InnovationCamp LANDSICHTEN | 12.09.-14.09.2019 – Kühlhaus, G

Wie Kreative Chancen in der Provinz nutzen

Kreative in ländlichen Räumen setzen Impulse zur Lösung von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen: Sie etablieren neue Wohn- und Arbeitsformen, sie verwandeln Leerstand in Gestaltungsräume und bauen Netzwerke auf. Doch was sind erfolgreiche Lösungsansätze für ländliche Räume? Beim InnovationCamp LANDSICHTEN haben 80 Köpfe aus diversen Disziplinen konkrete Modelle zur Lösung von Abwanderung junger Menschen oder zur Stärkung von strukturschwachen Regionen erarbeitet.

InnovationCamp LANDSICHTEN | 12.09.-14.09.2019 – Kühlhaus, G

Kühlhaus Görlitz

Warum man aufs Land ziehen sollte? „Dort läuft man über Wiesen und nicht gegen Mauern.“ – sagt Julia Paaß im Rahmen ihrer Eröffnungskeynote. Worauf sie anspielt und wofür sie breite Zustimmung im Publikum erntet, sind die Freiräume, die auf dem Land existieren. Für die erfahrene Social Designerin und Expertin für Quartiersentwicklung, ist der Leerstand eine bedeutende Ressource. Der Hof Prädikow, an dem sie mitwirkt, zeigt, wie brachliegende Räume in Möglichkeitsräume verwandelt werden können. Ganz nach dem Motto „modernes Arbeiten und ländliches Wohnen“. Doch nicht nur Arbeitsplätze für Kreative sollen in der brandenburgischen Provinz entstehen. Der Hof bietet Platz für eine gewerbliche Nutzung, die Stadt und Land zusammenführt: vom Coworking-Space zur Schreinerei, vom Startup zur Goldschmiede, vom Fablab zu Seminarräumen, von Künstlerateliers zur Dorfscheune.

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Kühlhaus Görlitz

InnovationCamp LANDSICHTEN | 12.09.-14.09.2019 – Kühlhaus, G

„Die Digitalisierung ist da und jetzt wird alles gut? Ganz so einfach ist es nicht.“

Julia Paaß.

Es braucht stärkere Netzwerke, mehr Impulsprojekte, einen guten Methodenkoffer für die Zusammenarbeit mit Verwaltungen und passende Förderungen von Bund und Ländern. So unterstützt können Kreative zusätzliche Lebensqualität vor Ort schaffen. „Dann haben auch die Fachkräfte Lust, aufs Land zu ziehen!“, erklärt sie.

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Philipp Hentschel

1000 Innovationsorte – Stadt, Land, JETZT

Paaß‘ Forderung nach stärkeren Netzwerken wird im Case von Mit-Hofbewohner Philipp Hentschel diskutiert. Unter dem Casetitel „Bündnisse groß denken für Visionen und Zukunft“ entstehen Ideen und Konzepte, die den „(Wieder-)Einstieg Land“ erleichtern und diejenigen vernetzen, die bereits da sind. Ein Lösungsansatz des Teams, eine Anlaufstelle für Land-Interessierte, ein neues Kompetenzzentrum, die „Brutstätte – Stadt, Land, JETZT“. Das Kompetenzzentrum fungiert als Inkubator in urbanen Zentren, wie Berlin, Leipzig oder Köln. Dort finden Informationsveranstaltungen statt, Wissen wird ausgetauscht und Personen erhalten persönliche Beratung zu Standortfragen, bürokratischen Themen und sozialen Faktoren in der neuen Wunschheimat. Komplementiert wird das Kompetenzzentrum durch ein breites Online-Angebot mit Informationen, Best Practice Beispielen und persönlichen Austauschmöglichkeiten. Doch wie gelingt die direkte Verbindung zwischen Inkubator und Land? Durch die fahrende Außenstelle „Gackertrucker“: ein Dialogmobil, das durch ländliche Räume tourt, um Vorurteile abzubauen, Stimmungsbilder einzufangen und Bedarfe zu klären.

„1.000 Innovationsorte in ländliche Räumen bis 2030“, wünscht sich Philipp Hentschel. Damit aus seiner Vision Realität werden kann, hat sich ein anderer Teil des Teams auf diejenigen fokussiert, die bereits Konzepte für gewerbliche Projekte in ländlichen Räumen entwickelt haben. Ihre Frage: „Wie können wir Ämter und Verwaltungen besser von unseren Projekten überzeugen?“ Ihre Lösung: Ein digitaler Ämterkompass, der Gründer*innen unterstützt, passende Ansprechpartner*innen, Gleichgesinnte und die richtige Antragsform zu finden.

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Philipp Hentschel

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Renate Ortmanns-Möller, Michael Seelig

Junge Leute braucht das Land

Eine ländliche Region, in der die Vernetzungsfähigkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft bereits seit vielen Jahren Personen aus Verwaltung, Handwerk oder Institutionen zusammenbringt, ist das Wendland in Niedersachsen. Dort haben die Betreiber*innen der grünen Werkstatt Wendland diese Offenheit zum Prinzip gemacht. Mittlerweile ist die Werkstatt auf ein breites Netz an Kooperationspartner*innen, Botschafter*innen für die Region und Modellprojekt für Europa herangewachsen. Den Wendländer*innen ist klar, dass innovatives Regionalbranding nur funktioniert, wenn es gelebt wird, vor Ort. Doch damit das langfristig gelingt, braucht es Nachwuchs. Beim InnovationCamp haben die Teilnehmenden rund um die Werkstatt-Mitglieder Renate Ortmanns-Möller und Michael Seelig ein ganzheitliches Konzept entwickelt, wie junge Menschen aufs Land geholt werden können. Denn was fehlt, sind ausreichende Angebote für bezahlbaren Mietwohnraum im Wendland, neue Wohn- und Bauformen und vereinfachte bürokratische Wege mit kurzen Baugenehmigungszeiten. Eine Lösung die Mieten und damit „Land auf Probe“ ermöglicht.

Ein Wohnmodell, das all diese Punkte vereint, ist das Tiny House. Die kleinen Häuser können durch modulare Bauweise schnell aufgebaut werden, sind nachhaltig und benötigen keine große Baufläche. Doch wie können Tiny Houses flächendeckend gebaut werden? Wie wird das Wendland zum Rentland? Im Team haben die Neu-Wendländer*innen ein Konzept entwickelt, das an bestehende Infrastrukturen anknüpft. Gemäß der Devise „Haus-im-Haus“ werden Innenhöfe als Stellflächen benutzt. Auch ausgediente kommunale Anlagen wie Campingplätze oder Sportparks können als Baugrund dienen. Ein weiterer Schritt gelingt dem Team Wendland ebenfalls im Rahmen der Arbeitsphasen, der Transfer zur Überführung des Konzepts in die Umsetzung. Um Tiny Houses zu etablieren und zu finanzieren, benötigt es eine Stelle für Wohnungsbauförderung in öffentlicher Hand. Als Bauträger könnten die Gemeinden und Organisationsstrukturen wie die grüne Werkstatt Wendland fungieren. Stakeholder*innen wie Hochschulen, Handwerkskammern oder Sparkassen würden bei der Finanzierung der Bauprojekte unterstützen.

Nach den intensiven Arbeitssessions zeigt sich Michael Seelig beeindruckt von der Produktivität, die durch interdisziplinäres Arbeiten entsteht:

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Renate Ortmanns-Möller, Michael Seelig

„Mit meiner Arbeitsgruppe war ich Teil der Sache und habe erlebt, was es heißt, wenn diverse Kompetenzen am Tisch sitzen und wie sich diese ergänzen.“

Michael Seelig
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What the Volkshochschule?

Doch Regionen in ländlichen Räumen stehen nicht nur vor der Herausforderung Anreize für diejenigen zu schaffen, die nachziehen sollen, sondern auch Perspektiven aufzuzeigen, um die Menschen, die bereits dort leben, zu halten. Genau daran knüpfen die aktuellen Bestrebungen des sächsischen Volkshochschulverbands an. Als Teil der etablierten Institution Volkshochschule möchte dieser dem Strukturwandel entgegenwirken und Bürger*innen auf dem Land mit einem vielfältigen Aus- und Weiterbildungsangebot erreichen. „Remake VHS“ ist eine Herausforderung, der sich ein Team des InnovationCamps annimmt.

Klar ist, es bedarf einer anderen Ansprache und eines anderen Auftritts nach außen, um neue Zielgruppen zu erreichen und den direkten Austausch mit den Bürger*innen zu stärken. Die Teams nehmen dabei den Begriff Volkshochschule beim Wort. Benötigt wird eine bürger*innennahe Beteiligung, mehr Partnerschaften mit lokalen Vereinen oder Einrichtungen, neue Bildungsformate und zeitgemäßes Marketing sowie stetige Evaluation des bestehenden Kursangebots. Alles Kernkompetenzen, die zum täglichen Handwerkszeug von Kreativen gehören. Um schon beim InnovationCamp potenzielle neue Kursteilnehmende oder auch Kursleiter*innen zu finden – denn ja, jeder aus dem Volk darf einen Volkshochschulkurs geben – sorgte das im Fabmobil produzierte Merchandise für Begeisterung. Frisch aus dem 3D-Drucker kommen kleine Abzeichen für alle Kursteilnehmenden von „Knutschen-Ab-60“ oder „Streitkultur“ bis zu „Strukturwandel: Von Anarchie bis Zukunftswerkstatt – wir klären auf. Doch nicht nur die 3D-Abzeichen bleiben nach dem InnovationCamp bestehen. Alle Ergebnisse, von der neuen Website bis zum Abo-Modell über das veränderte Merchandise und Kursprogramm, werden im Rahmen eines eigenen Workshops der Volkshochschulen im Februar 2020 vorgestellt und weiterentwickelt.

InnovationCamp LANDSICHTEN | 12.09.-14.09.2019 – Kühlhaus, G

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Ausblick 2030

Die kreativen Epizentren in der Großstadt haben ausgedient. Moderne Wohnraumkonzepte und geteilte Mobilitätsangebote gehören zum Standard. Nicht nur in der kleinen Gemeinde Bliestdorf haben sich Co-Working und neue Arbeitsmodelle durchgesetzt. Die Idee eines „Torfhubs“ von Casegeberin Jule Lietzau hat sich von Schleswig-Holstein in die gesamte Bundesrepublik verbreitet: Vernetzung und Netz machen Arbeiten und Lebensmittelpunkt „Land“ möglich.

Anstehende Veranstaltungen

  1. Sommerpavillon der Kultur- und Kreativwirtschaft

    21. Juni - 4. Oktober

Credits

Text: kreativ_admin_bund

Fotos: William Veder

Künstliche Intelligenz als Werkzeug von Kreativen

Die fortschreitende Digitalisierung verändert tiefgreifend, wie wir leben, arbeiten und auch politisch partizipieren. Eine der großen Herausforderungen unserer Zeit ist, sowohl die politische Teilhabe zu stärken als auch die Demokratie vor digitalen Bedrohungen zu schützen.

Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird beispielsweise kreative Teilhabe für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich, indem komplexe Werkzeuge und Techniken auch ohne tiefe Fachkenntnisse genutzt werden können. KI ermöglicht es Menschen aus verschiedenen Hintergründen, ihre kreativen Ideen zu verwirklichen und neue Formen der künstlerischen Zusammenarbeit zu erkunden. Das fördert die Vielfalt und Innovation in der kreativen Landschaft. Gleichzeitig stellt diese Entwicklung die traditionellen Vorstellungen von Urheberschaft und Originalität infrage, da KI-gestützte Kreativität zunehmend die Grenze zwischen menschlicher und maschineller Schöpfung verwischt.

Auch die Fragen, was Kreativität bedeutet und wo die Kernkompetenzen der Kreativschaffenden liegen, werden an Wichtigkeit gewinnen und ihre Antworten sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich bringen. KI ist auf dem heutigen Stand eher nicht „kreativ“ – aber sie verändert kreative Prozesse. Sie kann Kreativschaffende in ihrer Kreativleistung unterstützen, sie erweitern und als Inspirationsquelle dienen.

In unserer Kurzreportage sprechen wir mit den Künstlern Julian van Dieken und Roman Lipski über das Potenzial von KI als künstlerische Muse und Werkzeug, das neue Zugänge und Innovationsprozesse ermöglicht.