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Raus aus dem Silo-Denken

Wenn hoch technisiert und spezialisiert alleine nicht weiterbringt: Interdisziplinäres und cross-funktionales Arbeiten als Chance für eine zukunftsfähige Form der Arbeit.

Wie wäre es, wenn die 3D-Designerin wie selbstverständlich mit dem Kollegen aus der Verwaltung über das laufende Projekt spricht? Das, so berichtet Karsten Lehmann, passiert längst in seinem Unternehmen, Blue Byte, und seinem französischen Mutterkonzern Ubisoft. Denn die Mitarbeiter in allen Abteilungen haben ein Bewusstsein und einen Bezug für das gemeinsame Produkt. Das bringt Vorteile für die Entwicklungen und Leistungen des Spieleproduzenten Ubisoft. Das Unternehmen der Kreativbranche setzt es in seiner Nische, mit seinen speziell tickenden Mitarbeitern, um. „Wir wollten das Silo-Denken überwinden“, sagt Public Affairs Manager Lehmann. Auch andernorts in Deutschland entwickeln sich neue Arbeitsformen, die aus Bedürfnissen von Kreativdenkenden und -schaffenden entstehen: Dezentral, interdisziplinär, projektorientiert und von intrinsischer Motivation geprägt.

Bei einem ersten gemeinsamen Workshop am 12. Oktober in Berlin haben Vertreter aus Kreativwirtschaft, Wissenschaft, Industrie und Großunternehmen in Deutschland die Bandbreite von Arbeit diskutiert, mit ihren Erfahrungen abgeglichen und Themenfelder für die Arbeit der Zukunft entwickelt. Auf dieser Basis sind jetzt erste Zielsetzungen benannt worden. „Wir sind hier die Weiterdenker“, resümierte Teilnehmerin Esther Schaefer, die als freie Moderatorin und Trainerin arbeitet.

„Wir sehen zu wenig über die Ländergrenzen hinweg. Vertrauen in die neuen Prozesse aufzubauen, ist unsere Chance.“

Angela Pasch, Smart Mobility Managerin bei Volkswagen
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Chancen für Menschen

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen die Chancen und Hürden auf dem Weg zur „Zukunft der Arbeit“, die sie aus ihren Innovationsbereichen kennen, sammeln und daraus Handlungsansätze skizzieren. Dafür kann nützlich sein, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft der Debatte etwa in puncto Arbeitsformen und Ideenumsetzung bereits voraus ist, heißt es zu Beginn des gleichnamigen Workshops, veranstaltet vom Kompetenzzentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes.

Unerwartet selbstverständlich steht der Faktor Mensch für alle im Vordergrund. Ob er gut ausgebildet ist und kontinuierlich wird, ob ein Job zu Familienphasen passt, ob Mitarbeiter sich genug wertgeschätzt fühlen etwa durch Anerkennung oder dem Übertragen von Verantwortung oder ob sie ausreichend sozial abgesichert sind. Der Angst, die bei Veränderungen aufkommt, kann mit transparenter Kommunikation im Unternehmen begegnet werden oder mit zukunftsorientierter Bildung und Ausbildung. Arbeit an sich wird aber immer subjektiv erfahren und generelle Lösungen gibt es nicht, ist die Gruppe sich einig.

„Flexible Lebens- und Arbeitsmodelle wünschen sich manche, für andere sind sie ein Graus“, sagt Susanne Stauch, Transition-Designerin beim Supernova Institute in Berlin. Dagegen plädiert Sandra Reuse, Referentin beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, für stärkere Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit. Sie regt an, sich internationale Vorbilder zu nehmen. „Wir sehen zu wenig über die Ländergrenzen hinweg.“ Angela Pasch, Smart Mobility Managerin bei Volkswagen, setzt auf Naheliegendes. „Vertrauen in die neuen Prozesse aufzubauen, ist unsere Chance.“ Ansonsten besteht das Risiko, in alte Strukturen zurückzufallen.

Sven Taubert, Innovationsmanager bei der Lufthansa Technik AG, legt zwar Wert auf Nachhaltigkeit im System Mensch, doch spüren er und seine Mitarbeiter den Druck des internationalen Wettbewerbs. „Entweder wir gestalten oder wir werden gestaltet. Wir müssen schneller werden, als die über dem großen Teich.“ Ebenfalls Erneuerung fordert die Arbeitsforscherin Lisa Basten. „Wir müssen Arbeit neu definieren. So, dass unterschiedliche Formen der Erwerbsarbeit nebeneinander existieren.“ Basten kennt verschiedene Arbeitsmodelle persönlich. Sie hat gerade einen mehrjährigen Vertrag beim Wissenschaftszentrum Berlin, arbeitete bisher projektbezogen und kann auch vom Home-Office aus tätig sein.

 

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Von agil zur Cross-Innovation

Während sich bei Blue Byte in Düsseldorf und Mainz und der Konzernmutter Ubisoft die Mitarbeiter fachbereichsübergreifend zu Produktionsprozessen innerhalb eines Großunternehmens austauschen, vernetzt Hendrik Schwedt in Hannover Start-ups, Solo-Selbständige und Unternehmen im Coworking und Maker Space Hafven. Der Leiter der Bereiche Academy, Accelerator und Innovation Hubs beschreibt die Übersetzungsarbeit zwischen agilen und klassischen Formen des Arbeitens als wichtig. „Hafven ist inhaltliche Schnittstelle zwischen Digital- und Kreativwirtschaft und Großunternehmen, um besonders diese Unternehmen mit verschiedenen Formaten bei agilen Innovations- und digitalen Transformationsprozessen zu unterstützen.“

Als offene Innovationsplattform gibt Hafven seiner Community aus Coworkern und angesiedelten Start-ups einen Rahmen, um innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, auch für andere Unternehmen. Genutzt werden auch 3D-Druck-Technologien, wie etwa die des inzwischen gewachsenen Start-ups Big Rep aus Berlin. Sein Innovationsberater Jörg Petri erfährt gerade, was Cross-Innovation bedeutet. „Agilität wird bei uns schon gelebt. Jetzt fragen wir uns, wie unsere Ideen zu den äußeren Anforderungen passen.“ Zum Beispiel zu Kollaborationsprojekten. Für diese können größere Unternehmen mit Start-ups zusammenarbeiten. Allerdings erschweren telefonbuchgroße Verträge oder Fallstricke im Urheber- und Patenrecht eine Annäherung. Außerdem braucht ein Großunternehmen oft mehr Technologien, als ein Start-up alleine entwickeln kann, ergänzt Lufthansa-Manager Taubert.

 

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Mensch, Kommunikation und Vertragsrecht

Als es am Ende darum geht, Ziele für die „Arbeit der Zukunft“ zu konkretisieren, wollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zuerst darauf sehen, „was den Menschen glücklich macht.“ Denn letztlich bringen Menschen, die gut ausgebildet und sozial abgesichert sind, sich wertgeschätzt fühlen, in einer Work-Life-Balance arbeiten und sich in den Arbeitsprozess einbringen können auch eine größere Wertschöpfung für Unternehmen. In der Kultur- und Kreativwirtschaft mit ihren vielschichtigen Produktionsmodellen und Arbeitsformen gibt es da bereits einige Erfahrungen und Beispiele von sozial- als auch ideengetriebenen Prozessen.

Ein weiteres Ziel ist eine Art Lobby-Organisation, die das Erfahrungswissen zu neuen Formen von Arbeit bündelt und cross-disziplinär kommuniziert, sowohl gegenüber den Teilbranchen der Kultur- und Kreativwirtschaft, der Industrie und dem Mittelstand, als auch gegenüber den regulierenden Institutionen und der Politik. Sie kann vermitteln, was die Kultur- und Kreativwirtschaft in Sachen Innovation und Produktion kann und was zu tun ist, damit sich neue Formen von Arbeit und Wertschöpfung nicht nur schneller, sondern auch stärker an den Bedarfen des Menschen orientiert entwickeln können. Schließlich muss dann noch, für konkrete Kollaborationen von Start-ups aus dem Kreativbereich und größeren Unternehmen, ein neuer Geist in die Rechtsabteilungen und Kanzleien einziehen. Denn gerade in Innovationsphasen werden schlanke und flexible Verträge gebraucht.

Diese drei, nicht gerade kleinen, Themenfelder – Mensch 4.0, Wissensmanagement und Vertragsrecht – wollen jetzt in einem nächsten Schritt mit Inhalt gefüllt werden, um damit ihren Beitrag für die „Arbeit der Zukunft“ zu leisten. ­

Credits

Text: Beate Barrein

Fotos: Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Anstehende Veranstaltungen

Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.

Credits

Text: Beate Barrein

Fotos: Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Wie trägt Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr Kreislaufwirtschaft bei?

Prinzipien aus der Natur abzuschauen hat schon viele Erfindungen hervorgebracht. Insbesondere Kreislaufsysteme der Natur sind Vorbilder für ein nachhaltigeres Leben. Die Umgestaltung unserer Wirtschaft zu einem kreislaufwirtschaftlichen System stellt jedoch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, die nur branchenübergreifend und ganzheitlich gelöst werden kann. Im Unterschied zum deutschen Begriff „Kreislaufwirtschaft“, der sich auf den Umgang mit Abfall fokussiert, ist der englische Begriff „Circular Economy“ (also „zirkuläres Wirtschaften“) bereits viel weiter gefasst und betrachtet das gesamte Produktsystem. Hier geht es um durchdachte Kreisläufe von Anfang an, die bereits beim Design von Produkten beginnt.

Innovative Ideen und praktische Ansätze für zirkuläres Wirtschaften finden sich schon seit Jahren in der Kultur- und Kreativwirtschaft, zum Beispiel in der Architektur, im Produkt- und Materialdesign, der Film- und Veranstaltungsindustrie sowie dem Modemarkt. Viele Beispiele werden Sie in diesem Magazinschwerpunkt kennenlernen können

In unserer Kurzreportage zur Kreislaufwirtschaft haben wir diesmal mit Architekt*innen Sandra Düsterhus (Point.Architektur) und Martin Haas (haascookzemmrich) über die Ansätze bei ihren Projekten in der Außen- und Innenarchitektur gesprochen und was der Fokus auf Kreislaufwirtschaft auch für die Gestaltung bedeutet.