Es ist eine Vorstellungsrunde der besonderen Art. „Ich werde heute Abend vielleicht eine Firma gründen.“ – „Ich hab‘ am Nachmittag bei mir zu Hause einen Kindergeburtstag mit 15 kleinen Kindern.“ – „Ich hab‘ vor drei Wochen geheiratet.“ „Meine Freundin ist schwanger.“ „Ich plane eine Gipfelbesteigung in den Bergen.“ – „Ich möchte eine eigene Sitcom auf die Bühne oder auf die Leinwand bringen.“ – „Ich bekomme übermorgen ein neues Hüftgelenk.“ Gut zwei Dutzend Teilnehmer*innen des vom Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes ausgerichteten Barcamp Xperiment! berichten, sozusagen als verbales Händeschütteln, über die spannendsten, gewagtesten, aufreibendsten und lustvollsten Experimente, die sie derzeit vor sich haben.
Eine bessere Einstimmung auf das Thema des eintägigen offenen Workshops hätte es kaum geben können. Das Barcamp, eine Veranstaltung im Rahmen des Projekts „Reframing Innovation“, hatte „Innovation als Experiment“ als inhaltlichen Dreh- und Angelpunkt gewählt: „Wie kann man ergebnisoffen an Innovationsvorhaben herangehen und dafür möglicherweise auch noch Menschen oder Institutionen finden, die das finanziell fördern?“, bereitete Moderator Christoph Brosis zu Beginn das Spielfeld. Gesucht waren neue Experimentstrukturen, die ergebnisoffene Innovationsvorhaben ermöglichen – gerade für Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft ein eminent wichtiges Thema. „Reframing Innovation“ definiert ja nicht – wie es das klassische Muster vorgibt – den Prototypen oder das marktfähige Produkt, sondern den Weg zur Innovation als Ziel. „Eine Gratwanderung“, gestand Johannes Tomm. „Wo können wir ergebnisoffen sein und wo nicht? Wo muss man doch wieder auf Kriterien zurückgreifen, wo muss man Erwartungshaltungen seiner Geldgeber*innen erfüllen?“
Die Geldgeber*innen – ein zentrales Stichwort, wenn es um ergebnisoffene, freie, experimentelle Innovation geht. In der deutschen Förderlandschaft finden derartige Projekte bislang kaum Berücksichtigung; Sie gelten als chancenlos. „Wenn ein Projekt finanziert werden soll, muss im Antrag eigentlich schon formuliert werden, was das Ergebnis sein soll“, resümierte Felix Haas, Projektkoordinator von „Reframing Innovation“. Ein Paradoxon, denn das Freie, Neue, Disruptive ist ja eben deshalb innovativ, weil es bis dato nicht gedacht, nicht existent ist. Wie müsste also die Architektur einer Förderlogik aussehen, wenn wir ergebnisoffene Innovation nach vorn bringen wollen? Nach welchen Kriterien soll entschieden werden, wer Geld bekommt und wer nicht? Wie bewertet man ein solches Innovationsprojekt am Schluss? Schaut man sich nur den Weg an, das Experiment – oder vielleicht doch das physische Resultat? Gibt es Best-Practice-Beispiele? Und wie könnten die Finanzier*innen – ganz unabhängig von finanzieller Unterstützung – sonst noch den Boden für experimentelle Innovation bereiten?