Wie sehen Sie das Spannungsverhältnis zwischen Kreativität und dem Streben nach wirtschaftlichem Erfolg?
In der Branche beäugen sich viele misstrauisch und befinden sich auch selbst in einer Art inneren Spagat: Auf der einen Seite lehnt man die Kommerzialisierung ab, auf der anderen Seite will man wirtschaftlichen Erfolg. Und das ist ja auch völlig normal. Ich habe ganz selten Maler erlebt, die wollen, dass möglichst wenige Leute ihre Bilder anschauen oder kaufen. Kunst und Kultur will doch Anerkennung, und dazu gehört auch ökonomischer Erfolg. Diese seltsame Argumentation, das Nicht-Kommerzielle sei künstlerisch per se wertvoller, halte ich für irreführend. Fast alle Geschäftsmodelle von Kreativen im Internet, beispielsweise in der Gaming-Industrie, zielen auf wirtschaftlichen Erfolg ab. Ist das denn ein Grund, diesen Unternehmern Kreativität abzusprechen? Sie sind doch nicht weniger kreativ, nur weil sie ganz klar einen kommerziellen Ansatz verfolgen.
Müsste man noch mehr nachdenken über alternative Finanzierungsinstrumente? Für klassische Venture Capitalists oder Company Builder ist die Kultur- und Kreativbranche bislang ja eher uninteressant.
Da gibt es mit Sicherheit noch Informationsdefizite auf beiden Seiten. Wir wollen ja, dass der Kapitalmarkt sich ändert. Und er ist schon neugierig geworden. Momentan befinden wir uns auf europäischer Ebene in intensiver Diskussion mit Kapitalgebern. Und wir haben schon einiges auf den Weg gebracht, nämlich ein Pilotprogramm mit einen Volumen von 120 Millionen Euro, aus dem nicht besicherte Mikrokredite für Kunst- und Kulturprojekte vergeben werden. Also ohne ein Häuschen als Sicherheit. Wir, also letztlich der EU-Haushalt, sichern das Risiko der Banken ab. Am Anfang hat man uns erklärt, dass wir dieses Geld ja wohl nie wiedersehen werden. Doch dann hat sich herausgestellt, dass die Rückzahlungsquoten dieser Kredite höher sind als bei vergleichbaren Programmen in der Industrie – nicht zuletzt weil Künstler und Kreative eine ganz starke intrinsische Motivation haben und alles daran setzen, dass etwas wird aus ihrer Idee.
Der Kapitalmarkt wird trotzdem nicht die Theatersubventionen ersetzen.
Das wird er nicht. Aber es wird viele Leute geben, die beispielsweise im Theater oder beim Film beruflich sozialisiert wurden und dann in Crossover-Disziplinen wechseln. Filmkomponisten etwa waren früher völlig von der Filmindustrie abhängig. Mittlerweile sind in der Gamingindustrie völlig neue Märkte für sie entstanden. Dort entstehen unglaublich innovative, aber teils auch diskussionswürdige Dinge. Auf der letzten Ars Electronica präsentierte sich ein Komponist, der mit künstlicher Intelligenz ein System zur Produktion von Filmmusik entwickelt hat. Es gibt ja gar nicht genug Filmkomponisten, um die Musik für all diese Games, die teilweise über tausend Stunden laufen, zu kreieren.