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Was bleibt anders? Und was machen wir daraus?

Nach Monaten des Lockdowns und zaghafter Rückkehr der Normalität ist es Zeit für ein erstes Fazit: Was wird bleiben aus der ungewöhnlichen Zeit? Wo ist schon wieder alles wie früher - und wo wird es vielleicht nie wieder so sein? Exemplarisch betrachtet Martin Kaelble, Wirtschaftsjournalist und ehemaliger Digitalchef von Capital, das Thema New Work. In seinem Kommentar zeigt er auf, was sich bereits verändert hat und welche Fragen sich jetzt stellen.

Wann die Corona-Pandemie endgültig überwunden ist, wissen wir leider auch im Sommer 2021 immer noch nicht. Dennoch zeichnet sich bereits ab, was sich alles verändert hat in den vergangenen Monaten, was wohl für immer anders bleiben wird. Deutlich erkennbar: Megatrends, die schon vor Corona da waren, haben sich durch die Pandemie noch einmal beschleunigt. Denken wir nur an die Digitalisierung, Konsumverhalten wie Online-Bestellungen oder New Work. Vieles ist in anderthalb Jahren zum Standard, zum Mainstream, zu einem nicht mehr wegzudenkenden Bestandteil unseres Alltags geworden. In gewisser Weise hat die Pandemie manchem Megatrend den letzten großen Schubser zur Vollendung gegeben. Und nirgendwo wird dies deutlicher als beim Thema Remote-Work. Hier hat sich etwas etabliert, das unumkehrbar scheint. Viele Arbeitnehmer werden künftig schlichtweg erwarten, dass ein Teil ihrer Arbeit remote stattfinden kann. Ein Zurückdrehen kommt schon jetzt nicht gut an, fühlt sich für viele wie Freiheitsentzug an. Strukturen für Remote-Work sind nun plötzlich selbstverständlich – entsprechende Tools, digitale und mobiliare Infrastruktur.

Es hat sich viel verändert. Im Kern haben wir in einem kollektiven Crashkurs die Grundfrage radikal neu verhandelt, was im Arbeitsleben physisch und was digital gemacht werden kann. „Digital-hybrid“ ist das neue Schlagwort. Das gilt für die Zusammenarbeit innerhalb von Unternehmen ebenso wie für die Zusammenarbeit mit Externen. Die vergangenen Monate haben sehr deutlich gemacht, wo man sich ein Meeting, Dinner oder eine Geschäftsreise sparen kann. Und zugleich haben wir eben auch sehr deutlich gesehen, wo das Physische unverzichtbar ist. Diese Klarheit wird uns künftig helfen, viele Dinge im Berufsleben bewusster zu machen, zeit- und kosteneffizienter zu betreiben. Dieser sich abzeichnende Wandel bietet Chancen, Dinge ganz neu zu denken. Zum Beispiel das Büro. Was machen wir mit den Büroflächen, wenn viel mehr Menschen von zuhause arbeiten? Wann und warum gehen wir zukünftig noch ins Büro? Welche Funktion nimmt das Büro also in einer digital-hybriden Welt ein?

Wir sollten die Funktionen des Büros neu definieren. Wir haben ja in den vergangenen Monaten gelernt, wofür wir das Büro wirklich brauchen. Also sollten wir es künftig für das nutzen, wo es seine unverzichtbaren Stärken hat. Das Büro als Checkpoint, an dem man regelmäßig für das unverzichtbar Physische zusammenkommt. Ideal für Workshop-Tage, für Meetings und Team-Events. Neben Flex-Desk-Policy sollte man Funktionsbereiche schaffen wie Kreativflächen, Lounges, Meetingspaces, Fitnessräume. Im besten Fall wird das Büro künftig zu einem echten Mehrwert für Arbeitnehmer*innen und deren Bedürfnisse, statt zum Schauplatz für Anwesenheitszwang. Das Büro sollte nicht mehr auf den Schreibtisch hin optimiert werden, sondern auf das, was das Büro am besten kann: physische Treffen, kreativer Austausch, Team-Building, Culture-Building.

Kultur ist ein wichtiges Stichwort in diesem Kontext. Denn was die Pandemie ebenfalls gezeigt hat: Unternehmenskultur lässt leider nicht in Zoom-Meetings schaffen. Das ist vielmehr ein Alleinstellungsmerkmal des Büros. Und eine Chance für kreative neue unternehmerische Ideen von Selbständigen oder Startups aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, die Unternehmen in künftig leerstehenden Office-Spaces Team- und Culture-Building als Service anbieten. Das könnten zum Beispiel professionelle Onboarding-Workshops und Programme für Remote-Teams sein. Jede Form von gezielten Kreativ- und Ideationworkshops, die schon vor Corona boomten, dürften künftig noch viel gefragter sein, weil ihre Notwenidgkeit durch die Video-Call-Ära noch deutlicher geworden ist. Dasselbe gilt für Spaces, in denen gezieltes und originelles Teambuilding betrieben wird. Denn auch hier ist die Wichtigkeit mittlerweile bei jedem angekommen, ab und zu zusammen zu kommen und dann als Gruppe zusammen zu wachsen, bevor man dann wieder in den Zoom-Meeting-Rhythmus ausschwärmt. All diese Services richtig gut und optimiert anzubieten, ist etwas für externe Dienstleister. Das ist in den meisten Unternehmen auf hohem Niveau schlicht nicht intern vorhanden. Vielleicht stehen wir vor einer neuen Hochphase der Team- und Culture-Building Professionals.

Die Auswirkungen von Remote-Work auf den Gewerbeimmobilienmarkt könnten neue Räume für Initiativen rund um Culture-Building, Coworking etc. bringen. Nur ein Beispiel, welche Chancen sich aus den bleibenden Veränderungen durch die Corona-Zeit ergeben könnten. Natürlich ergeben sich zugleich auch viele Fragen: Wie können wir flexibel auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Arbeitskräften eingehen? Schließlich wollen manche gar nicht die ganze Zeit von zuhause arbeiten, andere hingegen schon. Wie sieht hier die richtige Balance aus? Wie groß werden dann die Büros der Zukunft sein? Was bietet ein Unternehmen dabei noch selber an? Und was lagert man aus an andere? Noch ist es zu früh, um all diese Fragen beantworten zu können. Aber eines ist klar: Vielleicht ist das Ende der Pandemie gar keine Rückkehr zur Normalität. Sondern in Wahrheit der Weg zu einem New Normal. Für kreative Unternehmer*innen bietet diese neue Normalität ganz sicher viele neue Räume, Spielflächen und Möglichkeiten. Die neue Welt des Remote-Work zeigt dies in aller Deutlichkeit.


 

Martin Kaelble hat mehrere Jahre als Redakteur bei der Financial Times Deutschland im Berliner Politik-Büro/ Ressort Weltwirtschaft bevor er 2013 Teil des Relaunch-Teams von Capital wurde und mitgeholfen hat, das Magazin neu zu konzipieren. Seitdem war er zunächst Redakteur und Ressortleiter Leben bei Capital und dann Digitalchef und Redaktionsleiter von capital.de. Jüngst, inmitten des Corona-Lockdowns, hat er das Startup informed mitgegründet, das sich derzeit in der Stealth-Phase befindet. Für das Magazin des Kompetenzzentrums wirft er bei jedem Magazinschwerpunkt seinen eigenen Blick auf das Thema.

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Text: Martin Kaelble

Fotos: Unsplash

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Wie trägt Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr Kreislaufwirtschaft bei?

Prinzipien aus der Natur abzuschauen hat schon viele Erfindungen hervorgebracht. Insbesondere Kreislaufsysteme der Natur sind Vorbilder für ein nachhaltigeres Leben. Die Umgestaltung unserer Wirtschaft zu einem kreislaufwirtschaftlichen System stellt jedoch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, die nur branchenübergreifend und ganzheitlich gelöst werden kann. Im Unterschied zum deutschen Begriff „Kreislaufwirtschaft“, der sich auf den Umgang mit Abfall fokussiert, ist der englische Begriff „Circular Economy“ (also „zirkuläres Wirtschaften“) bereits viel weiter gefasst und betrachtet das gesamte Produktsystem. Hier geht es um durchdachte Kreisläufe von Anfang an, die bereits beim Design von Produkten beginnt.

Innovative Ideen und praktische Ansätze für zirkuläres Wirtschaften finden sich schon seit Jahren in der Kultur- und Kreativwirtschaft, zum Beispiel in der Architektur, im Produkt- und Materialdesign, der Film- und Veranstaltungsindustrie sowie dem Modemarkt. Viele Beispiele werden Sie in diesem Magazinschwerpunkt kennenlernen können

In unserer Kurzreportage zur Kreislaufwirtschaft haben wir diesmal mit Architekt*innen Sandra Düsterhus (Point.Architektur) und Martin Haas (haascookzemmrich) über die Ansätze bei ihren Projekten in der Außen- und Innenarchitektur gesprochen und was der Fokus auf Kreislaufwirtschaft auch für die Gestaltung bedeutet.