In europäischen Städten sind die Innenstädte nach wie vor die Identitätsanker für das Zusammenleben. Hier im Zentrum repräsentiert die Gesellschaft sich mit allem, was ihr wichtig ist: das Rathaus als politische Macht, der Marktplatz als ökonomische Kraft und die Kathedrale als spirituelles Zentrum. Entleert macht nicht nur die Innenstadt, sondern auch überhaupt die Stadt keinen Sinn mehr. So ist es nur mehr als folgerichtig, dass wir eine Landflucht während der Coronakrise beobachten können. Wer kann, der schaltet sich per Videokonferenz vom Landsitz zu. Die Nachfrage nach Wohnmobilen und Ferienhäuser ist so groß wie nie.
Doch so wird es nicht bleiben. Wenn beide Partner berufstätig sind, dann lässt sich das alltägliche Leben, zumal mit Kindern, immer noch am besten in der Stadt organisieren. Die Kindertagesstätten sind zahlreicher, die Kinder mobiler, die Ärzte näher, die Fahrzeiten kontrollierbarer. Im Rentenalter sind es dann Kultureinrichtungen und die medizinische Versorgung, die die Attraktivität von Städten steigert. Die Stadt als dichte, heterogene, immer auch einzigartige Form des Zusammenlebens ist in modernen Gesellschaften unersetzlich. Warum also erlauben wir es, dass Innenstädte vor allem funktional und nicht nach ästhetischen Gesichtspunkten geplant werden? Dass getrennte Zonen für Fußgänger*innen, Fahrradfahrer*innen, Autofahrer*innen, ja sogar für Kinder in Form von eigens ausgewiesenen Spielplätzen, jene dichte Mischung verhindert, die Städte so attraktiv macht? Warum ist die immer notwendig an der Kostenkalkulation ausgerichtete Investitionsarchitektur in den Innenstädten akzeptabel, obwohl die jungen Architekten und Architektinnen an den Universitäten so viel bessere und schönere Entwürfe erarbeiten?