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Der Weg zum Wachstum

Startups der Kreativ- und Kulturbranche schaffen einzigartige Produkte und Dienstleistungen. Doch beim Thema Skalierung hakt es manchmal. Vier Dinge, die Gründer*innen beachten sollten. Ein Gastbeitrag von Martin Kaelble, ehemaliger Digitalchef bei CAPITAL und selbst Gründer.

“Do things that don’t scale”: So lautet ein berühmter Satz in der Startup-Szene. Paul Graham, Vordenker und Mitgründer des legendären Startup-Accelerators Y Combinator im Silicon Valley, widmete sich einst den vielen Missverständnissen, die es rund um das Thema Skalierung gibt. “Eine gute Metapher sind die Kurbeln, die Automotoren hatten, bevor es elektrische Anlasser gab. Wenn der Motor einmal ansprang, lief er auch weiter, aber es gab einen separaten und mühsamen Prozess, um ihn in Gang zu bringen.”, so Graham. 

Grahams Gedanke ist besonders spannend für Startups aus dem Kultur- und Kreativbereich. Hier sind Unternehmer*innen oftmals besonders gut in dieser mühevollen, kleinteiligen Anfangsarbeit. Hier entstehen Produkte aus Leidenschaft und Überzeugung, mit viel Liebe und Hingabe. Doch manche dieser Leidenschafts-Unternehmer*innen tun sich dann etwas schwerer, rechtzeitig auf die Wachstumsbahn abzubiegen (ich komme später nochmal darauf zurück, was „rechtzeitig“ in diesem Kontext bedeutet). Auch bei manchen Investor*innen herrscht der Glaube vor, dass solche Produkte schwerer skalierbar sind. Diese Produkte und Dienstleistungen können komplex sein, es geht nicht selten um Qualität, um Authentizität, um Kulturgüter. 

Doch all das muss so nicht sein. Auch für Kreativ- und Kultur-Startups gibt es  gerade heutzutage viele Wege, um auf den Wachstumspfad zu springen. Und folgt man Grahams Gedanken, so dürften diese Unternehmen sogar einen Startvorteil haben. Vielmehr lässt sich ein Rezept erkennen, das für viele Startups heutzutage gut funktioniert, ganz gleich aus welchem Bereich sie kommen.

Wenn wir uns umschauen, so sehen wir ein typisches Muster, das ganz den Gedanken von Paul Graham folgt. Zunächst startet man sehr manuell, mit viel Liebe und Präzision wird das Produkt gebaut. Oftmals in einer kleinen Nische, in der man seine Nutzer*innen und Kund*innen sehr genau kennt. Dieses Muster ist gerade im Kultur- und Kreativbereich oft zu beobachten – ist aber mittlerweile auch ein verbreiteter Ansatz für Startups aus ganz anderen Bereichen.

Wir sollten uns bewusst machen: Es war noch nie so leicht, Produkte skalierbar zu machen. Denn wir leben in einer Zeit, in der so viele Tools standardisiert allen zur Verfügung stehen: von Payment-Lösungen, Shopify, Distributions-Plattformen bis hin zu Social Media. Es ist heutzutage eher die Frage des Mindsets der Gründer*innen, ob all diese Hilfsmittel genutzt werden, um zu wachsen. Es war nie einfacher. 

Martin Kaelble

Beispiele dafür sehen wir im Content-Bereich, im Kulturbereich oder in Gastro-Unternehmungen gleichermaßen – seien es neue Festivals, innovative Games, Kaffeebecher aus nachhaltigen Materialien oder vegane Donutläden, die irgendwann zur Marke werden und mit Investor*innengeld stark expandieren. Oder “Craft”-Produkte, die bei Online-Plattformen wie Etsy, auf dem Flohmarkt oder Instagram starteten und plötzlich groß werden. Sie alle starten am Anfang immer mit dieser besonderen Hingabe zum Produkt, oft mit einer Überzeugung in einer Nische. Diese generiert automatisch Fans. Und sobald diese eine kritische Masse erreicht hat, ist es dann möglich, das erfolgreiche Produkt zu replizieren und zum Wachsen zu bringen. Manchmal kommt das Wachstum auch überraschend oder gar ungewollt. Manch ein*e Leidenschafts-Tüftler*in ist quasi aus Versehen “Kapitalist*in” geworden. 

 

Vier Dinge sollten gerade Kreativ- und Kulturunternehmer*innen beim Thema Wachstum besonders beachten:

 

Erstens: Gründer*innen sollten verstehen, dass es – ganz nach Paul Graham – vollkommen ok ist, sich erst einmal voll aufs Produkt zu konzentrieren und Dinge zu tun, die nicht skalieren. 

Zweitens: …aber rechtzeitig darüber nachzudenken, wie die nächsten Schritte hin zu Wachstum irgendwann einmal aussehen. Hier kommen Dinge ins Spiel wie Outsourcing einzelner Arbeitsschritte, Automatisierung, Nutzung von Software-Lösungen, wo es Sinn macht. In Zukunft zunehmend sicher auch der Einbezug von AI und ChatGPT, die in rasantem Tempo für alle nutzbar werden – als standardisierte Lösungen ohne diese selber entwickeln zu müssen. Wir sollten uns bewusst machen: Es war noch nie so leicht, Produkte skalierbar zu machen. Denn wir leben in einer Zeit, in der so viele Tools standardisiert allen zur Verfügung stehen, von Payment-Lösungen, Shopify, Distributions-Plattformen bis hin zu Social Media. Es ist heutzutage eher die Frage des Mindsets der Gründer*innen, ob sie all diese Hilfsmittel nutzen wollen, um zu wachsen. Es war nie einfacher.  

Drittens sollte man möglichst früh danach Ausschau halten, wo ganz organische, sogenannte “Growth Loops” im eigenen Produkt liegen. Also Dinge, die vielleicht für eine virale Eigendynamik sorgen, durch die sich das Produkt ganz von selbst verbreitet, ohne dass die Gründer*innen oder das Team die ganze Zeit anschieben muss. Nicht jedes Produkt bietet das. 

Viertens ist es schließlich sehr wichtig, den Schlüsselmoment für Skalierung zu erkennen und zu ergreifen. Den Moment, wo das Abbiegen auf den Wachstumspfad möglich ist. Oft gepaart mit der Entscheidung, ob man Investor*innen reinholen will oder nicht. Vorausgesetzt natürlich, man will überhaupt den Weg des schnellen Wachstums einschlagen. Im Kultur- und Kreativbereich gibt es schließlich genug Unternehmungen, die glücklich sind ohne Investor*innen, ohne absolute Wachstumsmaxime. Wenn man es aber will, sollte man diesen wichtigen Moment nicht verschlafen.

Dahinter steckt die Frage, wann und wie lange es die Zeit ist, Dinge zu tun, die nicht skalierbar sind. Und wann eben die Phase beginnt, aus dieser manuellen Anfangszeit hinauszuwachsen. Das ist bei jedem Startup anders. Ganz frei nach Paul Graham:  “Es mag einige wenige geben, die von selbst wachsen, aber in der Regel braucht es einen Anstoß, um sie in Gang zu bringen.” Und dieser Anstoß kann nur von den Gründer*innen selbst kommen.

 

 

 

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Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.

Credits

Text: Martin Kaelble

Fotos: Pexels

Wie trägt Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr Kreislaufwirtschaft bei?

Prinzipien aus der Natur abzuschauen hat schon viele Erfindungen hervorgebracht. Insbesondere Kreislaufsysteme der Natur sind Vorbilder für ein nachhaltigeres Leben. Die Umgestaltung unserer Wirtschaft zu einem kreislaufwirtschaftlichen System stellt jedoch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar, die nur branchenübergreifend und ganzheitlich gelöst werden kann. Im Unterschied zum deutschen Begriff „Kreislaufwirtschaft“, der sich auf den Umgang mit Abfall fokussiert, ist der englische Begriff „Circular Economy“ (also „zirkuläres Wirtschaften“) bereits viel weiter gefasst und betrachtet das gesamte Produktsystem. Hier geht es um durchdachte Kreisläufe von Anfang an, die bereits beim Design von Produkten beginnt.

Innovative Ideen und praktische Ansätze für zirkuläres Wirtschaften finden sich schon seit Jahren in der Kultur- und Kreativwirtschaft, zum Beispiel in der Architektur, im Produkt- und Materialdesign, der Film- und Veranstaltungsindustrie sowie dem Modemarkt. Viele Beispiele werden Sie in diesem Magazinschwerpunkt kennenlernen können

In unserer Kurzreportage zur Kreislaufwirtschaft haben wir diesmal mit Architekt*innen Sandra Düsterhus (Point.Architektur) und Martin Haas (haascookzemmrich) über die Ansätze bei ihren Projekten in der Außen- und Innenarchitektur gesprochen und was der Fokus auf Kreislaufwirtschaft auch für die Gestaltung bedeutet.