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Förderprogramme für die Zukunft

Anstrengend, bürokratisch, der Aufwand zu groß, die Erfolgschancen zu gering – diese Dinge werden mit dem Thema Gründungsförderung assoziiert. So groß das Angebot an Förderprogrammen ist, so groß ist häufig auch die Kritik an ihnen. Das sollen neue Ideen ändern. Das Kompetenzzentrum hat bei einem Innovationsworkshop Kreativschaffende gefragt, worauf es ihnen bei Gründungsprogrammen ankommt.

Seit eineinhalb Jahren hat sie bereits zu kämpfen. Seit eineinhalb Jahren versucht sie, sich selbst immer wieder neu zu erfinden und mit kreativen Ideen die Krise zu überwinden. Mit prognostizierten Umsatzeinbußen von 21 bis 31 Milliarden Euro, die durch die Corona-Pandemie verursacht wurden, wird die Kultur- und Kreativwirtschaft jedoch vor extreme wirtschaftliche Herausforderungen gestellt. Für die Branche bedeutet das: Keine optimalen Bedingungen, um neu zu gründen, das eigene Geschäftsmodell zu verändern oder anderweitige Risiken einzugehen.

Trotz der widrigen Umstände hat die Kultur- und Kreativwirtschaft in den vergangenen Monaten immer wieder unter Beweis gestellt, wie groß ihr Innovationspotenzial ist. Sei es durch Veranstaltungen und Konzerte, die ins Netz übertragen wurden oder durch die Entwicklung neuer Produkte, die das Leben während der Pandemie leichter machen. Wie beispielsweise unterschiedliche Apps, die das Besucher*innenaufkommen in Arztpraxen intelligent lösen oder sich um die Datenbereitstellung kümmern, die die Nachverfolgung von Corona-Kontaktpersonen erleichtern. Die Akteur*innen der Branche begegnen der Unsicherheit mit Mut – denn dieser stellt sich die Wege kürzer vor.

Das kreativwirtschaftliche Ökosystem absichern

Die Transformationen und Anpassungen der Kreativschaffenden zeigen, wie auch in Zukunft neue Möglichkeiten geboten werden können, um das Überleben der Branche zu sichern. Gleichzeitig eröffnen sie den Diskurs darüber, was sich generell ändern muss, damit der stetige Ausbau des kreativwirtschaftlichen Ökosystems sichergestellt wird. Das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes agiert hierbei als zentrale Anlaufstelle für den Austausch. Deshalb wurde im Rahmen eines Innovationsworkshops mit kreativen Unternehmer*innen darüber debattiert, welche wirtschaftspolitischen Anreize jetzt nötig sind, um auch zukünftig Geschäftsmodelle auf- und auszubauen und den Einstieg in die Branche zu erleichtern.

Im Ergebnis wurden Ansätze und Maßnahmen für zukünftige Gründungsprogramme für Kreativschaffende entwickelt. Wann man braucht man im Gründungsprozess welche Förderung? Am Ende entstanden Ideen zu neuen Strukturen, die sich an den Bedarfen der Branche anpassen – in drei Schritten zur zeitgemäßen Förderung.

1. Status Quo in Kürze

Über eines kann man sich in Deutschland nicht beklagen: über das Angebot an Förderprogrammen für unterschiedlichste Projektformen. Was viele von ihnen jedoch gemeinsam haben, ist der enorme Aufwand, der damit verbunden ist, einen solchen Antrag überhaupt zu bewältigen. Hat man sich in der Unübersichtlichkeit erst einmal zurechtgefunden, wird schnell klar, dass ein solcher Prozess langwierig ist, mit Investitionen an Zeit und Geld verbunden und sich häufig an technologie-getriebene Innovationen richtet. Daran schließt sich auch häufig die Frage an, wer überhaupt Kompetenzen besitzt, Kreatives zu beurteilen.

Dabei gibt es Gründungsförderungen auf unterschiedlichen Ebenen: Vom Bund, von den einzelnen Bundesländern oder auch branchenspezifisch. Darüber hinaus gibt es auch auf EU-Ebene weitere Möglichkeiten. Häufig bleibt gerade bei Menschen, die das erste Mal gründen und keine finanziellen Ressourcen haben, die Frage, wie ein solcher Antrag überhaupt zu finanzieren ist ohne eigenes Kapital. Antragstellende berichten von monatelangen Prozessen des Einreichens und Wartens, um dann plötzlich innerhalb weniger Tage die nächste Runde eines solchen Bewerbungsprozesses zu durchlaufen. Auch sei es bei manchen Programmen so, dass man sich in Abhängigkeiten begebe, die Ressourcen ziehen und unerwünscht sind – gerade zu Beginn einer Gründung.

2. Was würden Gründer*innen zu den Förderprogrammen sagen?

Wichtig für die Weiter- und Neuentwicklung von Förderprogrammen ist die Analyse der Zielgruppe: Für wen ist die Förderung konkret geplant und welche Bedürfnisse hat diese Gruppe? Um die Frage zu beantworten, ergibt es Sinn, Unternehmer*innen in zwei Gruppen zu teilen.

Erstgründer*innen

Viele Erstgründer*innen denken nicht viel über das Gründen nach, sondern machen einfach. Gründungen werden eher als notwendiges Übel verstanden, um die eigene Idee, die entwickelte Vision voranzutreiben. Häufig geht es in der Zielsetzung nicht ums Geld, sondern darum, sich selbst zu verwirklichen, ein Projekt mit Freund*innen zu starten oder die Welt zu verändern. Der Impuls zur Gründung ist eher extern und beispielsweise durch ein Projekt an der Uni entstanden.

Erstgründer*innen, die häufig zwischen 18 und 29 Jahre sind, erfahren zu Beginn oft einen Realitätsschock, weswegen sie in Bezug auf Förderprogramme ein gutes Coaching benötigen – für sie als Einzelpersonen, jedoch auch im Bereich Team-Building. Auch wenn ihre Lebenshaltungskosten meistens in dem Alter noch gering sind, benötigen sie finanzielle Sicherheit und persönliche Unterstützung. Dabei kann ein Netzwerk helfen, bei dem sie von erfahrenen Gründer*innen lernen. Wichtig sind auch juristische Unterstützung, ebenso wie Steuerberatung.

Wiederholungsgründer*innen

Menschen im Alter zwischen 30 und 65, die entweder das erste Mal oder ein weiteres Mal gründen, gehen weniger naiv an das Thema heran. Häufig handelt es sich um einen Umbruch im Leben, vielleicht eine zweite Karriere – manche gründen auch aus. Je nachdem, wie die eigene finanzielle Lage aussieht, kann ein solcher Schritt mit viel oder weniger Risiko behaftet sein. Ähnlich wie bei jungen Gründer*innen geht es auch um Selbstverwirklichung und Freiheit – endlich eigene*r Chef*in sein. Ebenso können klare monetäre Anreize als Motor auftreten.

Um einen solchen Schritt tatsächlich zu wagen, benötigt es Mut. Deshalb braucht es in Bezug auf Förderprogramme vor allem auch hier Mentoring, Coaching und ebenso Formate, die den Unternehmer*innen ermöglichen, sich auszutauschen. In diesem Alter haben viele Menschen bereits eine Familie und somit auch andere finanzielle Verpflichtungen, weshalb sie zur Finanzierung mehr Geld benötigen als junge Erstgründer*innen. Wichtig ist es zudem, dass es auch Programme gibt, die auf Finanzierungen nach Jahren der Gründung abzielen. Insbesondere in der Phase zwischen vier und sechs Jahren, wo es häufig keinerlei Unterstützung mehr gibt, jedoch es sich um eine entscheidende Zeit handelt.

3. Die Förderideen für die Zukunft – Was zu tun ist

Nachdem die genauen Bedürfnisse der Zielgruppen von Förderprogrammen bestimmt sind, kommen nun konkrete Ideen dazu, wie die Förderung der Zukunft aussehen sollte, um die Menschen zu erreichen, die das erste Mal gründen oder den Schritt erneut wagen wollen. Denn vieles wird bisher noch nicht berücksichtigt in den Förderstrukturen. Das sollen unsere entwickelten Ideen ändern:

Die fünf wichtigsten Punkte, die junge Erstgründer*innen brauchen:

  • Der Realitätscheck: Was bedeutet es wirklich, Gründer*in zu sein, welche Verantwortlichkeiten sind damit verbunden, welche positiven und negativen Implikationen kann das Gründen haben
  • Gute Begleiter*innen: Mentor*innen, Stewards, Coaching und das alles von Anfang an
  • Netzwerke: Egal, ob Stakeholder*innen, andere Gründer*innen oder mögliche Teammitglieder – eine Matchmaking-Plattform, die hilft, sich mit anderen austauschen, erleichtert den gesamten Prozess.
  • Ideencheck: Beratungsgespräche, die klären können, ob die Idee gut ist oder an welchen Stellschrauben noch gedreht werden muss
  • Ein Berufsverband für Erstgründer*innen, um wichtige Anliegen zu klären

Die fünf wichtigsten Punkte, die erfahrene Gründer*innen brauchen:

  • Programme, die auf die Bedürfnisse älterer Gründer*innen eingehen und zielgerichtet Wissen vermitteln, die für erfahrene Menschen wichtig sind
  • Elterngeld und Gründungsbonus, damit sich auch Menschen mit Kindern trauen, etwas Neues zu wagen
  • Intrapreneur: Spin Offs und Ausgründungen erleichtern und schmackhaft machen
  • Generationen-übergreifende Netzwerke: Wie kommen jüngere und ältere Menschen zusammen, um gemeinsam etwas zu gründen.
  • Individuelle Angebote: Erfahrene Unternehmer*innen brauchen zielgerichtete Lernreihen, um sich weiterzubilden

Darüber hinaus wurden weitere konkrete Ideen entwickelt, die alle Förderprogramme zeitgemäß und zukunftsgerichtet machen:

  • Interdisziplinäre Netzwerke: Kreative sollen mit Techniker*innen zusammenkommen, der Mittelstand mit Start-ups und dabei soll cross-sektoral gearbeitet und sich ausgetauscht werden – eine Art Unternehmens-Tinder
  • Wertschätzung der Kreativität: Kreativleistungen sollen ebenso wertgeschätzt werden wie technologische Innovationen. Dazu zählt auch die Absicherung in Form von Rente und anderen Sozialleistungen. Die Selbstständigkeit soll dem Angestelltenverhältnis gleichgestellt sein.
  • Unterstützung in den Jahren nach der Gründung: Hierbei ist nicht nur monetäre Förderung gemeint, sondern auch die langfristige Begleitung der Projekte aus Mentoring-Sicht.
  • Die bürokratischen Hürden sollen gesenkt werden, damit das Gründen leichter wird. Dazu zählt auch, dass die Anforderungen an die Personen in Bezug auf den Bildungsstand gesenkt werden, um mehr Menschen zu ermöglichen, sich selbstständig zu machen.
  • Die Bereitstellung von Infrastruktur für Büroräume und Mittel, um die eigene Idee, eventuell auch einen Prototypen zu testen

Grundsätzlich sollte es bei neuen Förderstrukturen darum gehen, den wirklichen Bedürfnissen der Zielgruppen zu entsprechen und ihnen das zu geben, was beim Gründen wirklich hilft: weniger Bürokratie, kürzere Entscheidungsprozesse, intensiveres Coaching über den gesamten Gründungsprozess hinweg und Unterstützung im Bereich der sozialen Absicherung. Nur mit einer solchen zeitgemäßen und zielgerichteten Förderung kann bewerkstelligt werden, dass der Erhalt und der Ausbau des kreativwirtschaftlichen Ökosystems sichergestellt wird. Davon hat am Ende die gesamte Gesellschaft etwas – denn auch sie profitiert vom Mut der Kreativschaffenden aktuellen Problemen immer wieder neu zu begegnen und sich selbst stets neu zu erfinden.

Anstehende Veranstaltungen

  1. Schulterblick des Creative Labs #7 Kreislaufwirtschaft mit der Kreislaufwirtschaftsexpertin Eveline Lemke

    5. April, 16:00 - 21:00

Credits

Text: Deana Mrkaja

Fotos: Pexels

Wie trägt Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr Kreislaufwirtschaft bei?

Prinzipien aus der Natur abzuschauen hat schon viele Erfindungen hervorgebracht. Insbesondere Kreislaufsysteme der Natur sind Vorbilder für ein nachhaltigeres Leben. Die Umgestaltung unserer Wirtschaft zu einem kreislaufwirtschaftlichen System stellt jedoch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, die nur branchenübergreifend und ganzheitlich gelöst werden kann. Im Unterschied zum deutschen Begriff „Kreislaufwirtschaft“, der sich auf den Umgang mit Abfall fokussiert, ist der englische Begriff „Circular Economy“ (also „zirkuläres Wirtschaften“) bereits viel weiter gefasst und betrachtet das gesamte Produktsystem. Hier geht es um durchdachte Kreisläufe von Anfang an, die bereits beim Design von Produkten beginnt.

Innovative Ideen und praktische Ansätze für zirkuläres Wirtschaften finden sich schon seit Jahren in der Kultur- und Kreativwirtschaft, zum Beispiel in der Architektur, im Produkt- und Materialdesign, der Film- und Veranstaltungsindustrie sowie dem Modemarkt. Viele Beispiele werden Sie in diesem Magazinschwerpunkt kennenlernen können

In unserer Kurzreportage zur Kreislaufwirtschaft haben wir diesmal mit Architekt*innen Sandra Düsterhus (Point.Architektur) und Martin Haas (haascookzemmrich) über die Ansätze bei ihren Projekten in der Außen- und Innenarchitektur gesprochen und was der Fokus auf Kreislaufwirtschaft auch für die Gestaltung bedeutet.