilnehmer*innen im Laufe der Veranstaltungen auf den Weg gegeben werden, haben sich darüber hinaus als angenehmer Einstieg für erste Kennenlerngespräche zwischen den Teilnehmer*innen erwiesen.

 

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Zusammen achtsam in den Tag starten: Bevor es digital losging, konnten sich alle Teilnehmer*innen bei einem Live-Audio-Walk über Telegram an der frischen Luft einstimmen

6. Aufmerksamkeit halten II: kurz und knackig – digitale Snacks

Die Aufmerksamkeitsspanne ist digital deutlich kürzer als analog. Das sollte bei der Programmgestaltung berücksichtigt werden.

Lösung:

Es ist ratsam, Expert*innen-Talks und -Diskussionen sehr kurz und abwechslungsreich zu gestalten, beispielsweise durch 5-minütige Blitzvorträge und interaktive Feedback-Sessions. Die kurzen Clips eignen sich zusätzlich auch für die Ausspielung in Social Media.

 

Fazit:

Der digitale Raum tickt anders. Veranstaltungskonzepte müssen dementsprechend umgestellt werden. Doch schon die Berücksichtigung einiger zentraler Aspekte kann eine Veranstaltung auch im virtuellen Raum zu einem großen Erfolg machen – und Sie dabei von allen positiven Aspekten (z. B. dem Wegfallen von Anfahrtswegen und neuen Formen des Nachhaltens von Ergebnissen) profitieren lassen.

 


 

Möchten Sie mehr zu virtuellen und hybriden Veranstaltungskonzepten erfahren? Dann melden Sie sich bei uns via kontakt@kreativ-bund.de.

Credits

Text: Franziska Lindner

Fotos: Senne Hoekman / Pexels, Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Anstehende Veranstaltungen

  1. Schulterblick des Creative Labs #7 Kreislaufwirtschaft mit der Kreislaufwirtschaftsexpertin Eveline Lemke

    5. April, 16:00 - 21:00

Credits

Text: Franziska Lindner

Fotos: Senne Hoekman / Pexels, Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Wie trägt Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr Kreislaufwirtschaft bei?

Prinzipien aus der Natur abzuschauen hat schon viele Erfindungen hervorgebracht. Insbesondere Kreislaufsysteme der Natur sind Vorbilder für ein nachhaltigeres Leben. Die Umgestaltung unserer Wirtschaft zu einem kreislaufwirtschaftlichen System stellt jedoch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, die nur branchenübergreifend und ganzheitlich gelöst werden kann. Im Unterschied zum deutschen Begriff „Kreislaufwirtschaft“, der sich auf den Umgang mit Abfall fokussiert, ist der englische Begriff „Circular Economy“ (also „zirkuläres Wirtschaften“) bereits viel weiter gefasst und betrachtet das gesamte Produktsystem. Hier geht es um durchdachte Kreisläufe von Anfang an, die bereits beim Design von Produkten beginnt.

Innovative Ideen und praktische Ansätze für zirkuläres Wirtschaften finden sich schon seit Jahren in der Kultur- und Kreativwirtschaft, zum Beispiel in der Architektur, im Produkt- und Materialdesign, der Film- und Veranstaltungsindustrie sowie dem Modemarkt. Viele Beispiele werden Sie in diesem Magazinschwerpunkt kennenlernen können

In unserer Kurzreportage zur Kreislaufwirtschaft haben wir diesmal mit Architekt*innen Sandra Düsterhus (Point.Architektur) und Martin Haas (haascookzemmrich) über die Ansätze bei ihren Projekten in der Außen- und Innenarchitektur gesprochen und was der Fokus auf Kreislaufwirtschaft auch für die Gestaltung bedeutet.