Medienworkshop_0922-77

Mit Humor und Lösungen gegen die (Medien-)Krise

Leser*innen wenden sich ab, das Vertrauen in Medien sinkt, während die Krisen der Welt zunehmen. Damit Journalismus in diesen Zeiten überlebensfähig bleibt, muss er sich strukturell verändern. Unterschiedliche Ansätze werden bereits erprobt. 

Die Welt scheint im Krisenmodus gefangen. In der Ukraine wird ein Krieg geführt, der Klimawandel hinterlässt bereits gravierende Schäden, die Inflation in Europa steigt, ebenso die Sorge um die Energieversorgung, und das alles geschieht, während die Welt noch mit den Folgen der Corona-Pandemie zu tun hat. Dieser Krisenmodus in Dauerschleife führt zu Herausforderungen für den Journalismus. Das zeigt der aktuelle Digital News Report. Das Vertrauen in Medien sinkt, ebenso das Interesse an Nachrichtenjournalismus. Insbesondere jüngere Generationen, die bisher online auf Zeitungsportale zugegriffen haben, suchen diese immer weniger auf oder informieren sich lediglich über soziale Netzwerke.

Wenn Menschen schlechten Nachrichten aus dem Weg gehen

Ein viel größeres Problem ist jedoch, dass immer mehr Menschen „News Avoidance“ betreiben. Sie sind nachrichtenmüde und gehen ihnen komplett aus dem Weg. Das hat nicht nur Folgen für die Medienindustrie, sondern auch für die Demokratie. Wenn es gesellschaftlich an einer gemeinsamen Informationsgrundlage fehlt, kann nicht demokratisch diskutiert werden. Doch welche kreativwirtschaftlichen Methoden gibt es, um dem Journalismus aus dem Krisenmodus zu helfen? Beim diesjährigen Medienworkshop des Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft wurden innovative Ansätze debattiert, die neue Wege in der Informationsvermittlung gehen.

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Katja Berlin

Humor als Gegenstrategie zur Empörung

Die Medienlandschaft in Deutschland ist seriös. Oder wie es die Autorin und Spezialistin für sonderbare Grafiken, Katja Berlin, ausdrücken würde: „Je langweiliger, desto seriöser.“ Ihrer Meinung nach fehlt es an Humor. Mit ihrer „Torte der Wahrheit“, die wöchentlich in der Zeit erscheint, macht sie komplexe Daten durch Design und Humor greifbarer. Sie analysiert Deutschlands Politik und Gesellschaft, und zeigt dabei, dass gute Satire nicht viele Wörter braucht. Im Gegenteil reichen einfache Tortendiagramme, um seriöse Themen mit einem Augenzwinkern zu vermitteln. Die Autorin sagt, Humor sei wichtig, weil er ermögliche, neue Perspektiven einzunehmen. Katja Berlin versteht den Witz als Gegenstrategie zur Empörung, mit der sonst oft im Medialen, insbesondere auch in sozialen Netzwerken gearbeitet wird. In der Spirale der kurzen Aufmerksamkeitsdauer wie auf Plattformen wie TikTok, versucht sie, Aufmerksamkeit durch Humor zu erregen. Dabei schüttelt sie ihre Gags nicht einfach so aus dem Ärmel, sondern beschreibt sie als „harte Arbeit“. Für sie braucht guter Humor nämlich immer einen Standpunkt. Es ist also nicht nur das Lachen oder Schmunzeln über etwas, für Katja Berlin ist Humor eine konstruktive Emotion, die es überhaupt erst ermöglicht, Krisen auszuhalten.

Dass Humor konstruktiver ist als Empörung, findet auch Alexander Sängerlaub. Und er geht noch einen Schritt weiter, indem er sich gleich für einen konstruktiven Journalismus ausspricht. Der Leiter des Programmbereichs Zukunft des Journalismus am Bonn Institute ist der Überzeugung, dass die Informationsflut über sämtliche Kanäle zu einem Ohnmachtsgefühl bei Menschen führt. Eine negative Schlagzeile jagt die nächste und führt dazu, dass immer weniger Nachrichten und seriöse Medien konsumiert werden. „Wir leben in Zeiten, in denen so viel passiert, dass Menschen sich von uns abwenden, weil sie einfach keinen Bock mehr haben“, sagt Alexander Sängerlaub. Denn das Bild, das Medien vermitteln, prägt die Stimmung in der Gesellschaft. Das wiederum hat Einfluss auf das Verhalten von Menschen.

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Katja Berlin

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Alexander Sängerlaub

Die Zeit des lösungsorientierten Journalismus ist angebrochen

Der Kommunikationswissenschaftler plädiert daher für Geschichten mit Lösung. Denn beim konstruktiven Journalismus geht es nicht darum, lediglich Positivnachrichten zu verbreiten, wie häufig fälschlicherweise angenommen wird. Es geht darum, Probleme zu beleuchten, sie zu diskutieren und Lösungen anzubieten. Nicht der oder die Journalist*in überlegt sich Lösungswege, sondern spricht mit Menschen, die welche anbieten. Gerade bei der Berichterstattung zum Klimawandel werden häufig Untergangsszenarien beschrieben. Diese können Menschen lähmen, anstatt sie zum Handeln zu bewegen. Ansätze zum konstruktiven Journalismus aus anderen Ländern der Welt, wie beispielsweise aus Dänemark, zeigen hingegen, dass Menschen wieder mehr Vertrauen in Medien gewinnen und die News Avoidance zurückgeht. Alexander Sängerlaub spricht von „ausgeruhtem Journalismus“, der Menschen nicht mit den Problemen zurücklässt, die er beschreibt, sondern lösungsorientiert agiert. Zu den weiteren Säulen konstruktiver Medien zählt das Bonn Institute zudem Nuancierung von Nachrichten, Selbstreflexion der Journalist*innen, das Befragen von Wissenschaftler*innen, die Vielfalt an Themen und an Redakteur*innen. Denn die Unterschiedlichkeit von Menschen eröffne einen Perspektivenreichtum.

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Alexander Sängerlaub

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Dr. Michaela Dudley

Dass der Journalismus der Zukunft mehr Diversität benötigt, eint auch den Journalisten Frank Joung und die Kabarettistin Michaela Dudley. Joung, der als Moderator beim Medienworkshop auftrat, ist der Host des Podcasts „Halbe Katoffl“. Dort kommen Menschen zu Wort, die sonst weniger sichtbar sind in der Gesellschaft – Deutsche mit nicht-deutschen Wurzeln. Themen wie Rassismus, Identität und Diversität begegnet der Journalist auf unterhaltsame, lustige und kurzweilige Weise. Auch Dudley greift bei ihrem Bühnenprogramm zum Witz – in diesem Fall zum Wortwitz. Mit sprachlicher Akrobatik und versteckten Seitenhieben kritisiert sie Politiker*innen jeglicher Partei. Als selbsternannte „Diva in Diversity“ publiziert sie in unterschiedlichen Medien Texte zum Thema Rassismus. „Die Entmenschlichung fängt mit dem Wort an, die Emanzipierung auch“, sagt Dudley. Für sie gehören – anders als für Katja Berlin – Humor und Empörung im Journalismus zusammen, da der Humor eine Weise darstellt, um mit der Empörung umzugehen. Auch sie ist der Meinung, dass Medien Vielfalt brauchen, um aus der Krise zu kommen. Sie sagt: „Wir wollen einen Platz am Tisch haben, und wir sind nicht da, um ihn aufzuräumen.“

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Dr. Michaela Dudley

Die Chance zur strukturellen Erneuerung

Die vergangenen Jahre seit Beginn der Corona-Pandemie und die derzeitige Lage der Welt haben dem Journalismus zugesetzt. Doch frei nach Winston Churchills „Never let a good crisis go to waste“ kann die Krisenlage auch als Chance begriffen werden, sich strukturell neu aufzustellen. Bisher scheint das Mediensystem in Deutschland träge, wenn es um Neuerungen geht. Doch innovative journalistische Ideen, die sich alltäglichen Dingen wie Humor und Problemlösungen bedienen, bieten die Chance, neue Strukturen aufzubauen, die das Vertrauen in Medien zurückgewinnen können. Gleichzeitig bietet es ihnen die Möglichkeit, sich für zukünftige Herausforderungen resilient aufzustellen. Die Ideen sind da. Sie müssen nur umgesetzt werden.

Credits

Text: Deana Mrkaja, freie Journalistin und Zukunftsforscherin

Fotos: Jana Margarete Schuler

Anstehende Veranstaltungen

  1. Sommerpavillon der Kultur- und Kreativwirtschaft

    21. Juni - 4. Oktober

Credits

Text: Deana Mrkaja, freie Journalistin und Zukunftsforscherin

Fotos: Jana Margarete Schuler

Künstliche Intelligenz als Werkzeug von Kreativen

Die fortschreitende Digitalisierung verändert tiefgreifend, wie wir leben, arbeiten und auch politisch partizipieren. Eine der großen Herausforderungen unserer Zeit ist, sowohl die politische Teilhabe zu stärken als auch die Demokratie vor digitalen Bedrohungen zu schützen.

Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird beispielsweise kreative Teilhabe für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich, indem komplexe Werkzeuge und Techniken auch ohne tiefe Fachkenntnisse genutzt werden können. KI ermöglicht es Menschen aus verschiedenen Hintergründen, ihre kreativen Ideen zu verwirklichen und neue Formen der künstlerischen Zusammenarbeit zu erkunden. Das fördert die Vielfalt und Innovation in der kreativen Landschaft. Gleichzeitig stellt diese Entwicklung die traditionellen Vorstellungen von Urheberschaft und Originalität infrage, da KI-gestützte Kreativität zunehmend die Grenze zwischen menschlicher und maschineller Schöpfung verwischt.

Auch die Fragen, was Kreativität bedeutet und wo die Kernkompetenzen der Kreativschaffenden liegen, werden an Wichtigkeit gewinnen und ihre Antworten sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich bringen. KI ist auf dem heutigen Stand eher nicht „kreativ“ – aber sie verändert kreative Prozesse. Sie kann Kreativschaffende in ihrer Kreativleistung unterstützen, sie erweitern und als Inspirationsquelle dienen.

In unserer Kurzreportage sprechen wir mit den Künstlern Julian van Dieken und Roman Lipski über das Potenzial von KI als künstlerische Muse und Werkzeug, das neue Zugänge und Innovationsprozesse ermöglicht.