Der Krawattenknoten ist eine Katastrophe, aber immerhin sitzt der Anzug schon perfekt. Ein junger Mann, der sich den Phantasienamen Sigmar von Draghi gegeben hat (offenbar eine Melange aus den Namen des Bundesaußenministers und des Präsidenten der Europäischen Zentralbank) posiert vor der Kulisse von Reichstag und Bundeskanzleramt als Lobbyist – und er hat sich so verkleidet, wie man sich die stillen Einflüsterer der Konzerne und Verbände gemeinhin vorstellt: in feinem, nicht zu auffälligem grauen Edelzwirn. „Draghi“ singt geradezu ein Loblied auf den Lobbyismus, überzeichnet und mit beißender Ironie gewürzt. „Wir finanzieren die Parteien mit ein paar Spenden und helfen so bei der Erhaltung unserer Parteikultur in der EU“, spricht er im Brustton der Überzeugung in die Kamera. „Außerdem bieten wir den Politikern eine glänzende Zukunft in unseren Konzernen. So werden Kompetenzen sinnvoll ausgeschöpft.“ Wem fallen da nicht gleich ein paar Namen ein?
Entstanden sind die Szenen bei den Arbeiten zum Jugendfilm-Projekt „Europa und du!?“, in dem junge Leute aus Bremen und Bremerhaven ihre Sicht auf Europa und europäische Politik präsentieren. Lobbyismus – das ist ein Thema, bei dem Jugendliche normalerweise gelangweilt abwinken. Lars Kaempf, Geschäftsführer der Medienagentur und Ideenschmiede vomhörensehen aus Bremen, die sämtliche Filme des Projekts produziert hat, wollte auch ein vermeintlich sperriges Thema durch unkonventionelle Erzählformen vermitteln – eben auf unterhaltsame, ironische, verstörende Weise. „Die Menschen sind derzeit weit weg von einer europäischen Idee“, erklärt der Medienunternehmer. „Die meisten denken, dass Europa mit ihrem konkreten Leben nichts zu tun hat.“ Mit dem Filmprojekt wollte der Kreativwirtschaftler „insbesondere junge Menschen wieder mit Europa in Kontakt bringen und ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie teilhaben, mitbestimmen und mitgestalten können – weit über das Kreuz auf dem Wahlzettel zur Europawahl alle fünf Jahre hinaus“.