Sprung

Unabhängig durch die Crowd

Was kann Kultur- und Kreativwirtschaft? Welche Schnittstellen gibt es zu anderen Branchen? Wie und wo machen die Akteure auf sich aufmerksam? Und mit welchen Mitteln bringen sie ihr Unternehmen auf den Weg? Damit wollen wir uns in den kommenden Monaten beschäftigen. Im zweiten Best-Practice-Beispiel geht es ums Thema "Crowdfunding" am Beispiel von Perspective Daily.

Maren Urner und Han Langeslag, Foto: Kilian Rullkötter

Gründer Maren Urner und Han Langeslag.

12.000. So viele Abonnenten brauchten die Gründer von Perspective Daily für den Start. 12.000 zahlende Leser und damit rund 500.000 Euro sollten über eine Crowdfunding-Kampagne eingeworben werden. Ein ehrgeiziges Ziel. Doch so überzeugt die Macher von Perspective Daily von ihrem Ansatz des Konstruktiven Journalismus sind, so überzeugt waren sie auch davon, dass die Schwarmfinanzierung gelingen würde.

Und gelingen musste, da für die 2015 als Kultur- und Kreativpiloten ausgezeichneten Gründer des Online-Magazins – Maren Urner, Han Langeslag und Bernhard Eickenberg – nur eine Finanzierungsform in Frage kam, bei der sie unabhängig von Investoren und Werbung bleiben konnten. „Um der Sache treu dienen zu können, gab es keine Alternative“, formuliert es Christine Knappheide, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit bei Perspective Daily. Das Crowdfunding starteten sie dann auch nicht auf einer der großen Plattformen, sondern auf ihrer eigenen Website und machten sich auf Werbetour durch ganz Deutschland. Auf 17 Veranstaltungen in unterschiedlichen Städten warben die Gründer, die mit einem EXIST-Gründerstipendium die ersten Schritte ihres Projekts planen konnten, für ihre Idee.

Maren Urner und Han Langeslag, Foto: Kilian Rullkötter

Gründer Maren Urner und Han Langeslag.

Um der Sache treu dienen zu können, gab es keine Alternative.

Christine Knappheide, Perspective Daily

Mit prominenter Unterstützung. So setzten sich unter anderem Moderator Klaas Heufer-Umlauf, Ex-Fußballer und ARD-Kommentator Mehmet Scholl und Schauspielerin Nora Tschirner für Perspective Daily ein. Die bekannten Gesichter machten während der Crowdfunding-Phase Werbung für das Projekt. „Das hat enorm geholfen“, sagt Christine Knappheide. „Allein, um mehr Öffentlichkeit zu erreichen.“ Dennoch verfehlten die Gründer im ersten Anlauf ihr Ziel von 12.000 Mitgliedern, die Kampagne musste verlängert werden.

Die Gründer und Nora Tschirner, Foto: Julia Hübner

Prominente Unterstützerin: Nora Tschirner.

Zu Nora Tschirner hat die Redaktion auch nach der Kampagne weiterhin Kontakt. „Ich glaube, dass dieses Projekt eine realistische und vielleicht die einzige Chance ist, das Ruder der Politikverdrossenheit herumzureißen“, sagt die Schauspielerin in einem Interview mit dem Online-Magazin. „Auf das Prinzip des Konstruktiven Journalismus zu stoßen, bei dem neurowissenschaftliche und psychologische Expertise gewinnbringend für eine bessere Welt eingesetzt werden soll, war für mich ein absoluter Lichtblick.“

In einer Zeit voller Herausforderungen – mit Klimawandel, wachsender Ungleichheit und zunehmender Ressourcenknappheit – will das Team von Perspective Daily nicht nur über die Probleme berichten, sondern stattdessen fragen: Wie können wir helfen, es besser zu machen? Also konkret Lösungen diskutieren. Konstruktiver Journalismus heißt die Strömung, für die sich unter anderem auch „Positive News“ in Großbritannien und „De Correpondent“ in den Niederlanden einsetzen. „Ich verstehe besser, wie komplex die Dinge sind, ohne darüber zu verzweifeln“, beschreibt ein Mitglied von Perspective Daily den ganz persönlichen Nutzen, den sie aus den Artikeln zieht.

Die Gründer und Nora Tschirner, Foto: Julia Hübner

Prominente Unterstützerin: Nora Tschirner.

14.000 Mitglieder finanzieren Perspective Daily mindestens ein Jahr lang.

Seit dem 21. Juni – dem Start von Perspective Daily – veröffentlicht das Team von Montag bis Freitag täglich einen Beitrag mit „Tiefgang“, wie sie selbst sagen – Artikel mit Hintergründen, um den Blick für Lösungsansätze zu öffnen. Texte, die die Crowdfunder des Online-Mediums überzeugen und auch neue Leser anziehen sollen. Denn bei den anfänglichen 12.000 sollte es natürlich nicht bleiben.

Das Team von Perspective Daily. Foto: Kilian Rullkötter

Gruppenfoto vor den Redaktionsräumen in Münster.

Rund 14.000 Mitglieder sind es inzwischen, die das Online-Magazin mindestens ein Jahr lang finanzieren.  Für 60 Euro erhalten sie Zugang zu allen Inhalten und dürfen im Diskussionsbereich mitreden. Das Feedback der Mitglieder und die weitere Unterstützung ist für Perspective Daily wichtig. Gut ein halbes Jahr nach dem Start konnte die Redaktion eine positive Bilanz ziehen. „Wir sind mit der Resonanz sehr zufrieden“, so Christine Knappheide. „Wir können mit unserer Idee begeistern und bekommen viel Lob.“

Das Team ist auf über 20 Leute angewachsen – von freiberuflichen Unterstützern, Mini-Jobbern und Werkstudenten bis zum fest angestellten Redakteur und Webdesigner. In den Redaktionsräumen in einem Münsteraner Gewerbegebiet treffen Neurowissenschaftler auf Juristen, Physiker, Germanisten und Islamwissenschaftler. „Wir suchen Autoren, die fachlich interessiert sind, die Fakten richtig einordnen, Quellen und Statistiken richtig lesen und analysieren können“, sagt Christine Knappheide. Es gibt keine Ressorts bei Perspective Daily, entscheidend sind allein die Themen. Und da hat sich die Redaktion bislang keine Grenzen gesetzt. „Wir möchten uns so breit wie möglich aufstellen und keinen Spartenjournalismus betreiben.“

Und eine Sparte eines anderen Mediums will das Online-Magazin auch nicht werden. Unabhängig zu bleiben, ist das Ziel von Perspective Daily. Deshalb hofft das Team, dass die Mitglieder ihnen nach dem ersten Jahr die Treue halten und ihre Mitgliedschaft verlängern.

Das Team von Perspective Daily. Foto: Kilian Rullkötter

Gruppenfoto vor den Redaktionsräumen in Münster.

Gründer mit Katrin Göring-Eckardt, Foto: Frederike Kalz

Perspective Daily auf Werbetour.

Laut Crowdfunding Barometer des Informationsportals crowdfunding.de ist die Bekanntheit der Schwarmfinanzierung 2016 gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen. Knapp zwei Drittel (65,1 Prozent) der Befragten hat schon von Crowdfunding gehört. 2015 lag der Wert bei knapp über der Hälfte der Befragten (51,8 Prozent).

Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 9,7 Mio. Euro auf deutschen Plattformen durch Crowdfunding eingesammelt, so der Crowdfinanzierungs-Monitor von fuer-gruender.de. Gegenüber 2015 entspricht dies einem geringfügigen Rückgang von fast einem Prozent (9,8 Mio. Euro). Die Anzahl der erfolgreich finanzierten Projekte fiel um mehr als 4 Prozent auf 1.158 (2015: 1.213).

Gründer mit Katrin Göring-Eckardt, Foto: Frederike Kalz

Perspective Daily auf Werbetour.

Mehr Informationen:

InfoKreativ – Finanzierung, Crowdfunding & Co
Finanzierungsmöglichkeiten für Kreative und Kulturschaffende

www.bundesverband-crowdfunding.de
Interessensvertretung und Netzwerk der gewerblichen Crowdfunding-Plattformen in Deutschland

www.crowdfunding.de
Informationsportal zum Crowdfunding

www.crowdfunding-berlin.com
Überblicks-Plattform für Crowdfunding in Berlin

Was war noch mal… Crowdfunding?
Kolumne brandeins 12/2016

Ansprechpartner zum Thema „Gründung und Wachstum“:
Transfermanager Henning Berthold
berthold
@kreativ-bund.de
T 030 – 2088891-20

Credits

Text: Bianca Loschinsky, Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Fotos: Martin Mall, Kilian Rullkötter, Frederike Kalz, Julia Hübner

Anstehende Veranstaltungen

  1. Schulterblick des Creative Labs #7 Kreislaufwirtschaft mit der Kreislaufwirtschaftsexpertin Eveline Lemke

    5. April, 16:00 - 21:00

Credits

Text: Bianca Loschinsky, Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Fotos: Martin Mall, Kilian Rullkötter, Frederike Kalz, Julia Hübner

Wie trägt Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr Kreislaufwirtschaft bei?

Prinzipien aus der Natur abzuschauen hat schon viele Erfindungen hervorgebracht. Insbesondere Kreislaufsysteme der Natur sind Vorbilder für ein nachhaltigeres Leben. Die Umgestaltung unserer Wirtschaft zu einem kreislaufwirtschaftlichen System stellt jedoch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, die nur branchenübergreifend und ganzheitlich gelöst werden kann. Im Unterschied zum deutschen Begriff „Kreislaufwirtschaft“, der sich auf den Umgang mit Abfall fokussiert, ist der englische Begriff „Circular Economy“ (also „zirkuläres Wirtschaften“) bereits viel weiter gefasst und betrachtet das gesamte Produktsystem. Hier geht es um durchdachte Kreisläufe von Anfang an, die bereits beim Design von Produkten beginnt.

Innovative Ideen und praktische Ansätze für zirkuläres Wirtschaften finden sich schon seit Jahren in der Kultur- und Kreativwirtschaft, zum Beispiel in der Architektur, im Produkt- und Materialdesign, der Film- und Veranstaltungsindustrie sowie dem Modemarkt. Viele Beispiele werden Sie in diesem Magazinschwerpunkt kennenlernen können

In unserer Kurzreportage zur Kreislaufwirtschaft haben wir diesmal mit Architekt*innen Sandra Düsterhus (Point.Architektur) und Martin Haas (haascookzemmrich) über die Ansätze bei ihren Projekten in der Außen- und Innenarchitektur gesprochen und was der Fokus auf Kreislaufwirtschaft auch für die Gestaltung bedeutet.