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Deutschland gilt im Ausland in wirtschaftlicher Hinsicht als Garant für hohe Qualität, außergewöhnliche Ingenieursleistung und Zuverlässigkeit. Laut einer GIZ Studie von 2015 wünschte man sich aber „mehr Mut, beispielsweise zu Innovationen.“ Dieses Bild kann sich mit der Kultur- und Kreativwirtschaft ändern, die für Vielfältigkeit, Mut zu Neuem und ungewöhnliche Ideen steht.

Zum Workshop „Die Zukunft ist grenzenlos“ trafen sich Vertreterinnen und Vertreter unter anderem des Goethe Instituts, des Markterschließungs-programms des Bundeswirtschaftsministeriums, des Institut Francais und der Brasilianischen Botschaft, um gemeinsam mit Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft über zukünftige Wege der Internationalisierung dieser Branche zu diskutieren. Passend zum Thema fand der Workshop an Bord der Philippa, einem Berliner Dampfer, statt, der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer quer durch Berlin immer in Bewegung hielt und so zu jederzeit für den Perspektivwechsel sorgte.

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„Wie kann etwas, das frei und innovativ sein soll, solchen Restriktionen unterliegen?“ – Yasha Young, Gründerin und Leiterin des URBAN NATION Museum for Urban Contemporary Art in Berlin

Und der wurde auch gefordert. „Wie kann etwas, das frei und innovativ sein soll, solchen Restriktionen unterliegen?“, fragte Yasha Young, Gründerin und Leiterin des URBAN NATION Museum for Urban Contemporary Art in Berlin. Ihr Impuls ist ein Plädoyer ans Machen und Vernetzen. In ihrem Vortrag wird schnell klar, dass man im Ausland nur dann Erfolg hat, wenn man die Dinge selbst und aktiv vorantreibt und sich permanent vernetzt – mit den richtigen Leuten – den richtigen Leuten für die eigene Sache. Und damit spricht sie auch gleich ein zentrales Thema an, das die Teilnehmer während des gesamten Workshops begleiten wird: Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist so kleinteilig und vielfältig, dass ein allgemeiner Zugang über die traditionellen Internationalisierungs-instrumente kaum die unterschiedlichen Bedarfe deckt.

Entsprechend wird schon in der Vorstellungsrunde klar, den Akteuren der Branche geht es um Marktzugänge, Flexibilisierung bestehender Strukturen und Vereinfachung von bürokratischen Hürden, während die Vertreterinnen und Vertreter öffentlicher Angebote und Institutionen gezielt Impulse bei den Unternehmerinnen und Unternehmern suchen, um die laufenden Programme auf ihre Aktualität zu prüfen und neue Ideen und Ansätze zu sammeln. „Für mich geht es dabei um die Frage, wo konzentriere ich die Ressourcen? Bei den Teilbranchen oder den Regionen“, beschreibt Dirk Metzger vom Kultur- und Kreativwirtschaftsbüro Karlsruhe K3, sein Interesse am Workshop. Und Susanne Schmitt Leiterin des Creative Europe Desk Berlin-Brandenburg bekräftigt: „Es gibt viele cross-sektorale Angebote, z. B. bei den Technologieprogrammen, die zum Teil auch für Kultur- und Kreativwirtschaft passen. Aber für die Branche speziell gibt es eben noch zu wenig.“

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Von Hemmnissen, der Eigenpräsentation und Marktzugängen

Wie funktioniert die Markterschließung aber generell? Beim cross-cultural Entrepreneurship geht es zunächst gar nicht so sehr darum, seinen fertigen Business Plan im Gepäck zu haben, um zu zeigen wer man ist und was man kann. Es geht darum, sich erstmal ein sehr gutes Bild davon zu machen, wer sein Gegenüber ist, weiß Florian Ritter zu berichten, der sich 2012 mit der Werbeagentur Prismo in China niedergelassen hat. „In Deutschland muss alles immer Sinn machen und dann merkt man, dass es in anderen Ländern nicht immer Sinn machen muss, sondern, dass die Person an sich zählt“, fasst er seine Erfahrung kurz und prägnant zusammen. Das kann im Zweifelsfall Zeit kosten und macht wiederum vor allem die längerfristige Etablierung auf dem internationalen Parkett für Solounternehmer schwierig. Die Kapazitäten und Ressourcen reichen eventuell nur für den Erstkontakt und einmalig Austausch, beschreibt Christoph Daniel Jia, der Geschäftsführer der Linya International Strategic Foresight, die Situation. „Ein Pool von Kreativen wäre gut, in dem man sich schnell austauschen, ergänzen und abwechseln kann, um Kollaborationen möglich zu machen. Hierfür fehlen zum Teil noch die Konzepte“, so Jia.

 

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In den zwei Arbeitsgruppen wird schnell klar, Programme und Angebote zur Unterstützung von Auslandsaktivitäten der Deutschen Wirtschaft gibt es bereits viele: Shadow-Working, Seed-Funding, klassische Exportförderung, Innovationsprogramme im In- und Ausland, Unternehmerreisen in kleinen Gruppen, Messen und Messeförderung. Alles Maßnahmen, die aber zum allergrößten Teil nicht zugeschnitten sind auf die Kultur- und Kreativwirtschaft oder eben nicht langfristig etabliert.
Dazu kommt das Thema Eigenverantwortung der Akteure. „Ein Unternehmer sollte sich zunächst fragen, ob er überhaupt so weit ist, international tätig zu werden“, meint Thomas Gardeia, Gründer von ehrensache D/V GmbH & Co. KG. Mit seinem Unternehmen ist er seit sieben Jahren international tätig, vertreibt die Marke Bag to Life und hat verschiedene Produkte auf den Markt gebracht. Die größten Herausforderungen der Internationalisierung sind für ihn die personellen Kapazitäten und die finanziellen Mittel, die stimmen müssen. „Die Produkte passen oft nicht in die vorgefertigten Zollbestimmungen und rechtlichen Regularien. Das bedeutet eine Menge bürokratischen Aufwand“, beschreibt er seine Erfahrungen mit dem Upcycling-Produkt Bag to Life. „Und wenn man es auf den internationalen Markt geschafft hat, ist es wichtig vor Ort die richtigen Repräsentanten zu finden, die das Produkt vertreten.“ Die Markenstrategie, die in Deutschland funktioniert, kann im Ausland vollkommen unpassend sein.

Jonas Lindemann, Mit-Gründer des Co-Workings-Spaces Hafven in Hannover, betrachtet das Thema aus einer anderen Perspektive: „Warum sprechen wir über neue Wege des Marktzugangs, wenn der Zugang eigentlich schon da ist?“ Auf der ganzen Welt gibt es Co-Working Spaces, die internationale Community wächst. Neue Technologien verändern die Produktions- & Vertriebswege. „Der Vorteil ist, dass man in den Co-Working Spaces auf Gleichgesinnte trifft, mit denen man sich konkret zu den eigenen Fragestellungen auseinandersetzen kann“, beschreibt Lindemann seine Erfahrungen. „Außerdem können sich durch das internationale Klientel auch viele neue Optionen eröffnen.“ Statt weitere Förderprogramme wünscht sich Lindemann mehr Vereinfachungen und Flexibiltät bei den Rahmenbedingungen: „Handelsbeschränkungen abbauen und Visabestimmungen vereinfachen, damit der Austausch auch in alle Richtungen funktionieren kann.“

 

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Nachhaltige One-on-One Programme

Das Markterschließungsprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie bietet bereits einiges von dem, was sich die Unternehmer an Bord der Philippa wünschen. „Wir richten pro Jahr rund 90 Programme aus, die sich allerdings vor allem an den deutschen Mittelstand richten und Zukunftsthemen aufgreifen“, beschreibt Kerstin Tilz, verantwortlich für Projekte beim MEP, das Programm. Zu den kombinierbaren Modulen gehören eintägige Informations-veranstaltungen, Markterkundungsreisen zur Sondierung von neuen Märkten, Leistungspräsentationen des Unternehmens und Geschäftsanbahnungsreisen, das „match making“ vor Ort. „Dieses Jahr haben wir aber zum ersten Mal auch fünf Angebote, die sich gezielt an die Kultur- und Kreativwirtschaft wenden“, betont Tilz.

Auch der Creative Europe Desk bietet cross-sektorale Angebote und zahlreiche Netzwerke vornehmlich für die audiovisuelle Branche an. „Wir schaffen vielfältige Gelegenheiten für den Austausch und ermöglichen so neue Kollaborationen“, betont Susanne Schmitt, Leiterin des Creative Europe Desk Berlin-Brandenburg.

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Die bestehenden Instrumente sichtbarer machen, ist ein konkreter Handlungsansatz. Mehr Best-Practice Beispiele zugänglich machen, Wissensnetzwerke etablieren, ein Hub für Internationalisierungswillige aufbauen und eine digitale Weltkarte mit Anlaufstellen und Datenbanken mit Informationsmaterial sind weitere konkrete Vorschläge aus dem Workshop. Daneben besteht der Wunsch, dass sich öffentliche Einrichtungen und Verbände noch mehr darum kümmern, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu vereinfachen. Immer wieder kommt die Gruppe auf den Punkt, dass in den unterstützenden Organisationen Personen agieren müssen, die mit den Spezifika und Strukturen der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland aber auch im Zielland vertraut sein müssen, und dass die Internationalisierung der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht mit den gleichen Ansätzen und Maßnahmen befördert werden kann wie beispielsweise eine völlig anders strukturierte Automobilindustrie. Es braucht in den Strukturen Mittler die als Schnittstelle und Übersetzter erfolgreich zwischen den Welten agieren können. International könnten bei der Markterschließung und der Sichtbarkeit also Konzepte wie Scouts, Kultur- und Kreativ-Agenten oder Mittler vor Ort helfen, die in beide Richtungen wirken und vor Ort gut vernetzt sind.

Deutlich wird, dass die Akteure es für wichtig erachten, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft wahrgenommen werden kann, damit ihre Stärken und Besonderheiten zum Branding für die deutsche Kultur- und Kreativwirtschaft und Deutschland generell werden können. Hierfür braucht es eine bessere Einbindung der Kultur- und Kreativwirtschaft in internationale „Leistungsshows“ Deutschlands und in die Kommunikation über die deutsche Wirtschaft sowie eine größere nationale und internationale Anerkennung der Branche als Kernbranche der Zukunft. Und was kann sofort getan werden? „Kontakte aufbauen und vor allem halten ist das aller Wichtigste“, weiß Yasha Young aus eigener Erfahrung. „Das ist eine sehr anspruchsvolle und aufwendige Arbeit, die sich aber in jedem Fall lohnt, wenn man langfristig und nachhaltig einen neuen Markt erschließen möchte.“

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Anstehende Veranstaltungen

Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.

Credits

Text: Katja Armbruckner

Fotos: Felix Haas

Wie trägt Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr Kreislaufwirtschaft bei?

Prinzipien aus der Natur abzuschauen hat schon viele Erfindungen hervorgebracht. Insbesondere Kreislaufsysteme der Natur sind Vorbilder für ein nachhaltigeres Leben. Die Umgestaltung unserer Wirtschaft zu einem kreislaufwirtschaftlichen System stellt jedoch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, die nur branchenübergreifend und ganzheitlich gelöst werden kann. Im Unterschied zum deutschen Begriff „Kreislaufwirtschaft“, der sich auf den Umgang mit Abfall fokussiert, ist der englische Begriff „Circular Economy“ (also „zirkuläres Wirtschaften“) bereits viel weiter gefasst und betrachtet das gesamte Produktsystem. Hier geht es um durchdachte Kreisläufe von Anfang an, die bereits beim Design von Produkten beginnt.

Innovative Ideen und praktische Ansätze für zirkuläres Wirtschaften finden sich schon seit Jahren in der Kultur- und Kreativwirtschaft, zum Beispiel in der Architektur, im Produkt- und Materialdesign, der Film- und Veranstaltungsindustrie sowie dem Modemarkt. Viele Beispiele werden Sie in diesem Magazinschwerpunkt kennenlernen können

In unserer Kurzreportage zur Kreislaufwirtschaft haben wir diesmal mit Architekt*innen Sandra Düsterhus (Point.Architektur) und Martin Haas (haascookzemmrich) über die Ansätze bei ihren Projekten in der Außen- und Innenarchitektur gesprochen und was der Fokus auf Kreislaufwirtschaft auch für die Gestaltung bedeutet.