JULIA KÖHN Zeit und Aufmerksamkeit als Währung?
FREDERIK G. PFERDT Genau. Die wichtigste Ressource, die Organisationen haben, ist ja nicht Geld, sondern die wichtigste Ressource ist die menschliche Kapazität und die menschliche Zeit, verbunden mit der Leidenschaft, einen positiven Beitrag in der Welt zu leisten. Denn jede*r will ja an den Projekten arbeiten, die den grössten “Impact” haben und auch am meisten bewegen können. Und genau das in einer Organisation zu ermöglichen, lässt einen Marktplatz der besten Ideen entstehen. Ein interessantes Projekt – Projekt Duplex –, das bei Google I/O vorgestellt wurde, ist eine Künstliche Intelligenz, die bei realen Aufgaben am Telefon Unterstützung bieten kann, z. B. einen Anruf tätigen und dann mit Unterstützung des Google-Assistenten im Restaurant oder Frisörsalon einen Termin buchen. Es war ein Leidenschaftsprojekt von einem kleinen Team von Ingenieuren, die ihre 20-Prozent-Zeit investiert haben, das zu entwickeln und voranzutreiben. Jetzt ist es inzwischen für viele Nutzer in der Welt verfügbar.
JULIA KÖHN Was sollte Innovation wert sein?
FREDERIK G. PFERDT Wir müssen in allen Bereichen innovativer denken, egal ob in Bezug auf Mobilität, Klimaschutz, Gleichberechtigung oder Inklusion. Und das muss uns alles wert sein, weil wir nur so Fortschritt machen können. Ich glaube es ist nur teilweise richtig, dass Innovation erstmal Geld kostet. Es kostet vor allem auch Mut, zu sagen: Ich probiere mal was Neues. Während es Start Ups beispielsweise meist gar nicht erwarten können, dass der Markt auf ihr neues Produkt reagiert, hoffen große oder tradierte Unternehmen häufig, dass sich nichts verändert – um sich nicht gegebenenfalls selbst neu erfinden zu müssen.
JULIA KÖHN Was braucht Innovation also?
FREDERIK G. PFERDT Ich glaube, die innere Einstellung ist entscheidend: eine gesunde Leidenschaft fürs Neue. Die Expertise aus der Vergangenheit zu nutzen, aber nicht aus den Augen zu verlieren, immer wieder den Status Quo zu hinterfragen: Das muss man einfach verinnerlichen. Sicherlich, Zukunft birgt für viele Angst, aber durch diese Mehrdeutigkeit mit einer Portion Optimismus zu navigieren ist, glaube ich, sehr, sehr wichtig. Weg von „lassen Sie uns das Existierende bewahren, das wir heute haben“, hin zu „lassen Sie uns die Zukunft aktiv gestalten“: Und das können wir eben nur gemeinsam tun. Dieses „Gemeinsam“ muss wieder ein zentraler Faktor werden. Dazu braucht es Offenheit abseits von Konkurrenzdenken. Ein paar Unternehmen zeigen den Weg nach vorne, indem sie Patente offenlegen oder Einblicke geben, wie sie Dinge entwickeln. Dieses Umdenken definiert auch mein Konzept eines Future Ready Mindset. Die Zukunftskompetenz Nummer 1 ist dabei Empathie, weil Perspektivwechsel zu neuen Ideen inspirieren. Diese Fähigkeit, die in Vergangenheit ein bisschen vernachlässigt wurde, sollten wir entfalten. Eine Mixtur zwischen Empathie und Experiment hilft uns sicherlich, mehr Innovation zu schaffen und auch bessere Innovation zu schaffen.
JULIA KÖHN Vielen Dank für unser Gespräch.