Wo geht es hin mit den Medien und wie lassen sich neue Technologien für den Journalismus von morgen nutzen? Game Thinking Experte und Fellow Christoph Brosius spricht in unserer Praxisworkshop-Reihe „Was kommt nach dem Content?“ mit Journalistinnen und Journalisten aus unterschiedlichen Medienbereichen über Perspektiven für die mediale Zukunft von Datensammlung, -verarbeitung und -ausspielung im Journalismus.
Sind Bots die besseren Journalisten?
Mein Lieblingsautor ist ein Bot - von Automatisierung und Roboter-Journalismus
Auch wenn der Großteil der redaktionellen Tätigkeit derzeit noch Handarbeit ist, kann der stetig zunehmende Einfluss automatisierter Tools nicht mehr von der Hand gewiesen werden. Große Nachrichten-Agenturen nutzen bereits Techniken wie Dataminer oder Juicer, um aus Sozialen Netzwerken und anderen webbasierten Anwendungen relevante Informationen zu filtern. Diese Daten werden schneller ausgespielt als es der aktuelle Newsticker der Polizei schafft, sie können digital auf Echtheit geprüft werden und sie liegen in einer Masse vor, die von einem Menschen so nicht produziert werden könnte.
Solche Werkzeuge sind auch Petra Kaminsky, Leiterin von dpa Story, nicht fremd. Als „Nachrichtengroßhandel“ versteht sich die dpa als Dienstleister und experimentiert bereits mit unterschiedlichen automatisierten Verfahren, beispielsweise zur Verschlagwortung großer Mengen von Bildern und beim Datamining. Im Gespräch gab sie Einblicke, wie diese Werkzeuge aktuell bei der dpa genutzt werden und welche Bedeutung ein Verification Manager für das Markenversprechen hat.
Die technischen Möglichkeiten werden Veränderungen bei der Arbeit in den Redaktionen nach sich ziehen. Nicht, weil Journalisten durch Maschinen ersetzt werden, sondern weil sie neues Storytelling hervorbringen können.
Carolyn Braun, freie Journalistin und Fellow des Kompetenzzentrums, entwickelt im Rahmen von Projekten ihres Unternehmens Chapter One (gemeinsam mit Marcus Pfeil) regelmäßig transmediale Formate. Eines davon sind die „Superkühe„: Dabei haben sie im vergangenen Jahr Sensoren in die Pansen von Kühen installiert und sie mit einer Software verbunden, die aus den aufgenommenen Daten Texte gebaut und sie in Form eines Tagebuchs ausgespielt hat. Gleichzeitig war es möglich, über Chatbots mit den Kühen zu kommunizieren. Das Projekt „Superkühe“ wurde unter anderem vom WDR begleitet und heiß auf Social Media Kanälen diskutiert.
Auf der einen Seite die große Nachrichteninstitution, auf der anderen Seite ein Unternehmen für innovatives Storytelling, und im Zentrum die Frage: Was kommt nach dem Content? Wie verändert sich der Journalismus durch Bots und Automatisierung? Machen sie die Journalisten schneller oder überflüssig?
Im Gespräch der beiden Journalistinnen wurde schnell transparent, wie große Datenmengen in Geschichten aufbereitet werden können und dadurch „reine“ Informationen leichter allgemein zugänglich gemacht werden.
Hier die wichtigsten Learnings aus dem Workshop-Gespräch:
Thesen zur digitalen Zukunft der Medien
1. Digitalisierung betrifft alle wesentlichen Bereiche der Medienbranche: Datensammlung, -verarbeitung und -ausspielung. Der größte Bedarf an neuen Ideen besteht derzeit in der Ausspielung.
2. Bei allen Automatisierungen, die bisher erprobt und genutzt werden, ist bereits deutlich zu sehen: ohne Menschen geht es (noch) nicht.
3. Künstliche Intelligenz hat vor allem etwas mit Massenverarbeitung zu tun. Das birgt große Chancen für die Informationsvielfalt des Journalismus.
4. Automatisierte Datenverarbeitung lässt eine kleinteiligere Berichterstattung zu, was das individuelle Nutzererlebnis qualitativ verbessern kann.
5. Die Automatisierung des Journalismus wird in den USA deutlich offener als hier kommuniziert. Besonders in den ergebnislastigen Bereichen wie Sport, Finanzen und Wetter sind automatisch generierte Meldungen verbreitet.
6. Glaubwürdigkeit ist ein wichtiges Thema. Medienmarken müssen sich das Vertrauen der Leserschaft durch umfassende Faktenchecks erarbeiten. Dabei kann KI in Form von Bildabgleichs-Software unterstützen.
Credits
Text: Katja Armbruckner und Wiebke Müller
Fotos: Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes