
Während des Medienworkshops
In den Medienworkshops des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes lassen wir klassische und neue Medienmacher*innen ebenso wie Unternehmer*innen anderer Branchen zu Wort kommen und versuchen in Barcamps und Mini-Workshops neue Ideen zu entwickeln, die sich mit der Frage beschäftigen: Was kommt nach dem Content? Egal, ob wir uns dabei wie 2017 mit medialen Filterblasen beschäftigt oder 2018 die Digitalisierung der Medienlandschaft in den Fokus genommen haben, im Mittelpunkt steht dabei stets die Beziehung von Medien und den Rezipient*innen. So auch 2019: In einem dreistündigen Workshop haben wir mit zehn Journalist*innen, Medienexpert*innen und -macher*innen Medienformate entwickelt, die den (semi-)öffentlichen Austausch fördern. Dabei entstand der Prototyp eines multiperspektivisches Sprachnachrichtenformats, den wir nur wenige Wochen später auf der Internationalen Fachkonferenz der Kultur- und Kreativwirtschaft 2019 testeten.
Einmal im Jahr bietet die Internationale Fachkonferenz die Möglichkeit, im Kreis von rund 200 Expert*innen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft die aktuellsten Trends und Perspektiven der Creative Economies zu diskutieren, gemeinsam weiterzuentwickeln und den Blick auf die Zukunft zu richten: Die Internationale Fachkonferenz 2019 eröffnete eine interdisziplinäre Diskussions-Plattform für die neuen Narrative, methodischen Zugänge und spezifischen Strategien der Kultur- und Kreativwirtschaft.
Am Nachmittag fanden fünf Workshops zu den Themen Kultur- und Kreativwirtschaft (KKW) als Wachstumsbranche, KKW als Innovationstreiberin, Mittelstand im Kontext der KKW, KKW als Zukunftsbranche und KKW im globalen Kontext statt.
Ausgewählte Gedanken und Ergebnisse zur diesen Themen wurden im ersten Prototypen des entwickelten Sprachnachrichtenformats ausgespielt. Das Angebot richtete sich ausschließlich an Teilnehmer*innen der Fachkonferenz. Ziel war es:
Im zweiten Teil dieses Beitrags werden wir das Protokoll der Nachrichten wiedergeben. Die unterschiedlichen Elemente werden folgendermaßen dargestellt:
Herzlich Willkommen zu unserem Testlauf für ein Medienformat der Zukunft!
Zusammen wollen wir ausprobieren, wie zukünftig der Diskurs auch bei komplexeren Themen gefördert werden kann. In den nächsten Tagen erhältst du Nachrichten zu verschiedenen Aspekten, die bei der Internationalen Fachkonferenz „Die zukünftige Relevanz der Creative Economies – Bekannte und neue Narrative“ besprochen wurden. Damit du unsere Nachrichten ganz sicher erhältst, ist es wichtig, dass du unsere Nummer abspeicherst! Wir sind gespannt, wie gut es funktioniert, und freuen uns auf den Austausch!
Liebe Grüße
Das Team des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes
Na, eine gute Mittagspause gehabt? Bevor du die To Do Liste wieder in die Hand nimmst, lass uns mal gemeinsam die Perspektive wechseln. Den Anfang macht das Thema WACHSTUM.
Reden wir über Wachstum.
Lena Marbacher: „Mein Name ist Lena Marbacher. Ich gestalte eine lebensdienliche Wirtschaft, und das tue ich einerseits im Kontext des Magazins „Neue Narrative“, das ist ein Magazin für neues Arbeiten, und in der Organisationsentwicklung „The Dive“.“
Vielleicht kommt’s ja einfach drauf an, wie man Wachstum definiert…
LM: „In der Startupszene, wie wir sie heute kennen, geht’s ja vor allem in der Regel darum, dass du mit einer Idee kommst, du suchst Investoren und Investorinnen für diese Idee, skalierst diese Idee möglichst und verkaufst sie dann für viel Geld. Also das Paradigma, dem du hinterherläufst, ist vor allem Profitstreben. Also Wachstum im Sinne des Profits, Skalierung im Sinne von Größe. Wie können wir diesen Organisationen und Unternehmern und Unternehmerinnen eigentlich von Anfang an mit an die Hand geben, dass es von Punkt 1 an eine Verantwortung zu übernehmen gibt im Sinne der sozialen und auch der ökologischen Bedingungen, in denen wir alle leben und leben wollen und das auch möglichst lange.“
… ja und wie kann das aussehen?
Auf welche Werte wird (neben der ökonomischen Dimension) in eurem Unternehmen besonders Wert gelegt? Wir sammeln!
[Pause]
Teilnehmer: „Wachstum ist mehr als immer nur höher springen.“
Das ist Otto. Selbst Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft. Aber was ist gutes Wachstum denn dann?
Till Hasbach:“Wenn wir über Wachstum sprechen, dann brauchen wir Bilder, die uns berühren.“
Till Hasbach denkt sich solche Bilder aus.
TH: „Ich arbeite im Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes und erzeuge hier Schnittstellen zwischen der Politik, der Kreativwirtschaft und wir erzeugen neue Formate für Wertschöpfung und Wirkung.“
Till sagt: Der Tacho im Auto – oder gleich das ganze Armaturenbrett – das sind Bilder, die dabei helfen, sich gutes Wachstum vorzustellen.
TH: „Das Problem ist, dass häufig nur auf die Geschwindigkeitsanzeige geguckt wird. Wie schnell fahren wir, fahren wir 120, fahren wir 150? Schaffen wir es, auch Autos zu bauen, die 200 fahren? Der Tacho zeigt uns mehr als das. Er zeigt uns auch, wie viel Öl wir gerade haben, können wir überhaupt 200 fahren? Reicht das Drehmoment, geht das Auto vielleicht kaputt, wenn wir zu schnell fahren? Er hat auch eine Warnblinkanlage!
Wie soll in Zukunft eine lebenswerte Welt aussehen und was kann Wachstum dazu letztendlich darstellen? Ja, der Tacho als multidimensionales Instrument ist ein Bild, das uns helfen kann, darüber besser nachzudenken und zu reden.“
Wann wart ihr zuletzt wirklich innovativ? Wir haben ein paar Ideen, was Innovationsprozesse brauchen – aus einer speziellen Perspektive.
Gesa Birnkraut: „Mein Name ist Gesa Birnkraut, ich bin Professorin an der Hochschule Osnabrück für strategisches Management in Non-Profit-Organisationen und habe in meiner anderen Hälfte eine Unternehmensberatung, die sich auf den Kultur- und Kreativwirtschaftsbereich fokussiert.“
Wenn wir in diesem Bereich, der Kultur- und Kreativwirtschaft, über Innovationen reden – was ist da die Rolle der öffentlichen Einrichtungen und Verwaltung? Geld ist natürlich wichtig, aber wie können Innovationsprojekte noch gefördert werden? Drei Thesen von Gesa Birnkraut.
GB: „Die erste These ist: Der Staat sollte Scheitern belohnen. Erfolge sind nicht das einzige Maß der Dinge, sondern Scheitern und Fehler können sehr erfolgversprechend sein.
Die zweite These ist: Innovation ergebnisoffen fördern, wobei sich da natürlich immer die Frage stellt, was Ergebnisoffenheit eigentlich bedeutet.
Und als dritte These geht es darum, dass Innovationsprozesse begleitet werden sollten durch Mentoring, aber vielleicht auch durch Evaluation.“
Hat Gesa Birnkraut recht? Oder haben euch ganz andere Dinge dabei geholfen, innovativ zu sein? Schreibt uns, was eurer Ansicht für Innovationsprozesse getan werden sollte!
Hallo Kultur- und Kreativwirtschaft, hallo Mittelstand! Heute versuchen wir mal, euch zwei zusammenzubringen.
Teilnehmerin: „Was sind Eigenheiten der Kultur- und Kreativwirtschaft und wie verhalten die sich im Vergleich zu traditionelleren Feldern?“
Ja, und zwar speziell zu kleinen und mittelständischen Unternehmen, also KMU.
Teilnehmerin: „Ich habe erkannt, dass es zwischen KMU und Kreativwirtschaft tatsächlich viele Parallelen gibt und man wirklich versuchen muss, dass die beiden zusammen an einen Tisch kommen und miteinander arbeiten und so Synergien zu schaffen.“
Genau das hat Jonas gemacht.
Jonas Lindemann: „Mein Name ist Jonas Lindemann. Ich bin Mitgründer und Geschäftsführer von Hafven, einer Innovation Community in Hannover.“
Beide Seiten, also Mittelstand und Kreativwirtschaft zusammenzubringen, das macht die Arbeit dort für Jonas spannend.
JL:“Was sehr interessant war, war, dass viele Teilnehmer dem Mittelstand Attribute zuschreiben, die durchaus übereinstimmen mit Themen, die auch die Kultur- und Kreativwirtschaft umtreiben. Da sind viele Sachen, die mit Genauigkeit, mit Qualität verbunden sind, wo es große Schnittmengen zu geben scheint. Und das könnte eine Möglichkeit sein, wie man mehr gemeinsam machen kann in Zukunft.“
Habt ihr schon an dieser Schnittstelle gearbeitet? Wenn ja, was war es für ein Projekt? Welche Erfahrungen habt ihr dabei gemacht?
Einer Herausforderung begegnen wir immer wieder, sobald wir die Kultur- und Kreativwirtschaftsblase verlassen:
Wie erklären wir eigentlich Leuten, die nicht drinstecken, was die Kultur- und Kreativwirtschaft ist? Sylvia macht das so ziemlich jeden Tag.
Sylvia Hustedt: „Hallo, mein Name ist Sylvia Hustedt. Ich bin die Projektleiterin des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes und unsere Aufgabe ist, den Potenzialen der Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen und mehr Bewusstsein für diese Potenziale zu schaffen.“
Und was ist jetzt das Spezifische der Kultur- und Kreativwirtschaft?
SH: „Die Antwort, die ich geben muss, ist vielfach: Die Kultur- und Kreativwirtschaft zeichnet sich durch „nichttechnische Innovation“ aus. Und dann wird’s schwierig, weil wir anfangen, einen Begriff über das zu erklären, was es nicht ist. Und das kann es nicht sein. Ich kann auch keine wirklich guten Förder- und Unterstützungsstrukturen auf etwas aufbauen, was es nicht ist. Sondern nur wenn ich weiß, was es ist. Das heißt, es ist ganz, ganz wichtig, über Begriffe zu reden, Begriffe zu hinterfragen, mit neuen Inhalten aufzuladen oder im Idealfall: neue Begriffe zu erfinden.“
Wie erklärt ihr Kultur- und Kreativwirtschaft? Habt ihr Ideen für Begriffe, die alle verstehen?
[Pause]
Hello again! Also was sind denn jetzt gute Begriffe, um nichttechnische Innovation zu erklären – und zwar einfach verständlich? Danke für eure Ideen! Hier noch ein paar mehr.
Teilnehmer: „Kulturelle Innovation, Transformation als Begriff und „human centered innovation“, aber alle diese Begrifflichkeiten haben wiederum Probleme in der Vermittlung, weil sie für Innenstehende deutlich sind, aber für Außenstehende trotzdem Unklarheiten bringen. Was wir überlegt haben war, dem statischen Branchenverständnis von Kultur- und Kreativwirtschaft Kreativität als funktionale Betrachtungsweise entgegenzusetzen. Nicht als Branche zu denken, sondern Kreativität, also: professionelle Kreativität, eher wie einen positiven Virus zu interpretieren, der gesamtgesellschaftlich seine Wirkung entfaltet und der Gesellschaft guttut. Damit würde man niemanden ausschließen, denn kreativ sind auch Menschen, die in anderen Branchen arbeiten. Es gibt einen Begriff, den ich sehr wichtig fand, das ist der des qualitativen Wachstums. Der bezeichnet, wenn man so will, einen Gegenbegriff zum klassischen Begriff der Innovation und zeigt einerseits, dass es eine Art von Weiterentwicklung gibt – eben ein Wachstum. Und zeigt andererseits aber auch, was für eine Art von Weiterentwicklung da stattfindet, nämlich eine der Qualität. Und das könnt eben ein Gegen- oder Komplementärbegriff sein zum Begriff der wirtschaftlichen Innovation. Und das scheint mir einer der wichtigeren Begriffe zu sein, den man auch sehr gut verwenden kann, um Leuten, die nicht direkt aus der Kreativwirtschaft kommen, mit einem realtiv sexy Begriff klarzumachen, worum’s eigentlich geht: qualitative Innovation oder qualitatives Wachstum.“
Heute, am letzten Tag unseres Testlaufs, denken wir mal groß!
Die KKW wird immer globaler. Wir haben Erfolg weit über Ländergrenzen hinweg. Aber worum sollten wir uns zuerst kümmern: Um Europa – oder gleich die ganze Welt?
Sylvia Amann: „Ich glaube, dass man das rein aus europäischer Perspektive nicht kann. Mein Name ist Sylvia Amann und ich bin hauptsächlich Kulturpolitikberaterin auf EU-Ebene und immer mehr international. Ich finde die Frage spannend, wie wir gemeinsame globale Kooperationsformate gemeinsam mit internationalen Partnern entwickeln. Die Welt besteht nicht nur aus Europa – was heißt das für meine Arbeit?“
Habt ihr Erfahrung mit dem außereuropäischen Ausland? Oder ist euch Europa genug?
SA: „Wenn ich Europa und den globalen Kontext höre, finde ich es immer zwiespältig. Denn oft hat sich bewährt, dass gewisser Aktivismus oder gewisse Bewegungen sich eher aus dem Kleinen ins Größere verlagern, ins Globale verlagern – und oft nicht andersherum.“
Wie macht ihr das? Konzentriert ihr euch eher auf Europa – oder habt ihr gleich die ganze Welt im Kopf?
[Pause]
Jetzt mal Klartext: Egal ob europäisch oder global – wie geht denn gutes internationales Arbeiten?
Teilnehmer: „Wenn ich Europa beim Wort nehme, dann ist für mich immer ganz vorne dieses „United in Diversity“. Was im Endeffekt die Möglichkeit gibt, die Unterscheidungen wahrzunehmen, zu respektieren und zu nutzen – und die Gemeinsamkeiten herauszusuchen. Weil natürlich in unterschiedlichen Kulturkreisen mit unterschiedlicher Problemstellung Menschen auch ganz unterschiedlich da rangehen, diese Probleme zu lösen. Und das finde ich interessant. Denn Kontext macht halt eine Menge aus.
Insofern heißt das europäische Denken fast identisch wie das globale Denken, dass man so zu sagen das, was irgendwo anders passiert, vielleicht sich erst mal anguckt, ohne dass man sofort losrennt und seine Theorien verbreitet. Und manchmal ist das, wenn man seine Klappe hält vielleicht ganz interessant, dass man auf einmal aus einer Perspektive oder aus einem Stand oder aus einem Land oder von Menschen, wo man vorher gar nicht geglaubt hat, dass man dort neue Erkenntnisse gewinnt, wenn man sich das einfach mal anhört. Und das einen so ein bisschen aus der eigenen comfort zone rausholt und sagt ganz einfach: Oh, interessante Herangehensweise!“
Her mit euren Best Practices! Was habt ihr aus anderen Kulturkreisen gelernt und wie von weltweiter Zusammenarbeit profitiert?
[Pause]
Das wars! Das war unser Testlauf eines Medienformats für die Zukunft.
Danke an alle, die mitgemacht, zugehört und geantwortet haben. Ein besonders großes Dankeschön geht an dieser Stelle außerdem an Sham Jaff und Konrad Spremberg für die fantastische Unterstützung bei diesem Projekt!
Text: Katja Armbruckner, Wiebke Müller und Konrad Spremberg
Fotos: William Veder, Bearbeitung: Sham Jaff